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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)


schweren Ballen auf den Waldrücken herab. Die Kälte hat etwas nachgelassen, und desto schwieriger gestaltet sich der Marsch auf den weich gewordenen Schneemassen. So gehen sie stundenlang schweigend dahin, Jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Wer könnte sich von den tiefgehenden Erinnerungen an die schöne Weihnachtszeit ganz losringen. Bald sind es Bilder aus vergangenen Tagen, die alte, längst schlummernde Gefühle wieder erwecken, bald sind es Beziehungen zur Gegenwart, welche mit dem Weihnachtsabend in Verbindung gebracht werden.

Endlich haben sie ihr Ziel erreicht und das Jägerherz gewinnt wieder die Oberhand.

„Schau, der Achtzehner steht wieder ganz vorne, der Kerl kriegt nie g’nug!“

„Dort haben die Teufel schon wieder ein Kalb erwischt,“ schimpft der Andere; „wenn ich den lumpigen Räuber nur ertappen könnte!“

Geschäftig eilen sie in die Hütte und kommen mit vollen Armen zurück; reichlich streuen sie das duftige Heu auf den Boden und mischen leckeres Salz dazwischen. Ha, wie die Lichter jetzt aus dem Dickichte so gierig herausfunkeln!

„So, jetzt guten Appetit,“ ruft der Lois seinem Gefährten Franz zu, „jetzt kommen aber wir auch d’ran, uns soll’s nicht weniger schmecken.“

Nun machen sie sich’s in der Hütte behaglich. Bald prasselt das Feuer in dem Herde, der Eine holt Wasser, der Andere packt die Vorräthe aus und vor Allem wird ein fetter Schmarren gekocht, daß man etwas Warmes in den Magen bekomme. Während sie behaglich essen und draußen die vierbeinige Schaar im Futter schwelgt, braust ein mächtiger Windstoß über die Hütte und mit rasender Eile sinkt das Tageslicht zur Abenddämmerung herab.

„Da haben wir’s,“ rufen die Beiden ärgerlich und betroffen aus, „der schönste Schneesturm! Jetzt gute Nacht, Christkindl!“

Auf diesen Ausruf folgen noch einige kernige, ellenlange Waidmannsflüche, aber „Alles hilft nichts“ – schon schweben die blendend weißen Flocken in handgroßen Fetzen herab, von Zeit zu Zeit durch den jagenden Wind in ein wildes Chaos zusammengewirbelt.

„Pfüat di Gott, Christkindl!“ wiederholt der Jüngere und setzt sich mißmuthig zum Ofen, voll Zorn an den Nägeln kauend, während der Andere still resignirt durch das kleine Fenster dem Toben des Wetters zusieht. Das dauert so lange, bis die Nacht hinter dem Wetter herzieht und alle Aussicht auf’s Heimkommen vorüber ist. Es wäre zu einer andern Zeit kein Unglück, hier oben bleiben zu müssen, denn die Hütte ist gut eingerichtet, es finden sich sogar Bücher, um die Langeweile zu vertreiben – aber heute, am Weihnachtsabend! Da kommt dem Franz eine Idee; der elektrische Christbaumfunke hat bei ihm gezündet!

Er nimmt dte Axt und eilt hinaus; verwundert sieht ihm der Jüngere nach, aber sofort greift er den Gedanken auf, nachdem er gesehen, daß sein Gefährte mit einem Tannenbäumchen wieder in die Stube getreten ist. „Hurrah, Christkindl! Jetzt kommst uns doch net aus!“ jubelt er; „wir halten da heroben unser Weihnachtsfest.“ Der Franz richtet den Baum zu; der Lois schneidet einen Wachsstock, den er im Rucksack bei sich führt, in Stücke, das giebt prächtige Kerzen. Nun wird der Baum geschmückt; Lois hängt seine neue Pfeife als Geschenk für den Franz daran, und dieser opfert seinen Knicker, um die Freundschaft zu erwidern. Unter den Baum wird die geräucherte Zunge nebst Enzian gestellt als Gabe des Vorstandes, und nun entzünden sich auch hier die Weihnachtskerzen. Der Aeltere setzt sich zum Ofen und hängt, sein Pfeifchen schmauchend, den hervordrängenden Gedanken nach, während der Jüngere sich auf die Lagerstätte geworfen und sich dort in ein Weihnachtsbild vertieft, das er in einem der vorhandenen Bücher zu finden gewußt. Das kleine Gemach war wohl nie so glänzend beleuchtet gewesen; das Christkind hat die eingeschneiten Menschenkinder auch auf dem Berge oben zu finden gewußt. Eine frohe Behaglichkeit umspannt die Gemüther der einsamen Gäste hoch oben über den anderen menschlichen Wohnungen; die Zaubermacht des Christbaumes reicht eben überall hin, wo fühlende deutsche Herzen schlagen, und bis zu den Wolken dringt der segensreiche Sang: „Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind!“

B. Rauchenegger.     




Die Kunst, Geld zu machen.

