Seite:Die Gartenlaube (1884) 340.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


„Die Dummen werden nicht alle!“ An diesen von dem zu früh verstorbenen Dr. Bock bei seinem Ankämpfen gegen den Geheimmittelschwindel so oft angewandten Satz wurde ich jedesmal erinnert, wenn ich im Laufe der letzten Jahre folgende immer wieder auftauchende Annonce zu Gesicht bekam: „Wer sein Geld, circa 3- bis 10,000 Mark sicher anlegen will, kann sich im Stillen an einem soliden Geschäfte betheiligen. Genügende Sicherheit und ein monatlicher Gewinn von 30 Mark pro 1000 Mark schriftlich garantirt.“ Manchmal beginnt die Annonce auch mit „Stiller Theilhaber für ein lucratives Geschäft gesucht“ oder „Zur Vergrößerung meines lohnenden Geschäfts suche ich“ etc. Der Zweck, kleinere Capitalien von 3000 bis 15,000 Mark zu suchen, ist jedoch stets derselbe, wie auch die in Aussicht gestellten Zinsen sich auf mindestens 30 bis 36 Procent pro Jahr beziffern.

Jeder einigermaßen erfahrene Geschäftsmann weiß nun, daß es ein Ding der Unmöglichkeit ist, bei solidem Geschäftsbetriebe einem sogenannten stillen Theilhaber derartige Zinsen zu zahlen, und es wird daher aus diesen Kreisen nicht leicht Jemand auf den Leim gehen. Für alleinstehende Personen, namentlich auch solche von dienstlicher Stellung mit bescheidenen Einnahmen, ist es dagegen oft zu verlockend, aus ihrem kleinen, meist durch jahrzehntelanges Sparen sauer erworbenen Vermögen eine so hohe Rente zu ziehen. Aus diesen Ständen, welche weniger Geschäftskenntniß besitzen und mit Rücksicht auf ihre amtliche und gesellschaftliche Stellung die Einmischung der Gerichte scheuen müssen, werden nun hauptsächlich die Opfer des Schwindels gesucht, der der Hauptsache nach in folgender Weise vor sich geht:

Auf die erste Anfrage, welche sich nach der Art des Geschäftes erkundigt, wird mitgetheilt, daß es sich um Erweiterung eines „Lombardgeschäftes“ handle. Daß dies in Wirklichkeit ein Privatpfandleihgeschäft bedeutet, das gegen hohe Zinsen Werthgegenstände belehnt und wohl auch verschiedene unsaubere Nebengeschäfte betreibt, ist dem verblendeten Opfer wohl in den seltensten Fällen bekannt. Etwaige Bedenken werden unterdrückt, zumal der Geldsuchende „Discretion als Ehrensache betrachtet“, also Niemand etwas davon erfährt.

Der eigentliche Geschäftsabschluß vollzieht sich weder am Sitze des Geldsuchenden, noch des Ausleihenden – beide haben ein Interesse daran, hierfür einen dritten Ort zu wählen. Hier empfängt nun das verblendete Opfer für sein gutes Geld Brillanten und Goldsachen, welche anscheinend den doppelten und dreifachen Werth der auszuleihenden Summe darstellen. In Wirklichkeit sind sie jedoch imitirt. Das biedere und sichere Auftreten des neuen Geschäftsfreundes hindert aber den zu Prellenden an der Echtheit auch nur leise zu zweifeln, und so kehrt er mit den vermeintlichen Schätzen und den besten Hoffnungen in die Heimath zurück, nachdem er vorher einen ausführlichen, wohlverklauselten Contract unterzeichnet hat.

Schon im zweiten, oder wohl gar gleich im ersten Monat bleibt der erhoffte Gewinn, von dem man sich eine Besserung der ganzen Lebenslage versprochen hatte, aus.

