Seite:Die Gartenlaube (1884) 155.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Desvarennes“. Kann es eine zutreffendere Kritik über jenes Gemälde geben? – In der Mitte des Monats Januar habe ich die Künstlerin zum letzten Mal gesprochen. Sie klagte in bitteren Worten darüber, daß sie jetzt kein ruhiges Engagement in Wien finden könne und sich an Provinzbühnen ihr Brod verdienen müsse. Am nächsten Tage sollte sie in einem hiesigen Verein eine Vorlesung halten. Ich sagte ihr, daß ich zu meinem Bedauern derselben nicht beiwohnen könne. Sie bat mich, unter allen Umständen zu kommen und zwang mir schließlich das Versprechen ab. Ich begriff diese Dringlichkeit nicht. Aber sie bestand darauf und sagte:

„Wer weiß, ob ich noch einmal in Wien auftreten kann, ob Sie mich überhaupt noch einmal hören können!“

Es war in der That das letzte Mal, daß ich sie gehört.

Wien. G. Ramberg.     




Blätter und Blüthen.


Dr. A. Bernstein †. Einen treuen Freund hat uns der Tod entrissen, den Verlust eines ehrenvollen Mannes müssen wir heute betrauern. Nach schwerem, aber glücklicher Weise kurzem Leiden starb am 11. Februar Dr. Aaron Bernstein, einer der ältesten Mitarbeiter der „Gartenlaube“. Schon im Jahre 1861 haben wir den „alten Bernstein“ unsern Lesern vorgeführt, da er in der Blüthe seines Lebens stand, ein unerschrockener Kämpfer für die Freiheit und die Aufklärung des Volkes. Sein Lebensbild war schon damals so gut wie abgeschlossen, der Ruhm des Pfadfinders für den politischen Leitartikel in Deutschland war ihm ebenso gesichert, wie der Ruf des Begründers eines neuen Literaturzweiges, der Popularisirung der Naturwissenschaften. Was er in den letzten zwanzig Jahren noch geschaffen, das war nur eine Fortsetzung seines früheren ersprießlichen Wirkens, ein unermüdliches Streben, den reichen Schatz der Wissenschaft den breitesten Schichten unseres Volkes zu erschließen. Zu diesem Zwecke trat er in letzter Zeit in engere Beziehungen zur „Gartenlaube“, und bot unseren Lesern das vortreffliche Charakterbild des großen Volksmannes Schulze-Delitzsch und die geistvolle Erinnerung an das helle Doppelgestirn der deutschen Wissenschaft, die „zwei Brüder“ Alexander und Wilhelm von Humboldt. In diesem Jahre beabsichtigte er die Fortschritte der Elektrotechnik in unserem Blatte zu behandeln und trug uns Pläne über neue große literarische Unternehmungen vor, denn sein rüstiger Geist ahnte nicht, daß er abberufen werde von seinem mit seltener Pflichttreue behaupteten Posten. Legen wir den wohlverdienten Lorbeerkranz auf sein frisches Grab nieder und bewahren ihm das liebevolle Andenken, das wir ihm schulden! J.     


Französischer Deutschenhaß und die italienische Riviera. Der alte, gewiß sehr verständige Ausspruch Rich. Sheridan’s, „daß es gar nichts schaden könne, wenn Jemand von dem, worüber er schreibt, auch etwas verstehe“, ist abermals von einem Schriftgelehrten unserer liebenswürdigen Nachbarn jenseits der Vogesen mißachtet worden. – Dies ist geschehen durch den als Deutschenfresser genügend bekannten Aurelian Scholl (hat der Mensch auch noch einen deutschen Namen!), der die Scene seiner Hetzjagd jetzt nach Nizza verlegt. Die dortige Ausstellung wird auch von Deutschen besucht und giebt Herrn Scholl Gelegenheit, einen angeblich an ihn eingesandten Brief zu veröffentlichen, in welchem er der ganzen französischen Nation die Belehrung ertheilt: „Die französische Regierung habe mit gewissen fremden Regierungen, um sich gemeinsam gegen das ‚deutsche Plündersystem‘ zu wehren, eine Convention zum Schutze der Fabrikzeichen abgeschlossen, an welcher die Deutschen allein keinen Antheil genommen, um um so freier die neuen Modelle stehlen und verwerthen zu können. Dies geschehe jetzt besonders eifrig von den Deutschen in Nizza.“ Von dem kleinen allbekannten Umstand, daß alle eingetragenen französischen Fabrikmarken auch in Deutschland den vollen gesetzlichen Schutz genießen, braucht Herr Scholl, der über dieses Gesetz schreibt, natürlich nichts zu wissen.

