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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

„An der Mutter Hand“ ist der Titel eines Bilderbuchs von M. J. Tilsley, in welchem dreißig „kleine Geschichtchen und kleine Gedichtchen, wie Mutter sie lehrt und Kindchen gern hört“ einen belehrenden und unterhaltenden Inhalt darbieten, welcher in den reichen Veranlassungen des Kinderlebens die Mutterliebe verherrlicht. Gleiche Empfehlung verdienen die anderen von uns früher schon genannten und weitverbreiteten Märchenbücher desselben Verlags von Ambrosius Abel in Leipzig.

Mit einem lockenden bunten Umschlag führt der durch die „Gartenlaube“ in den weitesten Kreisen bekannt gewordene Thiermaler Heinrich Leutemann ein lehrreiches Bilderbuch ein, das unter dem Titel: „Unsere Thiere in Hof und Haus. Wie leben sie? Wie sehen sie aus?“ im Verlag von F. Cavael in Leipzig erschienen ist. Es geht bereits in 4. Auflage in die Welt, ein Beweis, daß es schon viele Freunde bei Alt und Jung gefunden. Die Zeichnungen Leutemann’s sind von Professor H. Bürckner, R. Illner, Klitzsch und Rochlitzer, K. Oertel, O. Roth und F. Tegetmeyer trefflich in Holzschnitt ausgeführt, Druck und Ausstattung sind gut und geschmackvoll. Die Bildererklärung wird durch leichte Verschen besorgt, die größtentheils ihrem Zweck entsprechen.

Eine unverwüstliche Kinderfreude bleibt noch immer der „Robinson Crusoe“. In der Bearbeitung von G. A. Gräbner hat dieses Buch mit seinen schon so oft dargestellten Scenen von der Flucht aus dem Vaterhause bis zur Heimkehr des vielgeprüften Robinson die 15. Auflage erlebt, nachdem es in den Besitz der regsamen Burkhardt’schen Buch- und Kunsthandlung in Crimmitschau (Firma von G. A. Gräbner Nachfolger in Leipzig: Gustav[WS 1] Gräbner) übergegangen ist. Diese jüngste Auflage, welcher die alten ehrenden Empfehlungen ausgezeichneter Pädagogen, wie des Dr. C. Kühner in Frankfurt am Main, E. Barth’s, T. Ziller’s und Karl Biedermann’s in Leipzig beigedruckt sind, hat sich, der Schuljugend zu Liebe, der neuen Orthographie angeschlossen.

Auch für billige Reisegelegenheit, die freilich nur mit Zuhülfenahme der lebhaftesten Phantasie ausgeführt werden kann, sorgt ein soeben im Verlage von Moritz Perles in Wien (Bauernmarkt 11) erschienenes bewegliches Bilderbuch, welches Th. von Pichler unter dem Titel „Eine Reise durch Europa“ herausgegeben hat. In transparenten Wandeldecorationen ziehen die Ansichten der Städte Budapest, Wien, Berlin, Petersburg, Stockholm, London, Paris, Madrid, Rom, Constantinopel vor dem Auge des erstaunten Kindes vorüber, während durch begleitenden Text in leichtfaßlichem Tone die Bedeutung der betreffenden Städte erklärt wird.

„Die Jugendbühne“ ist der Generaltitel einer Reihenfolge von Schau- und Lustspielen, Possen und Schwänken für Mädchen zur Aufführung bei Schul- und Familienfesten, herausgegeben von Ottobald Bischoff, Rector in Stettin (Leipzig, Wöller). Wenn alle diese Stücke so gut und rein und harmlos gelungen sind, wie das dreiundzwanzigste derselben, der einactige Schwank „Schwerhörig“, so ist das Unternehmen für unsere Mädchenschulen beachtenswerth.

Ebenfalls dem Bedürfnisse der erwachseneren Kinder dient die seit Jahren im Verlage von Alphons Dürr in Leipzig erscheinende illustrirte Zeitschrift „Deutsche Jugend“. Dieselbe hat sich längst den ersten Platz unter den periodischen Jugendschriften erobert. Je weiter das eigenartige und humane Unternehmen fortschreitet, um so deutlicher zeigt sich, welches hervorragende pädagogische Hilfsmittel wir in ihm besitzen. Wir haben auf diese hervorragende Erscheinung in unserer Jugendliteratur schon mehrmals hingewiesen, und heben heute nur den Umstand hervor, daß die früheren Jahrgänge der „Deutschen Jugend“ in einzelnen Bänden zu beziehen sind, und daß sich diese gerade zu einem Weihnachtsgeschenke ganz besonders eignen.