Das Ende vom Liede ist traurig: es wird gemahnt, gebeten, gedroht, das Geld ist unwiederbringlich verloren. Der einzige Weg, der noch Aussicht auf Erfolg hätte, nämlich sofort die Hülfe der Gerichte anzurufen, wird in der Regel nicht eingeschlagen. Dem Gerupften wird von seinem Compagnon schließlich reiner Wein eingeschenkt, nämlich daß er sich an einem nicht ganz reinen Geschäft betheiligt habe, und er muß am Ende noch froh sein, wenn Niemand von der Angelegenheit erfährt, deren Veröffentlichung ihn um seinen bisherigen tadellosen Ruf oder wohl gar um Amt und Stellung bringen könnte.

Auf diese Weise wird Jahr für Jahr eine große Anzahl kleiner Capitalisten geprellt. In welchem Umfange das Geschäft betrieben wird, geht schon daraus hervor, daß Tausende allein für Annoncen ausgegeben werden.

Die Dummen scheinen eben absolut nicht alle werden zu wollen. Gewarnt sollen sie aber immerhin werden. L.     


Die kleinste politische Gemeinde des Reichs. In einem jener freundlichen thüringischen Winkel unseres starken deutschen Vaterlandes, in denen die Grenzen von drei, ja vier der kleineren Glieder desselben zuweilen so eng an einander fließen, daß, wie der Volksmund in trefflicher Bezeichnung sich ausdrückt, ein Scatspiel möglich ist, bei welchem jeder Spieler in einem andern Staate zwar in dem Lande sitzt, dem er als Staatsbürger angehört, dort liegt die wahrscheinlich kleinste politische Gemeinde des Reichs. Es ist dies die Gemeinde Poris, Herzogthum Sachsen-Altenburg, Amtsgerichtsbezirk Ronneburg. Alles in Allem genommen besteht dieselbe aus zwei Bauergütern mit 15 Bewohnern. Nur in Bezug auf Kirche und Schule steht diese kleinste Gemeinde Deutschlands in Verbindung mit den Nachbargemeinden, in allen weltlichen bez. politischen Angelegenheiten dagegen hat sie ihr eigenes Regiment. Dasselbe wird von dem einen der beiden Bürger der Gemeinde, dem Bürgermeister, ausgeübt. So hat die Gemeinde auch ihre eigene Polizeiverwaltung, die sie – ohne Pickelhaube und Schutzmannschaft – mit Strenge und – Klugheit pflegt. Auf das letzterwähnte Moment deutet wenigstens die Fassung des ortspolizeilichen Anschlags hin: „In der Gemeinde Poris wird Bettlern Nichts verabreicht.“ Wohlthuend berührt diese Art des Ausdruckes den Feind alles Vagabondenthums. Wie anders dagegen, wenn es heißt: „Das Betteln ist bei 5 Mark Strafe verboten.“ Als ob die übergroße Mehrzahl der Genossen jener Sippe, deren Wahrzeichen der abgezogene Hut und deren Wahlspruch das Wort ist „Verzeihen Sie, ein armer Reisender!“ je über 5 Mark zu verfügen hätte, um diese als Strafgeld in die Hände eines Organs der Polizei niederlegen zu können!

Einen Vorzug besitzt diese kleinste Gemeinde vor den meisten ihrer umfangreichen Schwestern: sie hat keine Schulden. Die Leistungen aber werden – und dies bedeutet gleichfalls einen nicht zu unterschätzenden Vorzug – ohne langwierige, sehr häufig vom Geiste politischer Parteistellnng dictirte Debatten im Schooße der Gemeindevertretung aufgebracht. Der Bürgermeister kommt eben zu seinem Bürger und dann werden die Beitragsquoten nach Maßgabe des beiderseitigen Grundbesitzes vertheilt. Ein weiterer Vorzug der kleinsten Gemeinde vor den allermeisten andern besteht ferner darin, daß sie niemals Anleihen aufnimmt. Schon das Aeußere des kleinen Ortes deutet auf gediegene Wohlhabenheit. So gewährt dies kleinste politische Gemeinwesen innerhalb der deutschen Grenzpfähle zugleich das erfreuliche Bild geordneter Selbstverwaltung. H. Meißner.     


