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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


Nun kam die Bitte: Cesari, wenn er wirklich Erbarmen fühle mit dem Beschuldigten, möge der Muhme der Zingarella ausführlich schreiben, und in Erfahrung zu bringen suchen, wie Maria über die That Salvatore’s denke, ob ihre Liebe noch die alte geblieben, oder ob sie mit einstimme in die Rufe des Hasses, die rings im bethörten Volke jetzt laut würden.

Cesari hatte ihn ruhig ausreden lassen. Er versprach ihm, den Wunsch betreffs des Briefes heute noch zu erfüllen. Dann stellte er eine Reihe von Fragen, und schloß dann seufzend die halbstündige Conferenz.

„Es ist, wie ich dachte!“ sprach er mit einer Stimme, die etwas müde und traurig klang. „Ihr seid unauflöslich verstrickt in die Truggebilde eines entsetzlichen Irrwahns. Wann und wo hätten die ‚Freiheitsfreunde‘ den abscheulichen Grundsatz gepredigt, daß zur Erreichung schätzbarer Zwecke jedes Mittel erlaubt sei? Wann und wo hätten sie die Berechtigung des politischen Mordes vertheidigt? Wehe dem Unglücklichen, der so die Pflichten der wahrhaften Vaterlandsliebe unter die Füße tritt! Genug für heute! Ihr macht mir die Sache leicht, denn Eure Motive sind durchsichtig, und jetzt schon erkenn’ ich, welche Richtung meine Thätigkeit hier einschlagen muß. Künftigen Sonnabend besuch’ ich Euch wieder. Laßt nicht völlig den Muth sinken, – und lernt Euren Irrthum bereuen! Gehabt Euch wohl!“

Salvatore athmete auf. Antonio Cesari pochte wider die Thür und verließ dann die Zelle. Dem Kerkermeister reichte er im Corridore ein Goldstück.

„So weit Euer Amt es gestattet, erleichtert ihm sein trauriges Schicksal!“ bat er im Weggehen. „Ich werde erkenntlich sein.“

Und ganz erfüllt von gramumflorten Erinnerungen – vom Bilde seines unsäglich geliebten Vaters, der monatelang schuldlos im Abgrund solcher Mauern geschmachtet hatte, bestieg er das Fuhrwerk, das ihn durch die lärmenden Straßen der Großstadt hinausführte in die Einsamkeit seiner stillen vornehmen und doch so freudlosen Wohnung.

(Fortsetzung folgt.)




Heißblütige Pflanzen.

Von Carus Sterne.

Die Pflanzen erscheinen uns als so vorwiegend wärmebedürftige Wesen, daß uns kaum die Frage aufsteigt, ob sie wohl auch in ihrem Körper eine gewisse Eigenwärme erzeugen, wie die Thiere. Höchstens könnte man sie den sogenannten kaltblütigen Thieren vergleichen, denn ihre grünen Theile fühlen sich, wie der Körper eines Frosches, stets kühler an als die Luft eines warmen Sommertages, und dies ist die natürliche Folge der an ihrer Oberfläche beständig stattfindenden Wasserverdunstung. Andererseits wissen wir aber, daß die Pflanze nicht blos Kohlensäure aus der Luft aufnimmt, sondern in bestimmten Theilen und Zeitabschnitten auch Kohlensäure ausscheidet und zwar in Folge eines wirklichen Athmungsprocesses, der mit Kohlenstoffverbrennung und Wärme-Entwickelung, wie im thierischen Körper, vor sich geht. Namentlich beim Keimen und Blühen der Pflanzen werden diese wärmeerzeugenden Athmungsprocesse und der Stoffwechsel in den Pflanzenzellen sehr lebhaft, aber die dabei erzeugte Wärme vertheilt sich so schnell, wie sie entsteht, in die Umgebung der kleinen Wärmeherde; wir spüren sie nur, wenn wir eine Menge Samen, wie es bei der Malzbereitung geschieht, in dichten Haufen keimen lassen, oder wenn wir, unter Abschluß des abkühlenden Luftzuges durch eine Glasglocke, ein kleines Thermometer in eine eben aufbrechende größere Blüthe, wie z. B. die einer Distel, Seerose oder Gurkenpflanze senken. Wir finden, daß das Thermometer in der Blüthe um einen halben oder ganzen Celsiusgrad höher steigt, als ein anderes daneben befindliches.

Fig. 1.
Arum italicum, italienische Zehrwurz.

Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts weiß man jedoch, daß die Wärme in manchen Blüthen viel höher steigt, sodaß man sie unmittelbar mit der Hand spüren kann, ja selbst so hoch, daß sich die betreffende Blüthe wie eine fieberglühende Stirn oder wie ein warmer Ofen anfühlt. Soviel bekannt, war es Lamarck, der berühmte Vorgänger Darwin’s, der zuerst im Jahre 1789 an den Blüthen des italienischen Aronstabs, Arum italicum (Fig. 1), eine erhebliche Wärme-Entbindung wahrgenommen hat, aber später ergab sich, daß viele Verwandte dieser Pflanze dieselbe Erscheinung in ihrem Blüthenkolben zeigen, obwohl sie nur in einzelnen Fällen ebenso auffallend wird, wie bei jener Pflanze.

Wohl jedem meiner Leser dürfte die eigenthümliche Blüthenbildung der Zehrwurzgewächse oder Aroideen von der äthiopischen Calla oder dem weißen Aronstab, Richardia aethiopica (Fig. 2), her bekannt sein, jener bei Arm und Reich beliebten Zimmerpflanze. mit den mächtigen dunkelgrünen, glänzenden Blättern von pfeilförmiger Gestalt und der schneeweißen Düte oder Blüthenscheide, welche am Ende des üppigen Schaftes den goldgelben Blüthenkolben umhüllt. Was wir Blume nennen, ist aber hier und bei allen Aroideen, von denen sehr zahlreiche Arten, der ornamentalen oft herrlich buntgefleckten Blätter wegen, als sogenannte Blattpflanzen in den Gewächshäusern gezogen werden, keine einzelne Blüthe, sondern ein ganzer Blüthenstand: der Kolben oder die Blüthenaxe ist dicht mit zahllosen kleinen Blüthen bedeckt, und

Fig. 2.0 Richardia aethiopica, Schlangenkraut.

zwar wird der obere Theil gewöhnlich von Staubblüthen, und der untere Theil von Stempelblüthen eingenommen (Fig. 3). Aus den letzteren entstehen zur Reifezeit beerenartige Früchte, die den untern Theil des Kolbens dicht wie die Körner den Maiskolben umgeben. Unsere heimische Flora zählt an diesen Pflanzen außer dem Kalmus, einem entfernten Verwandten der Aroideen, die Sumpf-Calla (Calla palustris), die ein stark verkleinertes Bild der äthiopischen Calla darstellt, und den gefleckten Aronstab, Arum maculatum, unserer feuchten Laubwälder und Parke, und es mag hier daran erinnert werden, daß auch die größte aller Blume, die früher in der „Gartenlaube“ (Jahrg. 1879, S. 292) beschriebene Titanenblume (Amorphophallus Titanum) zu den Aroideen gehört.

Wenn man die Blumenscheide einer frisch aufgeblühten Aroidee, z. B. diejenige unseres gefleckten Aronstabes, welcher seine unscheinbaren grünlichen Blumenhüllen im Mai öffnet, außen und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_346.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2022)