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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


Blätter und Blüthen.


Vor dem Aufstande in Tirol. (Mit Illustration S. 288 u. 289. Das Land Tirol war durch den Frieden zu Preßburg im Jahre 1805 an Baiern gekommen, und zwar mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß dessen Titel, Verfassung und Rechte unperändert gewahrt bleiben sollten, wie solche ehedem unter Oesterreich bestanden hatten.

Aber die neuen Herrscher legten die Gesetze zu Ungunsten des Tiroler Volkes aus, und bald begann man im Lande gegen Steuerdruck, ungerechtes Ausheben zum Militär und sogar gegen religiöse Verfolgungen zu murren. Da die Klagen der Tiroler in München nicht berücksichtigt wurden, so wuchs die Unzufriedenheit, und allmähllch begann das Feuer des Aufruhrs im Verborgenen zu glimmen und verbreitete sich immer weiter und weiter durch’s ganze Land. Das Jahr 1809 kam heran. Da und dort in einschichten Höfen und abgelegenen Wirthshäusern fanden sich die Bauern heimlich zusammen und beratschlagten mit dem Sandwirth Hofer, der erst vor Kurzem insgeheim beim Erzherzoge Johann in Wien gewesen. Was jedoch eigentlich in diesen Zusammenkünften verhandelt wurde, blieb jedem Uneingeweihten ein Geheimniß.

Im Gebirge wurden mittlerweile an wenig besuchten Orten Waffen und Munitionsvorräthe aufgehäuft, und Schmiede, die man in’s Vertrauen gezogen, arbeiteten in verborgenen Werkstätten an Sensen, Hellebarden und Morgensternen, oder bohrten hölzerne Kanonen aus Baumstämmen und beschlugen sie mit eisernen Reifen. So wurde in der Stille Alles zu einem Aufstande vorbereitet, und Weiber und Kinder trugen die Ordres der Bauerncommandanten in die entlegensten Thäler hin. –

Dies sind die historischen Momente, welche Defregger zu seinem Gemälde „Vor dem Aufstande in Tirol“ benützt hat.

Der Künstler führt uns in eine jener geheimen Waffenschmieden im Gebirge. Das Mädchen links im Bilde hat soeben eine Depesche gebracht, ohne Zweifel vom Sandwirth selbst, welche nun der alte Werkmeister seinen vertrauten Genossen vorliest. Der Inhalt derselben ist jedenfalls ein höchst wichtiger. „Auf, es ist Zeit!“ mag die Losung lauten. Grimm gegen die fremden Zwingherren und entschlossener Muth, zu siegen oder zu sterben, malt sich deshalb in den Gesichtern dieser Männer. Selbst der junge Bursche, den vielleicht sein Vater in diesen Kreis geführt, sieht voll kecker Streitlust in den offenen Brief und scheint mit ungeduldiger Neugier die Zeilen vorauszulesen, welche der Alte eben langsam entziffert. Auch der Geishirt, der wahrscheinlich in der Nähe der Schmiede seine Heerde gehütet hat, ist herbeigekommen. Er gehört gleichfalls zu den Eingeweihten, und trotz seines Alters wird er noch wacker mit helfen, wenn es gilt, den verhaßten Feind aus dem Lande zu jagen.

Die hübsche Botengängerin ist wohl noch zu jung, um das kriegerische Treiben der Männer vollständig würdigen zu können. Jedoch das Schicksal ihrer Heimath ist auch ihr nicht gleichgültig, und durchdrungen von der Wichtigkeit ihres Dienstes, hört sie auf den Inhalt des Schreibens, welches sie soeben überbracht hat. An ihrer Seite steht schmeichelnd der Hund, der vielleicht auf dem Weg über’s Gebirge ihr treuer Beschützer gewesen.

Die Werkstätte selbst, in der sich die Scene mit dramatischem Leben abspielt, ist theilweise in eine Felsenhöhle hineingebaut. Allerlei neu gefertigte Waffen liegen darin umher, und von der Wand herab schaut das

Bildniß der siegspendenden „Muttergottes von Kaltenbrunn“.

