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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Nr. 3), genauer an. In seiner Mitte steht ein rundes Gefäß, dessen Wand siebartig durchlöchert ist, in dieses kommt die Wäsche, durch einen Griff wird die Achse des Gefäßes mit der Maschinenkraft in Verbindung gebracht, und nun dreht sich das Gefäß mit einer Geschwindigkeit von 1000 Umdrehungen in der Minute. Die Wäsche wird hierdurch fest an die Wand gedrückt, und das nasse Element rieselt an den Wänden zum Abflußrohr herab. In kaum zwei Minuten ist unser Bündel „ausgerungen“ und zwar in einer so sanften Weise, daß das gewöhnliche Ausringen mit der Hand dagegen ein Act roher Gewaltthätigkeit genannt werden muß. – Meine Begleiterin sieht das Wunder erstaunt an, aber Geschwindigkeit ist bekanntlich keine Hexerei.

Sie fragt: „Jetzt werden wir wohl den Trockenboden besuchen?“ Aber sie irrt sich. Auch das Fertigtrocknen der Wäsche geschieht durch eine Maschine. Da stehen wir schon vor dem länglichen Kasten, an welchem ein Mädchen soeben eine Stange befestigt (vergl. Abbildung Nr. 2). An den Wänden desselben bewegen sich in sehr langsamem, schneckenartigem Tempo zwei Paar Ketten, in welche in abgemessenen Zwischenräumen Stäbe eingesetzt werden. Ueber diese wird nun unser Bündel Wäsche gehängt und rückt langsam in den Kasten hinein. In etwa vierzig Minuten ist er an der entgegengesetzten Oeffnung der Maschine angelangt und zwar in vollständig trockenem Zustande, denn dieser Apparat wird durch Rippen-Rohre geheizt und durch besondere Vorrichtung gründlich gelüftet.

Das Rollen und Plätten geschieht in der bekannten Weise.

Wie wir gesehen haben, ist durch diese Dampfwäscherei die Handarbeit keineswegs entbehrlich gemacht worden, und Frauenhände sind auch hier zum Nachseifen, Stärken, Auflegen, Plätten etc. durchaus nöthig. Aber mit Hülfe dieser Maschinen können diese Hände in kürzester Zeit den größten Anforderungen genügen. Giebt es doch Waschanstalten, die täglich achtzig bis hundert Centner Wäsche waschen. Aber alle diese Anstalten haben leider noch gegen Vorurtheile zu kämpfen, die durchaus unbegründet sind und die wir gern zerstreuen möchten.

Bietet schon das Schimmel’sche Verfahren an und für sich eine große Garantie gegen Verbreitung ansteckender Krankheiten durch unreine Wäsche, so kann diese Sicherheit noch bedeutend erhöht werden durch einen Desinfectionsapparat, welchen diese Fabrik in neuester Zeit hergestellt hat. Vielfache Untersuchungen des Reichsgesundheitsamtes haben nämlich erwiesen, daß das sicherste Desinfectionsmittel eine Temperatur von 106° C. bildet, und auf diesem Princip beruht auch die Wirksamkeit unseres auf Seite 848 abgebildeten Apparates. Derselbe ist aus starkem Eisenblech mit doppelten Wandungen gebaut, die mit einem schlechten Wärmeleiter (Holzasche, Sägespähne u. dergl. m.) ausgefüllt sind. Die Handhabung des Apparates erklärt uns die Abbildung. Die zu desinficirenden Kleidungsstücke werden in einem Gestelle, welches auf Rädern ruht, aufgehängt und dann mit diesem Wagen in das Innere des Apparates hineingeschoben. Darnach wird die Doppelthür dampfdicht verschlossen, und nun erfolgt die Dampfeinströmung in die Rippenheizrohre am Boden des Apparates. Ist die Temperatur auf ziemlich 100° C. gestiegen, so läßt man directen trockenen Dampf einströmen, und dieser trägt seine höhere Temperatur bis in die feinsten Poren der betreffenden Gegenstände, sodaß dieselben durch und durch auf 110° C. erwärmt werden, wodurch die Zerstörung der etwa vorhandenen Krankheitskeime eintritt. Nach dreißig Minuten stellt man die Dampfeinströmung ab und öffnet die Luftklappen, durch welche vermittelst eines Rohres die entstandene schlechte Luft nach dem nächsten Schornstein entweicht.

