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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

„Ja – die hängt gar arg an mir,“ lachte Nannei. „Schon im letzten Sommer, wo ich als Hüterin droben am Regen war, schon da hab’ ich’s kein’ Schritt von meiner Seiten ’bracht. Is schon wahr – da is mit der Sennerin allweil a ganze Eifersucht gewesen. Und wie ich nachher heuer selber Sennerin worden bin, hab’ ich mei’m Almbauer so lang zug’setzt, bis er mir es mit ’geben hat, d’Scheckin.“

„Und da treibst jetzt nachher auf d’Griesalm – und ’leicht in a Tag’ a vierzehn am Trischübl?“

„Ja.“

„Freilich – wo andershin geht ja der Weg net. Und – was ich fragen will – kriegst nachher später’naus auch Schaf’ auf d’Alm?“

„Ah na – g’rad das einzige Lamperl da hab’ ich mit.“

„Soso!“ brummte Korbini, während er das Dschapei mit einem wägenden Blicke betrachtete. Dann zog er die Augenbrauen hoch und frug: „Is der alte Krackler[1] dahint’ Dein Hüter?“

„Ah na – ich bin ganz allein auf der Alm.“

„So – so – ganz – allein – soso!“ stieß Korbini über die paffenden Lippen, während er seine Pfeife in Brand steckte, und mit schielenden Blicken maß er dabei die Gestalt des Mädchens. „Bist a junge Sennerin und wirst a bißl hart z’rechtkommen da droben – so ganz allein. Was meinst, wann ich Dich diemal b’suchen thät’ und thät’ Dir helfen – weißt – milchen und kaasen?“

„Ich dank’ Dir recht schön; brauchst Dich aber net strapeziren wegen meiner.“

„No – bei Dei’m Alter is der Schnabel schon recht schön ausg’wachsen. Deinen stolzen Reden nach möcht’ man schier glauben, Du wärst dem Bauern da vorn sein Tochter – wenn gleich net amal a Federl am Hut hast.“

„Ah na – ich bin g’rad ’s Basler-Nannei von der Schönau. Weißt, es kann halt net a jeder Mensch so hochgeboren sein wie Du. Es muß arme Leut’ auch geben sonst hätten ja die reichen Bauern kein’, der ihnen d’Stiefel putzt.“

„Jaja! Aber schau – ’neinpassen thätst ganz gut in an Bauernhof. Könntst amal a richtige Bäuerin abgeben – Du mit Dei’m süßen G’sichterl Du! Jaja – ich sag’ Dir’s – schau – halt’ Dich nur an mich! Du – bei mir kriegt’s a Weib amal schön – so a Hof und so a Vieh! Und was erst an mir kriegst, das kannst Dir gar net denken, Du Schneckerl Du, Du liebs!“

Der Unwille über den Inhalt dieser Worte und über die leichtfertige, verletzende Art, in der sie gesprochen waren, machte Nannei bis in den Hals erröthen.

„Recht viel halten mußt net von Dir,“ sagte sie, die Blicke zu Boden senkend, „sonst thätst net g’rad so am Kuhweg mit Dir hausiren. Hättst Dir übrigens schon auch an Andere ’raussuchen können für Deine dalketen G’spaß’, Du kecker Mensch Du!“

Korbini lachte. „Warum bist so sauber – da muß ja der Mensch keck werden! Aber weißt – im Sonstigen bin ich a ganz a guter handsamer Bursch. No, wirst es ja merken. Ich mein’ allweil, daß mir im heurigen Sommer d’Stein’ am Trischübl mehr als a paar Schuh’ verschleifen.“

„Wär’ schad’ drum! Da mußt Dir schon heut den Weg richtig anschau’n, ob er Dir net dengerst z’grob und z’weit is.“

„Ah na, ah na –“

„Und um Dein’ Zeit wär’ mir auch leid, wo versaumst dabei – für nix und wider nix!“

„Für nix? No – das meintst halt Du jetzt. Wirst aber schon noch anders denken, wann’s Du mich amal von der richtigen Seiten kennst. G’legenheit zum Bekanntschaftmachen will ich Dir schon oft g’nug geben. Weißt, im Sommer, wo’s daheim am Hof net gar so viel Arbeit giebt, da bin ich allweil so auf die Füß’, allweil so am Berg umeinander. Mein Vater, der dickkopfete Geiznickel –“.

