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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

meist sehr roh, aber auch manchmal hübsch zierlich gearbeitet. Von den Pfeilen gilt dasselbe, und das Gift, in das die Speer- und Pfeilspitzen getaucht werden, ist Pflanzengift, von verschiedenen Euphorbienarten, schnell wirkend und unbedingt tödtlich.

Fast durchweg pflegen die Sudanesen, wie die Abessinier, die Leichen der gefallenen Feinde zu verstümmeln, leider auch oft die blos Schwerverwundeten; sie schmücken sich sogar selbst mit einzelnen Gliedertheilen und hängen auch wohl die Schädel neben einem Heiligengrabe auf, wenn sich dort zufällig ein Baum vorfindet (vergl. Illustration S. 221). Das Schlachtgeschrei ist, je nach den einzelnen Stämmen, verschieden, selten ein wirklich verständliches Allah, sondern meist ein Geheul oder Gebrüll, das ganz an die wilden Thiere ihres Landes erinnert. Auch ist bei ihrer Kriegführung an kein geregeltes Vorrücken und Zusammenhalten, oder gar an irgend einen strategischen Plan von Seiten der Befehlshaber, wenn überhaupt solche da sind, zu denken.

Dies alles gilt aber nur, was wir nicht vergessen dürfen, von einzelnen Stämmen, die sich gewissermaßen auf eigene Hand der Bewegung angeschlossen haben; der Mahdi hat außerdem noch und speciell in seinem Hauptquartier in Kordofan ganz gut einexercirte und uniformirte Regimenter, die vortrefflich mit Schießgewehren, mit Säbeln und Seitengewehren bewaffnet sind. Tausende von Remington-Gewehren hat er in seinen Siegen erbeutet, und Tausende von Ueberläufern aus den verschiedenen ägyptischen Regimentern brachten ihre Waffen mit. Auch europäische und zwar italienische Officiere sollen in seinem Heere dienen, und in El-Obeid soll ein vollständiger Artilleriepark von mehr als dreißig Kanonen aufgestellt sein. Alles sehr problematisch; sicher ist nur, daß der Mahdi eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Geschützen besitzt, theils als Beute auf den Schlachtfeldern, theils von den kleinen südlichen Garnisonen, die sich ihm ergaben.

(Schluß folgt.)




Dschapei.

Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer.
(Schluß.)


Eine Almrosenstaude war es gewesen, deren lichtes Grün das Dschapei von der Seite seiner Herrin gelockt hatte.

Freilich machte das getäuschte Thier beim Näherkommen die Erfahrung, daß nicht Alles zum Aesen taugt, was grün ist. Doch fand es sich rasch getröstet, als es mehr in der Höhe zwischen den Steinen einen mit dichtem Grase bewachsenen Rasen erblickte. Da war dann in der Nähe ein zweites lockendes Plätzchen – ein drittes – und wie das Dschapei am Ende das Aesen und all das Hin- und Widerziehen satt bekam und zurückhüpfte auf den Weg, sah es nur Felsen und Bäume in der stillen unbelebten Runde.

Eine Weile sprang es mit hurtigen Füßen in thalwärts führender Richtung am Steige dahin, blieb lauschend wieder stehen, wandte sich und rannte eine Strecke über den Pfad zurück.

Ja – wenn es nur jetzt sein Glöcklein gehabt hätte! Das aber hing noch immer an dem Latschenbusche jener Schluchtwand, deren Höhe bei dem Dschapei wohl in böser Erinnerung stehen mochte.

Mit ängstlichem Schmählen irrte das verlassene Thier zwischen den Steinen hin und her, bis die Nacht über die Berge sank. Lange suchte es nach einer trockenen Lagerstelle, und da eine solche nicht zu finden war, ließ es sich schließlich auf dem Platze nieder, auf dem es gerade stand.

Die Nacht war rauh und kalt – und als beim ersten Tageslichte das Dschapei sich erhob, fiel ihm zu Anfang ordentlich das Gehen schwer, so steif waren ihm die Glieder geworden.

Wieder verging ein Tag – und wieder eine Nacht.