Nochmals das deutsche Forstwaisenhaus. Die gute Sache nimmt einen guten Fortgang. Bei der Nebensammelstelle in Gr. Schönebeck, Rgbz. Potsdam (dem Sitz des zu gründenden Waisenhauses) sind des weiteren folgende Gaben eingelaufen: Strafgelder bei einer Treibjagd, gesammelt durch Herrn Oberförster Schräge zu Astrawischkey 37 M.; durch Herrn Oberforstmeister Borggrewe in Münden gesammelt 34 M.; durch die „Gartenlaube“ gesammelt 538 M. 80 Pf.


Allerlei Kurzweil.


Schach.

SCHWARZ

WEISS

Problem Nr. 5.

Von Dr. S. Gold

in Wien.


Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Ketten-Räthsel.

An die STelle der Kreuzchen sind folgende Buchstaben: 6 a, 2 b, 3 d, 5 e, 2 g, 1 h, 3 i, 1 k, 3 l, 2 m, 1 n, 2 o, 1 p, 5 r, 3 s, 2 u, 1 x so zu vertheilen, daß in der Reihenfolge der Zahlen 1 bis 8 zu lesen ist als:

1. Ring: eine Bezeichnung für Wappenkunde,
2. Ring: ein berühmter Spartaner,
3. Ring: eine Königin von Spanien,
4. Ring: eine in der Geschichte Karl’s d. G. genannte Burg,
5. Ring: eine der größten, schönsten und reichsten Städte Frankreichs,
6. Ring: der Name für eine Art kurzes Gedicht.

Die an die Verknotungspunkte der Ringe, in die kleinen Kreise kommenden fünf Buchstaben ergeben die gewöhnlichste Ursache zur Verkettung der Menschenherzen. F. M.     


Kleiner Briefkasten.

J. H. in Berlin. Annahme eines Knaben betreffend. Bitte um genaue Angabe der Adresse.

W. N. in Rotterdam. Leider ist’s wahr, in Ihren Gesetzen findet ein deutscher Dichter und Componist gegen Ausbeutung durch Presse oder Bühne keinen Schutz. Aber Niemand darf vergessen, daß da, wo ein staatlicher Rechtsschutz fehlt, die Mannesehre dafür eintritt, welche auch ihre Gesetze hat, die man nicht ungestraft verletzt.

C. Sch. in M., W. R. in V., „Die drei Zeichen“, M. A. in München, E. W. in D. Nicht geeignet.

A. N. in Hamburg. Beruht auf Schwindel.

W. W. in O. S.Aus deutschen Gerichtssälen“: Jahrg. 1867, 1870, 1872, 1874. „In sengender Gluth“: Jahrg. 1868.

M. A. in B.Die zweite Frau“: Jahrg. 1874.

V. St. Die Angabe der „Gartenlaube“ bezüglich der Zeit des Pyramidenbaues ist richtig, die von Ihnen erwähnte falsch.

A. S. in L. Wenden Sie sich an einen Rechtsanwalt.


Inhalt: Salvatore. Napoletanisches Sittenbild. Von Ernst Eckstein (Fortsetzung). S. 325. – Verlassen. Illustration von Ferdinand Pacher. S. 329. – Die Ansteckungswege der Kinderkrankheiten. Von Dr. L. Fürst (Leipzig). 1. Das Wesen der Ansteckung. S. 330. – Die Repser Burg in Siebenbürgen. Von Friedrich Hofmann. Mit Illustration S. 333. – Das neue deutsche Bühnendrama. Von Rudolf von Gottschall. III. S. 334. – Volksirrungen in der Sprache. Von Dr. Söhns. S. 336. – Blätter und Blüthen: Die Schneeziege. S. 338. Mit Abbildung S. 337. – Sonntagmorgen. S. 339. Mit Illustration S. 332. – Vermißte. S. 339. – „Die Dummen werden nicht alle!“ – Die kleinste politische Gemeinde des Reichs. Von H. Meißner. – Nochmals das deutsche Forstwaisenhaus. – Allerlei Kurzweil: Schach, Ketten-Räthsel. – Kleiner Briefkasten. S. 340.



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart.0 Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_340.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2021)