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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Das Lotto-Spiel.

Lotto und Lotterie sind Geschwister von gleichem Werth und nur verschiedenem Wirkungsboden. Leute, die aus böser Erfahrung sprechen, behaupten, sie seien Zwillinge von des Teufels Großmütter, von welchen letztere, die Lotterie, sich bei den sogenannten „besseren Ständen“ zur Pflege der menschlichen Freude an Wetten und Glücksspiel eingeschmeichelt habe, während das Lotto sich vorzugsweise des großen Haufens mit seinen kleinen ledernen Geldbeuteln erbarme, um demselben mit Hülfe des sinnreichen Aberglaubens der Traumdeuterei für gewinnverheißende Zahlenwahl das Leben im irdischen Jammerthal zu versüßen. Beide Geschwisterchen üben auf ihre nach Millionen zählende Anbeterschaft unumschränke Gewalt aus, denn sie verführen sie zu dem mühelosesten, aber auch kostspieligsten Unternehmen, ohne Arbeit Einnahmen zu erzielen, ja vielleicht mit einem Schlage steinreich zu werden, und vertrösten sie nach jedem Mißerfolg auf das nächste Mal.

Was die Lotterie ist und zu bedeuten hat, ist allbekannt; gehört sie doch auch im deutschen Reiche noch zu den staatlichen oder städtischen Einrichtungen zur Erzielung nicht unbeträchtlicher freiwilliger Steuern für Alle, welchen der ordentliche Steuerzettel nicht lang genug ist.

An Belehrungen über das Soll und Haben dieses Geschäfts läßt es keine der vielen Lotterien fehlen. Nur eine recht störende Auffälligkeit wartet noch auf Erklärung, und zwar die: warum das Lotteriespiel in einem Staate obrigkeitlich geübt und das Mitspielen im nächsten Nachbarstaate an den eigenen Unterthanen als Verbrechen bestraft wird. Zu den öffentlichen Ehren dieser Staatsinstitute kann dies unmöglich gerechnet werden.

Lotto-Schwestern.
Nach dem Oelgemälde von Karl von Blaas.

Das Lotto oder die Zahlen-Lotterie unterscheidet sich von der eigentlichen oder Classen-Lotterie dadurch, daß letztere den Spielern die Auswahl unter Tausenden von Nummern darbietet, die Loose in verschiedene im Preise aufsteigende Grade (Zehntel-, Viertel-, Halb- und Voll-Loose) eintheilt, die Ziehung in mehrere Classen (daher die Bezeichnung) trennt, um der Spielgier durch die immer höheren Gewinne stets neue Nahrung zu geben, und bedeutende Summen als Lockvögel an die Spitze ihrer Gewinnliste stellt – während das Lotto auf die Zahlen bis 90 beschränkt ist und nur 5 Nummern bei jeder Ziehung den Spielern zum Besten giebt. Während ferner die Classen-Lotterie im Jahre nur einige Mal zur Ausführung kommt, geschieht die Lotto-Ziehung allwöchentlich, sodaß der Spielteufel seine Opfer fortwährend in Athem erhält.

Das Lotto ist eine italienische Erfindung, die Geschichte der Lotterie reicht weiter zurück, denn die Lust an Glücksspielen ward mit dem Menschen geboren. Genua ist die Geburtsstätte des Lotto. Zu Zeiten der Republik pflegte man dort bei jeder Senatoren-Neuwahl die Namen von 90 Wählbaren in ein Glücksrad zu legen und aus demselben dann die fünf hervorzuziehen, die nun als gewählt galten. Natürlich begann man sehr bald, auf diese fünf Namen zu wetten. Von da war nur der eine Schritt nöthig, statt der 90 Namen Zahlen zu setzen, und das Lotto war fertig.

Das italienische Wort Lotto heißt Loos, und diese Bezeichnung erhielt der Zettel, welchen der Spieler für seinen Einsatz in Empfang nahm. Das Spiel selbst wurde von den Spielleitern, also von den dasselbe zu ihrem Vortheil treibenden Städten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 781. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_781.jpg&oldid=- (Version vom 21.1.2024)