(Schluß.)

Der Schaubudenkönig Barnum giebt Allen, die reich werden wollen, unter Anderem noch folgende Rathschläge: Es giebt junge Leute, die nach Zurücklegung ihrer Lehrzeit, statt sich durch eine längere Dienstzeit in ihrem Berufe zu vervollkommnen, auf der faulen Haut liegen und ihre Selbstständigmachung abwarten. „Ich will kein Sclave sein,“ rufen sie aus, „wozu habe ich mein Geschäft erlernt, wenn ich mich nicht etabliren soll?“ Fragt man nun einen solchen Jüngling, woher er denn eigentlich Capital zu nehmen gedenke, so antwortet er vielleicht: „Ich habe eine alte reiche Tante, die bald sterben wird; stirbt sie aber nicht, so hoffe ich einen menschenfreundlichen, reichen Herrn zu finden, der mir einige tausend Thaler leihen wird, um mir auf die Beine zu helfen.“

Wie thöricht ist es aber, sich von erborgtem Gelde Erfolge zu versprechen! Wenn man ein Anfänger ist, der den Werth des Geldes noch nicht aus Erfahrung kennt, so nutzt Einem das Erborgte wenig. Der Anfänger soll den Werth des Geldes dadurch kennen lernen, daß er es verdienen lernt; hat er es einmal so weit gebracht, so ist es schon eher angezeigt, ihm unter die Arme zu greifen. Man übe also Selbstverleugnung und Sparsamkeit, Geduld und Ausdauer und verdiene die ersten tausend Mark oder Gulden unter Kämpfen und Opfern – dann kann man mit fremdem Gelde umgehen. Barnum behauptet, daß neun Zehntel der Reichen der jetzigen und der vorigen Generation in Amerika ihre Laufbahn als arme Knaben begannen, aber mit Energie, Fleiß, Sparsinn und Beharrlichkeit ausgerüstet waren, langsam ihren Weg machten und mit selbsterworbenem Gelde arbeiteten. Dadurch brachten sie es zu etwas, ja, zu sehr viel: A. T. Stewart, ein armer irischer Junge, hatte in seiner letzten Lebensperiode ein Jahreseinkommen von anderthalb Millionen Dollars. J. J. Astor, ein armer Farmerknabe, hinterließ zwanzig Millionen Dollars. Stephan Girard, ein armer Schiffsjunge, erwarb ein Vermögen von neun Millionen Dollars. Cornelius Vanderbilt, der Vater des jetzigen „Eisenbahnkönigs“, begann seine Laufbahn als Ruderer und hinterließ neunzig Millionen Dollars.

Ja, ja, es hält schwer, Erfolge zu erzielen, wenn man Geld mit allzu großer Leichtigkeit erlangen kann. Schon aus diesem Grunde sollte Niemand eines Andern Wechsel unterschreiben, ohne sich genügende Sicherheit bieten zu lassen, abgesehen davon, daß man sich selbst dadurch leicht dem Ruin aussetzt. Diese außerordentlich beherzigenswerthe Lehre – deren Nichtbeachtung schon unsägliches Unheil angerichtet hat – illustrirt der Verfasser der „Kunst, Geld zu machen“ in vortrefflicher Weise durch das folgende Beispiel. Ein Mann, dessen Geschäft gedeiht und 20,000 Dollars werth ist, kommt zu dir und sagt: „Sie wissen, daß ich 20,000 Dollars im Vermögen habe und keinen Cent schuldig bin. Wenn ich augenblicklich 5000 Dollars in Baarem hätte, so könnte ich eine Partie Waare kaufen, die mir binnen zwei Monaten das Doppelte einbrächte. Wollen Sie meinen Wechsel giriren?“ Du weißt, daß der Mann wirklich ein Vermögen von 20,000 Dollars hat und daß du daher bei deiner Unterschrift für 5000 nichts riskirst; du thust ihm daher den erbetenen Gefallen, ohne Sicherstellung zu begehren. Nach kurzer Zeit zeigt er dir den eingelösten Wechsel und theilt dir mit, er habe aus dem Geschäfte wirklich den erwarteten Nutzen gezogen. Du freust dich, Gutes gethan zu haben, und leistest ihm das nächste Mal denselben Dienst, wobei du immer den Eindruck hast, es sei nicht nöthig, von einem so braven und pünktlichen Menschen Sicherstellung zu fordern. Aber gerade der Umstand, daß er so mühelos Geld zur Verfügung hat, ist für ihn ein Unglück. Er braucht nur einen Wechsel mit seiner und deiner Unterschrift in die Bank zu tragen, um ohne Umstände Casse zu erhalten. Das zieht üble Folgen nach sich. Eines Tages bekommt er Lust

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 834. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_834.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2024)