J. C. Maurer.     


„Freundinnen des jungen Mädchens“.[1] Zu den segensreichen Einrichtungen der Neuzeit, welche die Verbesserung der Lage des weiblichen Geschlechtes bezwecken, gehört auch der Verein „Union internationale des amies de la jeune fille“ – „Freundinnen des jungen Mädchens“. Derselbe zählt in fast allen größeren Städten des In- und Auslandes, selbst Asiens und Amerikas, zahlreiche edelgesinnte Frauen zu seinen Mitgliedern. Dieselben machen es sich zur Pflicht, nach Kräften sittlichen Schutz allen jungen Mädchen ohne Rücksicht auf Nationalität, Confession und Beschäftigung angedeihen zu lassen, die genöthigt sind, ihr Brod außerhalb des Vaterhauses zu verdienen.

Das Hauptcomité des Vereins befindet sich in Neuchatel (Schweiz), von wo auch die erste Anregung ausging, und waren daher die den Verein betreffenden Veröffentlichungen in französischer Sprache abgefaßt, ebenso das den jungen Mädchen als „Rathgeber“ zu übermittelnde Büchlein, „livret“. Daß er demgemäß bisher hauptsächlich von Französinnen und Schweizerinnen in Anspruch genommen ward, ist natürlich; nun aber hat sich ein deutscher Zweigverein gebildet, dessen Vorsitzende Frau General-Superintendent Baur in Coblenz, Stellvertreterin Fräulein A. Vollmar in Berlin und Schriftführerin Fräulein H. Schellbach in Naumburg an der Saale sind, und steht somit zu erwarten, daß der segensvolle Einfluß solcher Verbindung auch unsern deutschen Mädchen mehr und mehr zugute kommen werde.

Die Aufgabe der „Freundin des jungen Mädchens“ besteht hauptsächlich darin, daß sie an dem Ort, woselbst das junge Mädchen ein Engagement zu übernehmen gedenkt, bei den Mitgliedern, deren Namen sie 1n der Mitgliederliste verzeichnet findet, Erkundigungen einzieht über die Sicherheit solcher Engagements, ferner ihm Auskunft giebt über Heimath-, Logir- und Krankenhäuser, Stellenvermittelungsbureaux von gutem Ruf, Consulate etc. Die hierauf bezüglicheu Adreffen bestnden sich in dem oben erwähnten Büchlein, welches das junge Mädchen von seiner Schutzdame als Legitimation bei den Mitgliedern des Vereins erhält. Die Namen derjenigen Vereinsmitglieder, an die sie es auf der Reise zu verweisen gedenkt, sowie eine Empfehlung, falls sie solche zu geben im Stande ist, werden beigefügt.

Den Gefahren gegenüber, denen alleinstehende junge Mädchen ausgesetzt sind, ist hiermit allen Frauen, die sich für das Wohl ihrer Mitschwestern nützlich machen wollen, ein Feld reicher Liebesarbeit geöffnet, und wäre zu wünschen, daß recht Viele dem Verein beitreten möchten. Der jährliche Beitrag ist 1 Mark, und kann in Briefmarken an die Vereinscasse unter der Adresse: Fräulein Vollmar, Berlin W., Leipziger Platz 5, entrichtet werden. An dieselbe Adresse sind auch alle Anfragen und für den Verein bestimmte Zuschriften zu senden. Natalie Schohl.     

  1. Vergleiche auch den interessanten Artikel „Die G. F. S.“ von Marie Calm („Gartenlaube“, Jahrg. 1883. S. 275 u. f.), in dem überraschende Erfolge ähnlicher Bestrebungen in England beleuchtet werden.



Allerlei Kurzweil.



Magisches Tableau.
Die Palette.
Von S. Atanas.

Das Tableatt enthält einen alten Spruch, dessen bittere Wahrheit leider noch heute mancher talentvolle Maler erfahren muß.




Auflösung des Quadraträthsels
in Nr. 15:


Auflösung des Akrostichon
in Nr. 15:
„Allerlei Kurzweil.“

Arithmetik,
Lindau,
Lavater,
Eminenz,
Romanow,
Luise,
Eboli,
Ismael.



Kleiner Briefkasten.