Auch in den Dienst der Tonkunst tritt dem Christfest zu Liebe die Illustration. Allerdings ist erst vor einiger Zeit der Anfang damit gemacht worden, auch musikalischen Werken eine vornehme illustrative Ausstattung zu geben. Die Bilder, welche früher die Umschläge mancher Musikalien schmückten, unterschieden sich zumeist wenig von denen, die man auf Kisten mit schlechten Cigarren sieht; doch der veredelte Kunstgeschmack unserer Zeit hat darin endlich Wandel geschaffen und in einer Anzahl musikalischer Prachtwerke vereinigt sich die Malerei mit ihren Schwesterkünsten Poesie und Musik. Unter diesen Prachtwerken nimmt das bei B. Schmid (A. Manz) in Augsburg erschienene „Musikalische Künstler-Album“ eine hervorragende Stelle ein. Es enthält vierzehn Compositionen moderner deutscher Meister, für eine Singstimme in mittlerer Lage berechnet, mit Clavierbegleitung. Wir lenken gern die Aufmerksamkeit unserer clavierspielenden Leser und Leserinnen auf dieses Werk, weil die Lieder geschickt und mit gutem Geschmacke ausgewählt sind.

Wir gehen nun zu den Weihnachtsgaben der Kunst und Literatur über, welche als Gegenstände der Liebesäußerungen der großen Leute, welche in ihrem Kreise gegenseitig die alten Kinderfreuden erneuern wollen, zu empfehlen sind.

Voran steht das Prachtwerk: „Das Lied von der Glocke“, von Friedrich von Schiller. Illustrirt in siebenzehn Compositionen von Alexander von Liezen Mayer. Mit Ornamenten von Ludwig von Kramer. Ausgeführt in sechs Lichtdrucken aus Fr. Bruckmann’s artistischer Anstalt und in elf Holzschnitten von W. Hecht. München, Theodor Stroefer’s Kunstverlag.

In diesem Buche besitzt das deutsche Volk eine Gesammtleistung vereinter Künste von seltener Vollendung. Die Dichtung selbst, ein „hohes Lied“ ohne Gleichen, ist längst ein Stolz des deutschen Geistes und Herzens; an der künstlerischen Verherrlichung derselben hat Liezen Mayer mit aller Tiefe und Kraft seines Genius gearbeitet, auch alle der Vervielfältigung seiner Schöpfung dienenden Künste haben das Beste geleistet, und die einfache Notiz: „Stuttgart, Druck von Gebrüder Kröner“ fügt das Zeugniß hinzu, daß wir auch ein typographisches Meisterwerk in diesem Prachtbuche zu bewundern haben.

Es würde weit über den uns hier gestatteten Raum hinausführen, wollten wir uns über die Wahl der vom Künstler hervorgehobenen Scenen und deren Ausführung hier aussprechen. Wir müssen uns damit begnügen, unseren Lesern (auf S. 768) ein Bild aus der stattlichen Reihe vorzulegen; wir wählen dazu die Illustration, welche den Versen gewidmet ist:

„Und das junge Volk der Schnitter
Fliegt zum Tanz.“

Bedarf diese Darstellung der frischen Volkslust noch besonderer Erklärung? Statt mit solch vergeblicher Bemühung den Raum zu vergeuden, ziehen wir es vor, über das Leben des Künstlers selbst einige Andeutungen zu geben.

Alexander Liezen Mayer ist ein Deutsch-Ungar, am 24. Januar 1839 zu Raab geboren. Seine künstlerische Vorbildung erhielt er auf den Akademien von Wien und München, seine Ausbildung in Piloty’s Atelier, in welches er 1862 eintrat. Noch in demselben Jahre wurden zwei große Compositionen von ihm bekannt: die Krönung Karl’s von Durazzo im Dom von Stuhlweißenburg und die Heiligsprechung der Landgräfin Elisabeth von Thüringen. Beide Leistungen wurden, obwohl man die bedeutende Farbenbeherrschung an denselben erkannte und rühmte, doch bald vergessen, als Liezen Mayer mit dem schönen Gedanken beglückt wurde, eine edle That zu verherrlichen: Maria Theresia, die einem armen Kind ihre Brust reicht. Hier hatte seine Kunst die würdigste Aufgabe gefunden, die weibliche Schönheit und die rührendste Herzensgüte zu verewigen. Dieses Bild begründete seinen Künstlerruhm. Illustrationen zu Werken unserer beiden größten Dichter nahmen schon damals ihn in Anspruch. Im Jahre 1870 verweilte er längere Zeit wieder in Wien, wo er namentlich im Portraitfach viel umworben war; auch des Kaisers Bildniß malte er damals. Nach seiner Rückkehr nach München componirte er wieder größere Bilder, besonders Scenen aus Shakespeare’s Werken, wie die „Cymbeline“, aus Goethe’s „Faust“ und das bedeutende Gemälde „Königin Elisabeth, das Todesurtheil der Maria Stuart unterzeichnend“. Nach diesem Werke seines Pinsels nahm ihn wieder die Illustrationszeichnung ganz in Anspruch. Er schmückte Scheffel’s „Ekkehard“ und Goethe’s „Faust“ und schließlich Schiller’s „Lied von der Glocke“ mit seinen entzückenden Schöpfungen, und von dieser jüngsten Leistung des großen Künstlers legt das Buch Zeugniß ab, das wir als eine Weihnachtsgabe von dauerndem Werthe Allen, welche eine solche Freude sich oder Anderen zu bereiten vermögen, hiermit empfehlen. Bekanntlich lebt unser Meister seit 1880 als Director der Kunstschule in Stuttgart.

