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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

El-Obeid.0 Originalzeichnung von Rudolf Cronau.

Geschmack; die Frau besorgt die Haushaltung und arbeitet, unbekümmert um die sengende Tropensonne, in dem kleinen Gemüsegärtchen, und die nackten Kinder spielen umher. Abends kommen die Dorfbewohner zusammen, die Mädchen führen ihre meist unschönen Tänze auf, die älteren Weiber schlagen dazu das Tamburin (die Tarabucca) und die Männer sprechen wohl von der letzten Karawane und dem kleinen Tauschhandel, den sie gemacht, oder auch von dem Scheich der nächstgelegenen Ortschaft, der für den folgenden Tag angemeldet ist, um die Steuern einzutreiben. In die blendend helle Vollmondsnacht tönt der heisere Ruf der Brüllaffen, oder das Geheul der Panther, aber die Raubthiere wagen sich nur selten in die Nähe der Menschen. Jetzt geht freilich seit etwa anderthalb Jahren ein anderer Geist durch jene Länder, weil sie der Mahdi in wilden Aufruhr gebracht hat. Die jüngeren Männer, von den überall umherziehenden Sendboten des Propheten aufgewiegelt, verlassen den friedlichen Thokul und eilen mit Schild und Lanze, mit Bogen und Pfeil zu irgend einem Versammlungsort, um sich den Heerhaufen anzuschließen.

Manchmal erscheinen auch in den Dörfern Derwische und Heilige, vorzüglich in letzter Zeit, um für den Mahdi Propaganda zu machen. Von jeher haben übrigens die Letzteren in der islamitischen Welt eine wichtige Rolle gespielt.

Wer nie mit eigenen Augen einen solchen magnuhn, weli oder megdubh, und wie man noch sonst die mohammedanischen Heiligen nennt, gesehen hat, würde nach der bloßen Schilderung solche Leute für Fabelwesen halten. Sie treiben sich aber zu vielen Hunderten, ja zu Tausenden in ganz Aegyptenland umher, und wir selbst sind ihnen in Kairo und in anderen ägyptischen Städten nicht allein häufig begegnet, sondern haben sie auch direct aufgesucht, um sie genauer kennen zu lernen.

Man könnte ein kleines ganz interessantes Buch darüber schreiben; hier beschränken wir uns nur auf einige kurze Andeutungen. Das Leben und Treiben dieser Verrückten, denn etwas Anderes sind diese „Heiligen“ nicht, obwohl es auch nicht wenig Betrüger und Speculanten unter ihnen geben mag, ist ein verschiedenes: manche sitzen halb oder ganz nackt Tage und Wochen lang auf einem Fleck und stoßen nur unartikulirte Laute aus, die von ihren Verehrern dann beliebig gedeutet und weiter verbreitet werden, andere, mit allerlei bunten Lappen und Fetzen behängt, laufen umher und „predigen“, wieder andere stehen als Bettler am Wege und verkünden unter verzückten Grimassen und sonstigen Faxen das nahe Gottesgericht – im vorliegenden Falle die Ankunft des neuen Propheten. Noch andere, und zwar die schlauen und gut bezahlten, gehen, wie oben erwähnt, als Sendboten unter das Volk, von Dorf zu Dorf, und stacheln es auf zum Christenhaß, zur Verfolgung der Ungläubigen, zur Abschüttelung des verhaßten ägyptischen Jochs, unter Verwünschungen des Khedivs und seiner Minister, die sämmtlich an die Engländer verkauft seien etc. Und das Alles predigen sie unter Hinweis auf die göttliche Sendung des Mahdi und die späteren Freuden des Himmels, die um so herrlicher sein werden, je mehr Christenhunde man hier auf Erden todtgeschlagen.

In den wenigen größeren Städten des Sudan ist natürlich das Leben ein anderes, und da nimmt vor Allem Khartum, die Hauptstadt des mittleren Sudans, unsere besondere Aufmerksamkeit in Anspruch.

Der erste Anblick der Stadt, deren Einwohnerzahl jetzt 40- oder gar 50,000 Seelen betragen soll, ist kein sehr anmuthiger. Die alljährlichen Ueberschwemmungen machen die nach dem Flusse hin liegende Umgebung sumpfig und bei der später eintretenden Hitze staubig; überhaupt ist das Klima Khartums, wie fast des ganzen Sudan, ein ungesundes und für Europäer gefährliches; Brehm nennt es geradezu ein „mörderisches“.

Ansicht von Khartum.0 Originalzeichnung von Rudolf Cronau.

Vom Nil selbst aus gesehen, sieht die Stadt weit freundlicher aus, aber sie bietet doch nur ein ähnliches Bild wie die übrigen kleinen am Nil gelegenen Städte. Der Fluß ist immer von

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_274.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2021)