„Jetzt so hab’ ich auch noch kein Kind net von sei’m Vatern reden hören,“ zürnte Nannei. „So a Red’, mein’ ich, müßt’ ei’m im Hals stecken bleiben!“

„No ja – er is halt amal so! Er könnt’ mir den Hof schon lang übergeben – alt g’nug bin ich dazu. Aber na – der kann sich nimmer g’nug hausen im Leben. Und nachher weißt – er will halt gar net begreifen, daß a g’wachsener Mensch ’was braucht und auch sein’ G’spaß und sein Vergnügen haben möcht’. Dem wenn’s nachging, könnt’ ich mir am Sonntag ’s Wirthshaus von Weitem anschau’n. Weißt – drum such’ ich mir unter der Woch’ halt selber a bißl ’was z’samm’ für ’n Sonntag. Und schwer wird mir’s gar net – weißt – ich kenn’ mich aus in die Berg’.“

„Gelt? Machst ’leicht[2] an Führer?“

„Ah na! Das passet mir g’rad, daß ich mich mit dene nothigen Stadtleut’ abgeben müßt’ – ah na! Da giebt’s schon noch andere Sachen! So wann ich sag’ – in der Ramsau drin und ’naus gegen Bertlsgaden zu, da rauchen die Bauern und Burschen halt gern an guten Tabak. Wann den bei uns drent in Seefelden kaufst und da herent verhandlst, da machst an ganz an guten Schnitt. Und nachher weißt – wann mir beim Hin- und Hersteigen g’rad a Gamsei über’n Weg springt, da sag’ ich: Wart’ a bißl – bumm! – und nachher nimm ich’s mit. Aber net derwischen mußt Dich lassen – von so ei’m grünen Grenzpatscher oder von so ei’m schnufligen Jager. Schlau mußt halt sein – und Kurasch mußt haben – Kurasch wie der Teufel! Und da kann ich aufwarten – ich!“

Korbini schnalzte mit der Zunge und warf sich in die Brust. Seinem Blicke und seiner Miene konnte man’s ansehen, daß er mit dieser Eröffnung einen großen Eindruck auf das Mädchen gemacht zu haben wähnte.

Nannei aber streifte das Gesicht des Burschen mit einem furchtsamen Blicke, und während sie so weit von seiner Seite trat, als es die Breite des Weges gestattete, sagte sie leise:

„Du bist a Schöner!“

Korbini lachte. „Ja, Deandl – wann amal für Dein Hütl an recht an schönen Gamsbart haben möchst, weißt, so ein’, der nur g’rad so waachlt[3] im Wind – sixt – da därfst blos mir a guts Wörtl geben und a recht a gschmachigs[4] Bussei – Du – Du – Dich könnte man ja g’rad fressen!“ Und an Nannei dicht herantretend, kniff er seine braunen, plumpen Finger in ihre rothblühende Wange.

„Laß mir meine Ruhe – Du –“ stieß Nannei mit zornbebender Stimme hervor, indeß sie mit gehobenem Arme die Hand des Burschen von sich abzuwehren suchte.

„Geh, geh – was bist denn so g’schamig!“ lachte Korbini und haschte mit beiden Händen die Finger des Mädchens.

Schon öffnete Nannei die Lippen, um den Almbauer anzurufen, als der Bursche jählings von ihr abließ, lunschend am Wege stehen blieb und die funkelnden Augen nach einem dichten Gebüsche richtete, an dem sie soeben vorübergewandert waren.

Er näherte sich dem Wegraine um einige Schritte, nahm die Pfeife vom Munde, bückte sich, und den Kopf hin und wider neigend, blickte er durch die Lücken des Laubwerks. Nach einer Weile hob er sich stramm empor, wandte das Gesicht und maß mit halb geschlossenen Augen Nannei’s leicht dahin schreitende Gestalt. Noch einmal kehrte er sich mit zögerndem Blicke dem Gebüsche zu, dann warf er den Kopf auf die Seite, schob die zerbissene Pfeifenspitze wieder zwischen die Zähne und folgte hastigen Ganges dem Mädchen.

„Hab’ g’meint, ich hätt’ ’was g’hört,“ sagte er, als er wieder an Nannei’s Seite trat. „Wird wohl a Reh gewesen sein oder ’leicht blos a Haas. Giebt ihrer ja g’nug da im Wimbachthal.“

Korbini’s Gebahren hatte auch die Aufmerksamkeit des Dschapei auf jenes Gebüsch gelenkt – und während der Bursche und das Mädchen schon hinter einer Biegung des Weges verschwanden, stand es noch immer und musterte die Kräuter des Wegrains. Nun ersah es auch ein Büschel fettglänzenden Grases und begann davon zu äsen, wobei das Glöcklein an seinem Halse leise tönte.

Da plötzlich raschelte das Laub im Dickicht – das Dschapei schrak in sich zusammen und machte einen langen Seitensprung. Vor ihm, die hohen Kräuter kaum überragend, stand ein braun und gelb gefleckter Teckel, der das Dschapei mit wichtigen Augen betrachtete und dabei ein gedämpftes Knurren hören ließ.

„Bella!“ klang mahnend aus dem Gebüsche eine weiche, halblaute Stimme.

Hurtig wandte der Teckel den langen, spitzen Kopf und blickte schweifwedelnd und mit lächelndem Grinsen zu dem jungen

  1. Gebrechlicher Mensch.
  2. Vielleicht.
  3. Wehr, flattert.
  4. Sanft, süß schmeckendes
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_086.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)