Die Hetzereien werden endlich ekelerregend. Der genannte Brief war nicht blos im Pariser „Evènement“, sondern im Nizzaer „Petit Niçot“ abgedruckt. Aber selbst bis nach Algier geht dasselbe Treiben. Ein Artikel des „Republicain Constantine“ beginnt folgendermaßen: „Kaufleute, Banquiers, Industrielle und Colonisten! Haltet die Augen offen! Eine Bande von deutschen Spionen stürzt sich auf unser theures Algier!“ Und der Schluß lautet: „Bewohner von Philippeville, Constantine, Sétif und Bougie, wacht, thut Eure Pflicht! Diese schmierigen Gesellen wagen Alles. Schon sind Algier und Oran durch ihre Gegenwart beschmutzt; heute sind wir an der Reihe. Wir stoßen den Alarmruf aus: Drauf auf die deutschen Spione! Gebe der Himmel, daß dieser Ruf nicht ohne Echo bleibt!“

Da möchte man denn doch ausrufen: „Sind denn alle Tollhäusler Frankreichs unter die Schriftsteller gegangen?“ Wir haben zu bittere Erfahrungen über die französische Nachbarschaft, um nicht noch Schlimmeres vom Fortbrennen des Haßfiebers der Franzosen befürchten zu müssen. Ihr Ludwig XIV. verheerte die ganze herrlich blühende Pfalz (1689 bis 1698), weil er sie nicht zum Eigenthum erhalten konnte, und setzte die Ausbreitung der Wüste zwischen Frankreich und Deutschland noch Jahre lang fort. Die Republikaner von 1870 vertrieben alle Deutschen, auch die eingeborenen, aus Frankreich, und heute ist jeder einzelne Deutsche dort so gut wie vogelfrei.

Und dies wird sogar auf die Bäder übertragen, die von Deutschen so stark besucht werden, auf Nizza und Mentone. Wohl mag der Geschäftsmann es nicht vermeiden können, die Chinesische Mauer der Franzosen zu übersteigen; aber wer am südlichen Meer Gesundheit und Erholung sucht, dem sollte die Einsicht und deutsches Ehrgefühl gebieten, den trefflichen Bade-Orten der italienischen Riviera den Vorzug zu geben. In Italien giebt es, Gottlob, keinen Deutschenhaß mehr, das ehemalige „Morte ai Tedeschi“ ist wie von den Mauern so aus den Herzen verschwunden. Es macht sich in der That nothwendig, daß auch die deutsche Familie in der Befriedigung ihrer Bedürfnisse sich nach der deutschen Politik richte. Ein festeres patriotisches Zusammenhalten der Deutschen in Industrie, Handel und Leben ist allein im Stande, unsere feindseligen Nachbarn von ihrem selbstmörderischen Irrwahn zu curiren. F. H.     

Ländliches Fest in Schwaben. (Illustration S. 144 und 145). Welch eine Fülle von Leben quillt aus der behaglichen Umrahmung dieses Bildes hervor, durch welches wir wieder einmal an Eduard Kurzbauer erinnert werden![1] Gruppe an Gruppe, und jede der Wirklichkeit abgelauscht, jede einzelne Gestalt ein eigenartiges Wesen, nicht eine einzige gleichgültige Figur, die wir an ihrem Ort ohne Schaden vermissen könnten, kurz Alles mit einander in den naturnothwendigen Beziehungen des fröhlichen Festtreibens. Es ist eine Lust, das Auge durch diese so vertraut anheimelnde Gesellschaft wandeln zu lassen.

Der Künstler hat uns zu einem der stattlichen Dörfer bei Tübingen geführt, wo auch die Städter ihr Vergnügen in der ländlichen Umgebung suchen. Rechts aus dem tiefen Waldesschatten kommen Tübinger Studenten hervor. Einer derselben hat die – Keckheit – denn als solche wird sein Unterfangen offenbar aufgenommen – die gestrenge Mama am reichbesetzten Tisch um die Gestattung eines Tanzes mit ihrem Töchterlein zu bitten. Die Antwort lesen wir der Dame aus dem Gesicht: „Das Kind sei noch viel zu jung zum Tanzen“, – während aus dem lieblichen Gesicht dieser noch Vielzujungen ein paar Augen leuchten, welche das Gegentheil versichern. Man ärgert sich über den Philister von Vater, der da nicht freundlichen Einspruch thut; aber der steht unterm Pantoffel, das sieht man ja.

