Seite:Die Gartenlaube (1884) 172.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Kassala den östlichen Punkt; und um hier nochmals auf die großen Entfernungen hinzuweisen, bemerken wir, daß jede der drei Seiten des Dreiecks über fünfzig geographische Meilen lang ist.

Mit Berber ist Chartum durch den Nil und mit Kassala durch eine gute, sichere und mit zahlreichen Brunnen und Cisternen versehene Karawanenstraße verbunden; auch der Telegraph geht an dieser Straße entlang bis nach Snakim und Massana, den beiden namhaftesten ägyptischen Häfen an der Westküste des Rothen Meeres.

Sinkat und Tokar sind zwei kleine befestigte Städte in der Nähe Suakims, wobei man freilich nicht an unsere europäischen Festungen denken muß; vor Sinkat erlitt Baker Pascha die schlimme Niederlage, und Tokar ist ebenfalls schon im Besitz der Rebellen.

Doch zurück nach Chartum, wo Gordon, trotz aller Zweifel und Bedenken fast der gesammten europäischen Presse, aber auch zu ihrem Erstaunen, wirklich am 18. Februar glücklich eingetroffen, wie ein Retter und Erlöser im Triumphe empfangen worden ist und unerhörter Weise den Sclavenhandel wieder gestattete. Man hoffte, daß sein Erscheinen die Lage der Dinge mit einem Schlage ändern würde, aber die neuesten Nachrichten lauten für die Engländer nicht besonders günstig.

Der Mahdi war mit seinem Heere bis Mitte Februar nur wenig über El-Obeid hinaus vorgerückt, steht also noch mindestens vierzig, wenn nicht fünfzig Meilen südlich von Chartum. El-Obeid ist die Hauptstadt der ägyptischen Provinz Kordofan, zu dessen Sultan Gordon den Mahdi bereits ernannt haben soll. Südwestlich von El-Obeid sehen wir auf unserer Karte noch Melbeis und Kashgil: zwischen beiden liegt das Schlachtfeld, wo am 3. November Hicks Pascha mit seinem ganzen Heere vernichtet wurde – das schrecklichste Ereigniß des ganzen Feldzuges. Ueber Chartum hinaus nach Norden ist bis dahin Alles ruhig geblieben, wenigstens in Bezug auf die Gesammtheit der dortigen Bevölkerung, obwohl die Sendboten des Mahdi schon bis nach Wadi-Halfa und sogar bis Assuan gegangen sind. Die große Nubische Wüste liegt glücklicher Weise dazwischen, und diese ist für ein größeres Heer geradezu unpassirbar. Sie war auch der schwierigste Theil der Eilreise Gordon’s, der die ganze über vierzig Meilen weite Strecke, von Korosko nach Abu-Hammed, mit seinen wenigen Begleitern auf Reitkameelen zurücklegen mußte. Von da gelangte er nilaufwärts über Berber nach Chartum. Die Schiffbarkeit des Nils wird nur leider durch die Stromschnellen, die sogenannten Katarakte, häufig unterbrochen. Von Assuan an, der südlichen Grenzstadt des eigentlichen Aegyptens, giebt es nordwärts keine Katarakte mehr, und der Dampferdienst von dort bis Kairo ist sehr lebhaft und regelmäßig. Die große Karawanenstraße von Chartum über Dongola durch die Nubische Wüste bis Siut ist deshalb in den letzten zehn, fünfzehn Jahren mehr und mehr verlassen, da die ganze Strecke mit den nöthigen Rasttagen immer achtzig bis hundert Tagereisen in Anspruch nahm. Nur die Sclaventransporte zogen von jeher diesen Weg, wie auch den anderen, östlich durch die Nubische Wüste von Berber bis Assuan.

Noch dürfen wir das große Sultanat Darfor, südwestlich vom Sudan und Kordofan, nicht vergessen, das erst unter dem Ex-Khediv Ismaïl im Jahre 1874 annectirt wurde. Es ist fast dreimal so groß, als das Königreich Baiern, wobei es allerdings auf einige Tausend Quadratkilometer mehr oder weniger nicht ankommt, freilich mit kaum so viel Einwohnern, als jenes. Der Sohn des abgesetzten Sultans befand sich jetzt im Gefolge Gordon’s, der ihn als Nachfolger seines Vaters und als einfach tributären Sultan wieder einsetzen soll.

Noch weit südlicher liegt die letzte ägyptische Garnison, und zwar in Gondokoro am Nil, schon ganz im äquatorialen Afrika, unter dem fünften Grade nördlicher Breite. Die dortige gegen 2000 Mann starke Besatzung steht unter dem Befehle des englischen Obersten Watson, der auf einem Regierungsdampfer über 50 Tage gebrauchte, um mit seinem Stabe dorthin zu gelangen. Gondokoro ist nicht weiter bedroht, aber als ein verlorener Posten anzusehen, von dem auch seit Ende December vorigen Jahres keine zuverlässigen Nachrichten mehr eingetroffen sind.


Der Kollerflicker in Nöthen. (Illustration S. 164). Ein alter Wallensteiner würde als Kollerflicker schon wegen der Seltenheit des dargebotenen Anblicks unserer Theilnahme sicher sein; man sieht ja, welche Mühe es ihm bereitet, das zerrissene und wahrscheinlich morsch gewordene Lederzeug wieder zusammen zu zwingen. Wenn sich aber zum Schaden auch noch der Spott gesellt, so sollten wir uns erst recht bewogen fühlen, für den geplagten Mann Partei zu ergreifen. Dennoch stehen wir vor einem Fall, wo uns das nicht leicht gemacht wird. Der lustigen Dirn’, die sich lachend an den Hausthürpfosten lehnt, guckt der Schelm doch so gutmüthig aus den Augen, daß wir überzeugt sind, es bedürfte nur eines Wortes des Alten, um ihrer Hülfe gewiß zu sein. Er zieht es jedoch vor, seine Arbeit selbst und bei jedem Stich brummiger zu verrichten, und so mag er nun auch allein damit fertig werden.