(Fortsetzung folgt.)



Die deutschen Colonien in Palästina. Der deutsche Einfluß hat sich im heiligen Lande erst seit 1870 bemerklich gemacht. Im Jahre 1872 siedelte sich eine Zahl württembergischer Familien bei Jaffa an. Als fleißige und ausdauernde Leute zeigten sie sich sehr tauglich, die unzähligen Schwierigkeiten zu überwinden, die sich ihrem Beginnen entgegenstellten. Ihrer Thätigkeit und Ausdauer gelang es, vor den Thoren von Jaffa Musterwirthschaften, Wer[kstät]ten zur Verfertigung landwirthschaftlicher Werkzeuge und Wagenfab[rik]en zu errichten, die ausgezeichnete Fuhrwerke für das kaum wegbare Land lieferten. Der günstige Erfolg zog immer neue Colonisten an, die Colonie ist in beständiger Zunahme.

Fast zur nämlichen Zeit erhielt eine andere Gesellschaft Deutscher einen beträchtlichen Flecken Landes zu Kaipha bewilligt, am Fuße des Berges Karmel, zwischen dem Cap Karmel und den Ruinen von Cäsarea. Diese Colonie, weit bedeutender als die von Jaffa, nahm eine mächtige Entwickelung. Die siebenzig niedlichen Häuschen derselben, blendend weiß getüncht, gewähren einen Anblick von Ordnung und Nettigkeit, die seltsam von dem Schmutze der elenden Häuser zu Kaipha absticht. Die Colonie, ungefähr vierhundert Seelen, hat eine eigene Verwaltung, eine Art von Stadtrath, über den dem Consul zu Jerusalem die Oberaufsicht zusteht. Sie ist eine deutsche Miniaturstadt mitten in Asien. Die Ländereien der Colonie sind vorzüglich bestellt und liefern vier- und fünfmal mehr Ertrag als das unter den Händen der einheimischen Bevölkerung befindliche Land.

Eine dritte Colonie ist in der Umgegend von Jerusalem, nahe beim russischen Hospiz errichtet; diese scheint mehr dem Handel obzuliegen, aber auch sie steht in großer Blüthe. Man empfindet in Folge des Eindringens deutscher Ansiedler in Palästina auch bereits sehr stark den deutschen Einfluß und wird nicht umhin können, auch die deutsche Politik als einen wichtigen Factor in Rechnung zu bringen, so oft die syrische Frage wieder in Fluß kommt.



Kleiner Briefkasten.

K. v. W. in München. Sie meinen Wilhelmine von Zenge. In dieser Beziehung wird Ihr Wunsch bald erfüllt werden. Die Verlagsbuchhandlung von S. Schottlaender in Breslau läßt in nächster Zeit „Heinrich von Kleist’s Briefe an seine Braut, zum ersten Male vollständig und wortgetreu nach den Original-Handschriften herausgegeben von Karl Biedermann“ erscheinen. Bis vor Kurzem kannte man von diesen höchst interessanten und für den Dichter so charakteristischen Briefen an Wilhelmine von Zenge nur die wenigen, die Ed. von Bülow in seiner Kleist-Biographie, noch dazu nicht ganz vollständig, mitgetheilt hatte. Professor Biedermann war so glücklich, die Originale der sämmtlichen Briefe Kleist’s an seine Braut zu entdecken, und giebt dieselben nun unverkürzt ganz so, wie Kleist sie geschrieben, heraus. Wir nehmen aus Ihrer Zuschrift gern Anlaß, auch die übrigen Literaturfreunde unter unseren Lesern auf dieses Werk aufmerksam zu machen, da dasselbe einer der werthvollsten Beiträge zur Kleist-Biographie zu werden verspricht.

Junge Waise in Sondersh. Deutsche Diakonissenanstalten giebt es in Berlin drei: Elisabethkrankenhaus, Bethanien und Lazaruskrankenhaus, ferner in Dresden, Breslau, Danzig, Königsberg, Stettin, Hamburg,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gustab
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 771. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_771.jpg&oldid=- (Version vom 20.1.2024)