Kann eine Gruppe noch sprechender vor uns stehen, als die der Kinder und der Alten im Vordergrunde? Der Bub mit den zwei Mädeln stellen sich eben zum Ringelreihen an, da hat das dicke Kind zur Rechten seine Milch ausgetrunken und will nun mitspielen. Die alte Kinderwärterin deutet dies auf’s Anschaulichste an. Der Bub wirft ihr einen recht trotzigen Blick zu, und nur der Prachtjunge auf ihrem Schooße lacht auch dem alten garstigen Gesicht urselig entgegen.

Gleich hinter der Alten fesselt uns ein Kleeblatt von Menschen, von denen Jedermann behauptet, sie schon irgend einmal gesehen zu haben: der würdige ältere Herr, der offenbar zu den Ortsgroßen gehört, das scheue Mädchen, dem er das Glas darreicht, und der Schelm zwischen Beiden mit den köstlich lachenden Augen.

Hinter’m Rücken beider Mädchen befindet sich wahrscheinlich ein Honoratiorentisch. Uns interessirt besonders der alte Herr, der, die Karten in der linken, die Pfeife in der rechten Hand, höchst angelegentlich auf die Gruppe im Vordergrund zur Linken unseres Bildes herüberblickt, wo ein Herr Verwalter oder gar ein Herr Baron das hübsche Töchterlein eines jedenfalls angesehenen Landmanns begrüßt, der mit seiner stattlichen Frau einen Tisch allein einnimmt. Währenddeß guckt unseres alten Herrn Partner an dem Tisch ihm in die Karten.

Herein in den Kreis treten soeben zwei stramme Bursche, der eine in der Jacke, der andere im langen Sonntagsrock. Was dieses entschlossene Paar hierherzieht? Man darf nur der Richtung ihrer Blicke folgen, so merkt man, daß für die zwei Mädel vor dem Honoratiorentisch die Tänzer bereit stehen.

Hinter den Beiden drängt das junge Volk auf der schmalen Treppe zum Tanzboden hinauf. Da herrscht nur Lust und Leben! Der Trompeter schmettert das Zeichen herab, das bekanntlich merkwürdiger Weise durch die Ohren direct in die Beine fährt, und nun ist kein Halten mehr, denn die Krone des Festes ist doch allweil der Tanz.

Wir haben hier nur die Hauptgruppen unseres Bildes betrachtet, aber damit ist es noch lange nicht ausgenossen. Zwischen den aufgezählten Gestalten wimmelt es noch überall im Hintergrunde und macht es uns anschaulich, daß der Festplatz sich noch nach allen Seiten ausdehnt und daß in all den Menschen derselbe Geist der Freude waltet.


  1. Ueber den Lebensgang dieses Künstlers vergl. „Gartenlaube“ 1880, S. 19.



Barnum’s „weißer“ Elephant. (Illustration S. 156.) Ungewöhnliche Naturerscheinungen haben stets die Menschen zur Bewunderung veranlaßt und selbst die trägsten Geister zum Nachdenken herausgefordert. Sie waren oft die Quelle großer Entdeckungen und ungeahnter Fortschritte, häufiger aber dienten sie als bequeme Grundlage für die ungeheuerlichsten Anschauungen über das Wesen der Dinge und das Walten des Schicksals im Menschen- und Völkerleben. In dem Ungewöhnlichen glauben die Befangenen ein Wunder schauen zu müssen und beugen vor ihm das Knie.

Diesem allgemein menschlichen Gefühl ist es auch zuzuschreiben, daß einige asiatische Völker in selten gefärbten Thieren höhere Wesen erblickten und weißen Elephanten eine besondere Verehrung zollten, ebenso wie sie auch weißen Affen mit gewisser Achtung begegnen. Noch heute soll in Siam und Birma die Sitte bestehen, daß man solche Elephanten als heilige Thiere anbetet und ihnen den Namen „Herr“ und „König“ beilegt. Bis jetzt stand diese Thatsache in Büchern verzeichnet, ohne die Gemüther der Europäer irgendwie zu erregen, und nur eine ungeheuere Reclame konnte es zu Stande bringen, daß in den letzten Wochen ein solcher angeblich „heiliger“ und nicht einmal ganz weißer Elephant allen Völkern Europas in getreuer Abbildung vorgestellt wird, und daß selbst Gelehrte über seine „Heiligkeit“ streiten. Und wir brauchen uns über

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_155.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2022)