Für die Marienburg. Eine höchst dankenswerthe Anregung ist in der letzten Zeit von den hervorragendsten Männern der Provinzen West- und Ostpreußens ausgegangen. Nachdem durch das Zusammenwirken des Staates, vieler Gemeinden und Privatpersonen der äußere Ausbau und die Wiederherstellung der Marienburg ermöglicht worden ist, handelt es sich jetzt darum, auch das Innere der Burg in künstlerischer und historisch treuer Weise zu restauriren. Ein soeben veröffentlichter Aufruf fordert dazu auf, einen Verein zu bilden, dem die würdige Ausschmückung des Schlosses obliegen soll, damit auch die inneren Räume des letzteren den Geist und das Leben jener denkwürdigen Zeit widerspiegeln, deren Repräsentant die Marienburg ist. Der einstige reiche Schmuck des Capitelsaales und der Remter soll, soweit er noch nachweisbar ist, von berufenen Händen wiederhergestellt werden, und historische Sammlungen sowie Kunstwerke, welche in Beziehung zu der Geschichte des Schlosses stehen, sollen die jetzt verödeten Räume beleben helfen. Wir wünschen diesem schönen Streben einen vollen Erfolg. Was uns die Marienburg ist als geschichtliches Denkmal und als Perle der deutschen Gothik, das hat der um die Wiederherstellung der Burg hochverdiente Sanitätsrath Dr. Marschall in einem früheren Jahrgang der „Gartenlaube“ (1881, Nr. 17) so anschaulich und erschöpfend geschildert, daß wir nur auf jenen Artikel zurückzuweisen brauchen. Wie sie unter den deutschen Burgen einzig dasteht als kunst- und stilvolles Bauwerk von höchster Vollendung, so unvergleichlich ist auch ihr glänzender geschichtlicher Hintergrund; denn anderthalb Jahrhunderte hindurch war sie die Residenz jener Hochmeister des dentschen Ordens, welche einen Staat beherrschten, der manches heutige Königreich an Ausdehnung übertraf und zur Zeit seiner Blüthe von der Oder bis zu dem estnischen Strande der Ostsee reichte.

„Für die Marienburg“, diese Parole sollte genügen, um jener aus dem fernen Nordosten Deutschlands ergangenen Anregung überall eine freudige Aufnahme zu bereiten und nicht nur die Herzen, sondern auch die Hände zu öffnen.


Auflösung der Charade in Nr. 9:0 Heimweh.


Kleiner Briefkasten.

Herrn R. M. in H. „Heine’s Memoiren über seine Jugendzeit“ werden von jetzt ab voraussichtlich ohne Unterbrechung erscheinen (das Ausfallen der Fortsetzung in Nr. 9 hatte einen äußeren Grund) und spätestens Ende April wird das ganze vorhandene Manuscript gedruckt sein. Ein rascheres Erscheinen wäre nur auf Kosten des übrigen Inhalts unseres Blattes möglich, welchen wir im Interesse unserer Abonnenten durch keine, wenn auch noch so bedeutsame literarische Seltenheit beeinträchtigen wollen. Sie sollten das um so mehr billigen, als Sie die Memoiren „uninteressant“ finden, worüber Sie mit den Manen Heinrich Heine’s rechten müssen. Merkwürdig ist nur, daß Sie trotzdem die Fortsetzung kaum erwarten können, daß Ihnen die „Portionen“ der unschmackhaften Speise viel zu klein sind! – Wir verweisen Sie im Uebrigen auf die in Nr. 6 enthaltene Einleitung, in welcher der Herausgeber vor zu hoch gespannten Erwartungen sowohl bezüglich des Umfangs als auch des Inhalts warnt und ausdrücklich bemerkt, daß Diejenigen, welche etwa interessante Staatsgeheimnisse, pikante Aufklärungen über Herzensbeziehungen etc. in dem Fragmente suchen, ihre Rechnung nicht finden werden.

H. J. H. in Boskowitz.0 Ungeeignet.

T. H. in Corfu.0 Eine solche Zeitschrift existirt nicht, Sie müssen mehrere Fachblätter halten.

Kn. in Saarbrücken.0 Ja!


Inhalt: Ein armes Mädchen. Von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 157. – Die Hochfluthen des Mississippi-Gebietes. Ein Beitrag zu ihrer Erklärung von Rudolf Cronau. S. 160. Mit Illustrationen S. 160, 161, 162, 168 und 169. – Die Lumpensammler von Paris. Von Max Nordau. S. 163. – Heinrich Heine’s Memoiren über seine Jugendzeit. Herausgegeben von Eduard Engel. III. S. 165. – Dschapei. Von Ludwig Ganghofer (Fortsetzung). S. 167. Mit Illustration S. 170. – Blätter und Blüthen: Der Kriegsschauplatz im Sudan. S. 171. Mit einer Karte des Kriegsschauplatzes im Sudan. S. 172. – Der Kollerflicker in Nöthen. S. 172. Mit Illustration S. 164. – Für die Marienburg. – Auflösung der Charade in Nr. 9. – Kleiner Briefkasten. S. 172.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_172.jpg&oldid=- (Version vom 14.6.2023)