R. M. in M. Sie beklagen sich, daß einige unserer Räthsel und Aufgaben zu leicht und eigentlich für die Jugend berechnet seien. Darauf lönnen wir Ihnen nur erwidern, daß das letztere wirklich der Fall ist. Wir wollen – wie wir dies in unserem Prospexte ausdrücklich betonten, daß an der Rubrik „Allerlei Kurzweil“ der gesammte Familienkreis einschließlich der Jugend Antheil habe, daß also auch für diese dann und wann leichtere Räthsel, Aufgaben etc. gegeben werden. Wenn Sie nun auch selbst keine Kinder haben – sollten Sie wirklich so egoistisch und neidisch sein, der Jugend die kleine ihr dann und wann in der „Gartenlaube“ eingeräumte Ecke zu mißgönnen?!

Eine Blumenfreundin. Der in Nummer 3 dieses Jahrgangs in der Abhandlung „Zimmer- und Fenstergarten“ empfohlene Mineraldünger kann nicht nur bei der Mooscultur, sondern auch in der Erde angewendet werden; doch darf eine reichliche Verdünnung mit, bezw. Auflösung in Wasser nicht versäumt werden.

Gleichzeitig mag hier auf ein gutes Mittel gegen alle Feinde der Pflanzen aufmerksam gemacht werden, das in neuerer Zeit zu hohen Ehren gekommen ist, das Naphtalin, ein zu den Kohlenwasserstoffen gehörender krystallinischer weißer Körper, der aus Steinkohlentheer dargestellt wird, sich leicht verflüchtigt und, wenn entzündet, mit stark rußender Flamme brennt. Er hat einen durchdringenden, an Steinkohlentheer erinnernden Geruch, läßt sich in Wasser nicht, wohl aber leicht in fetten Oelen auflösen und kostet in der Fabrik 80 bis 100 Pfennig das Kilo, was schon eine große, weit reichende Masse darstellt. – Gegen die gefährliche Spargelfliege (Ortalis fulminans Melg.) bezw. ihre Larve, die im Mai bis Ende Aufust den Stengel durchbohrt und die nächstjährige Ernte vernichtet, reibt man die Spargelköpfe mit genanntem Stoff ein oder bestreut mit ihm das Beet, was zuweilen wiederholt werden muß, weil er sehr flüchtig ist; die Blattläuse vertreibt man durch Ueberstreuen, die Blutlaus durch Einreiben, den Erdfloh, die Raupen auf Kohl etx., die zahlreichen Pilze auf dem Kartoffelkraut u. a. durch Ueberstreuen mit dem Stoff. Den Blasenfuß und Thrips im Gewächshaus vertreibt man durch das Verdunsten des Naphtalin. Handelt es sich um Vertreiben derselben an Zimmerpflanzen, so läßt man das Naphtalin unter einer Glasglocke, einem Trinkglas oder dergl., das man im Innern aufeuchtet, verdunsten. Es schadet den Pflanzen in keiner Weise, weil es in Wasser, also im Saft derselben nicht löslich ist. Eine Hand voll davon im Kleiderschrank vertreibt die Motten, auf frische oder alte Wunden gestreit und sorgfältig verbunden, hindert es die Eiterung, stillte, wenn in Oel aufgelöst, bei Verbrennungen den Schmerz. O. H.     




Inhalt: Salvatore. Napoletanisches Sittenbild. Von Ernst Eckstein (Fortsetzung). S. 277. – Emanuel Geibel † 6. April 1884. Gedicht von Emil Rittershaus. S. 280. Biographie von Emanuel Geibel. Von Franz Muncker. S. 280. Mit Portrait Geibel’s S. 281. – Ein Straßenbau und die Anlage einer deutschen Colonie in Brasilien. Von F. Keller-Leuzinger. I. S. 283. Mit Illustrationen S. 283 und 284. – Heinrich Heine’s Memoiren über seine Jugendzeit. Herausgegeben von Eduard Engel. IX. S. 285. – Ein armes Mädchen. Von W. Heimburg (Schluß). S. 290. – Blätter und Blüthen: Vor dem Aufstande in Tirol. Von J. C. Maurer. S. 292. Mit Illustration S. 288 und 289. – „Freundinnen des jungen Mädchens“. Von Natalie Schohl. – Allerlei Kurzweil: Magisches Tableau. 0Die Palette. Von S. Atanas. – Auflösung des Quadraträthsels in Nr. 15. – Auflösung des Akrostichons in Nr. 15. – Kleiner Briefkasten. S. 292.



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart.0 Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_292.jpg&oldid=- (Version vom 19.1.2021)