An dem nun folgenden Abende gelangte das Thier mit Aesen und Suchen auf die Höhe des Rauhenkopfes – und sah zu seinen Füßen die wohlbekannte Hütte liegen. In freudigen Sprüngen hüpfte es hinunter von Stein zu Stein; doch als es den Almenplatz erreichte, starrte es mit wundernden Augen die geschlossene Thür an und blinzelte empor. Nach dem steinbelegten Dache, aus dessen Lucken nicht, wie sonst allabendlich, der graue Rauch sich in die Lüfte kräuselte. Da klang keine menschliche Stimme mehr, und keine Almenglocke war zu hören. Nur die Holzbank stand noch da – und unter ihrem Sitze verbrachte das Thier die kommende Nacht.

Am nächsten Morgen, während es müde den weiten Weideplatz durchzog und von den mageren, schon gelblich sich färbenden Grasresten zupfte, vernahm es plötzlich das Läuten der Glocken – fernher aus dem Griesthale.

Es folgte dem Tone und fand auch wirklich den Pfad, der dahinunter führt. Doch als es an die Stelle kam, an welcher linker Hand die Felsen schroff zur Tiefe sich senken und rechts die Wände steil und glatt zur Höhe steigen, da sah das Dschapei den schmalen Weg versperrt durch ein festgeschlossenes Gatter.

Hier stand es den ganzen Tag und fuhr mit der Schnauze schmählend über die Stäbe. Beim Einbruche der Nacht aber wanderte es zurück nach der Hütte und streckte sich wieder unter die Holzbank.

So verging nun dem Thiere Tag um Tag.

Da es auf der ebenen Weide gar wenig mehr für seinen Hunger fand, nahm es seinen Aufenthalt zumeist am Rauhenkopfe, wo es zwischen den zerklüfteten, von dichtem Latschengestrüpp überwucherten Felsen in den nun immer kälter und kälter werdenden Nächten manch einen geschützten, windstillen Schlupf zu finden wußte.

Wie es nun hier eines Morgens erwachte und herauskroch aus seinem engen, dunklen Verstecke, sah es mit gar verdutzten Augen um sich her – da war Alles weiß in der Runde – wohin seine Blicke reichten – Alles weiß – und weiße lustige Flocken flatterten noch immer in drängender Menge hernieder durch die windige Luft.

Neugierig neigte das Dschapei den Kopf und stieß die Schnauze in den Schnee; doch fuhr es hastig wieder zurück und schüttelte das kalte, nasse Ding von der Nase. Wie es aber jetzt hinaustrat auf den weißen Teppich und mit jedem Schritte darein sank bis an den Leib – wie die fallenden Flocken ihm in die Augen stäubten und sein Vlies umwirbelten, da fing es an, diese Sache gar lustig zu finden, sprang in muntereu Sätzen hierhin und dorthin, wälzte sich mit schlagenden Füßen im Schnee und trieb alle Possen, welche so ein Dschapei nur immer zu treiben weiß. –

Bald jedoch verging ihm all die Freude. Da ward es zuerst müde und fühlte sich so unbehaglich naß am ganzen Leibe; dann verspürte es einen tüchtigen Hunger – doch fand es, um ihn zu stillen, weder Gras noch Kraut – nur Schnee. Am Ende fing es wohl zu scharren und zu kratzen an und kam auch auf den Grund; aber das Ergebniß seiner Mühe war ein recht geringes.

Gegen Mittag wurden die fallenden Flocken kleiner und seltener, bis sie schließlich ganz verschwanden. Da schaute nun die Sonne zeitweilig durch die zerklüfteten Wolken hernieder, und ihre Strahlen machten den Schnee so weich, geschmeidig und glitschig, daß er sich in dicken Klumpen an die Füße des watenden Thieres hängte oder an schiefen Stellen unter ihm hinwegrutschte, im Falle das Dschapei eine Strecke mit sich führend.

Als sich die Sonne schon hinüber zu neigen begann über den Grat der Palfenhörner, kam das müde Thier bei seiner Suche nach Aesung in die Gegend der Hundstodgrube.

Da sah es in der Tiefe des Kessels einen Menschen wandeln, der über den Schnee hinwegglitt, als wäre sein Körper ohne Schwere. Quer in den Händen hielt er den Bergstock, über die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_218.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2024)