Alles dies sind Apparate, deren Aufstellung eine nicht geringe Capitalanlage erfordert, und die somit den wenig bemittelten Frauen der Arbeiterclasse besondere Vortheile nicht bieten können. Für die Waschfrauen kann sogar diese Concurrenz mit der Zeit gewissermaßen gefährlich werden, denn selbst wenn sie in den Dampfwaschanstalten Arbeit finden, sinken sie doch von der freieren Stellung, die sie jetzt einnehmen, zu der abhängigeren und unsichereren Lage einer Fabrikarbeiterin hinab. Dagegen entsteht ein bequemes Mittel für die jetzt bestehenden kleineren Wasch- und Plättanstalten, wenn dieselben gemeinschaftlich Waschanstalten dieses Systems errichten und nur das Plätten der Wäsche, sowie das Holen und Wiederabliefern derselben fortsetzen, wie dies auch schon von Haushaltungen vielfach gehandhabt wird, zumal in diesen Waschanstalten jeder Wäscheposten der einzelnen Familien eine Behandlung für sich erfährt. Die deutschen Frauenvereine sollten daher diese Frage näher erörtern und namentlich darauf hinwirken, daß Dampfwäschereien rechtzeitig in den Besitz von Frauenvereinen gelangen, daß durch Vereinsthätigkeit das kleine Capital sich auf diesem Gebiete festsetze, bevor das große Capital dasselbe vollständig beherrscht hat. Eine vernünftige Selbsthülfe kann hier ungemein nutzbringend wirken.

Unsere Frauenbewegung hat ja die Selbsthülfe auf ihre Fahne geschrieben, und ihre Führerinnen werden sicher für die Lage ihrer ärmeren Schwestern stets ein warmes Herz haben. St. v. J.     




Zwingli der Reformator.

Wenn das deutsche Volk seinen Doctor Martin Luther nicht vergessen hat, wenn es bei der letzten Säcularfeier seines Geburtstages auf’s Neue inne geworden ist, wie viele lebenskräftige Anregungen, die von diesem seinem größten Sohn ausgehen, noch in die Gegenwart hineinreichen, so wird die stammverwandte Schweiz gewiß auch mit hoher Begeisterung das Andenken ihres Reformators Zwingli erneuern und es sich lebendig vergegenwärtigen, was dieser Name für die ganze nationale Entwickelung der Eidgenossenschaft zu bedeuten hat. Für die Schweizer ist Zwingli Fleisch von ihrem Fleisch und Bein von ihrem Bein. „Er war der Bürger eines republikanischen Gemeinwesens, in welchem ganz anders als auf demjenigen Boden, auf welchem Luther stand, auch die Forderungen politischer Mitthätigkeit an jeden Einzelnen herantraten, in welchem er selbst von Jugend auf weit reichere politische Erfahrungen als Luther gemacht hatte, in welchem auch eine zugleich politische und kirchliche Reform weit leichter als auf jenem Boden sich vollzog.“ (Jul. Köstlin.)

Uns Deutschen aber steht Zwingli nicht nur etwa deswegen nahe, weil er in die kirchliche Reformbewegung, wie sie zu seiner Zeit durch verschiedene oberdeutsche Städte und Länder ging, hier mehr mittelbar, dort mehr unmittelbar eingriff, oder weil das, was wir bei uns im Unterschied vom Lutherthum als „reformirt“ bezeichnen, mit an seinen Namen sich knüpft; sondern wir ehren in ihm mit der ganzen gebildeten Welt, soweit sie sich der Reformation nicht verschlossen hat, einen der Vorkämpfer für die Freiheit des Gedankens.

Ulrich (Huldreich) Zwingli wurde am 1. Januar 1484 in Wildhaus geboren, einem Alpendorf zwischen dem Säntis und den Churfirsten im Bezirk der Quellbäche der Thur, wo man, am Westende, noch heute die altersgraue Holzhütte zeigt, in welcher seine Wiege gestanden. Sein Vater war ein wohlhabender Bauer, auch Ammann der Gemeinde; seine Mutter hieß Margaretha geborene Meili, ihr Bruder stand von 1510 bis 1523 als Abt dem Kloster Fischingen im Thurgau vor. Die Kindheitsjahre verlebte der Knabe in ungetrübtem Frohsinne inmitten der großartigen Gebirgswelt und im trauten Schooße einer geordneten, kinderreichen Familie. Gar freudvoll vergingen die langen Winterabende, wenn der Vater die Großthaten der Ahnen erzählte, wie sie gegen verschiedene Machthaber sich die Freiheit errungen und behauptet, und die Großmutter mit biblischen Geschichten und Legenden die Herzen der Kinder erregte. Mit neun Jahren kam Ulrich nach Wesen am Wallenstätter See, wo sein Oheim (seines Vaters Bruder) Decan war, unter dessen Aufsicht er auch die dortige Schule besuchte. Zwei Jahre später schickten Oheim und Vater ihn nach Basel, im Jahre 1497 nach Bern zu dem weitgereisten, sprach- und geschichtskundigen Heinrich Wölflin. Als die dortigen Dominikaner den begabten Jüngling wegen seiner schönen Singstimme dauernd für ihren Orden zu gewinnen suchten, ging er 1499 auf die Wiener Hochschule, die damals einen neuen Aufschwung genommen hatte, und hier studirte er im Kreise strebsamer Altersgenossen aus der Schweiz und aus Schwaben zwei Jahre lang Philosophie.

Die Jahre 1502 bis 1506 brachte er wieder in Basel zu; hier wurde der bereits in reformatorischem Geiste wirkende Thomas Wyttenbach sein Lehrer und Führer in der Theologie, in welcher

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 850. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_850.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2024)