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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

zur nächsten Ecke, wo der um den Diamondfelsen wendende Dampfer plötzlich gegen einen gewaltigen Wasserschwall anzukämpfen hat. Ist dieser überwunden, dann winken bereits in der Ferne die Factoreien von Noki, die in anderthalbstündiger Fahrt von Musuku erreicht werden. Hier wendet sich der Fluß abermals eine kurze Strecke nach Norden. An dieser, etwas oberhalb Noki und ebenfalls am Südufer, liegen die neuerdings errichteten Factoreien von Angoango, bis wohin die holländischen Dampfer fahren, und unweit davon grüßt die jüngst angelegte, ausgezeichnet eingerichtete Niederlassung der unter Herrn Comber’s Leitung stehenden englischen Baptisten-Mission, welche sich am Südufer des Congo bereits bis zum Stanley-Pool festgesetzt hat. Gegenüber Noki und Angoango stehen auf einem niedrigen hübschen Plateau und hohen Uferleisten neben Affenbrodbäumen die letzten Fächerpalmen in bedeutender Anzahl. Hinter Noki und Vivi gegenüberliegend, steigt bis etwa zu sechshundert Meter der höchste Berg des Gebietes an. Und Angoango schräg gegenüber erhebt sich wohl an hundert Meter hoch eine senkrechte, vielfach zerklüftete und düster-rothe Felswand. Sie umgrenzt den Teufelskessel, eine wildromantische Partie des Flußlaufes, wo die von Osten heranstürmenden Fluthen aufschäumend gegen das Gestein prallen und südwärts abweichen. Anfang November vorigen Jahres erschienen auf der Höhe dieser Felswand unerwarteter Weise einmal fünf Elephanten; von den schleunigst übersetzenden jagdlustigen Factoristen wurde einer derselben erlegt. Die Thiere sind sehr seltene und nur zufällige Gäste in dieser Gegend.

Wie am Diamondfelsen bei der Fahrt von Musuku, so trifft auch an der nahen Ecke der Dampfer auf eine gewaltige Strömung, die durchschnittlich volle drei Meter Geschwindigkeit in der Secunde besitzt und bei den, wie bereits geschildert, plötzlich eintretenden Veränderungen zuweilen noch schneller, manchmal aber auch langsamer läuft. Die Maschinen arbeiten mit äußerster Kraft, und dennoch rückt das Fahrzeug dicht am Südufer einige hundert Meter weit in Minuten nur Zoll um Zoll, Fuß um Fuß vorwärts, zuweilen feststehend oder sogar der Wucht des Wassers weichend. An dieser gefährlichen Ecke verlor Herr Stanley bei dem Beginne des Unternehmens ein mit Gütern beladenes eisernes Lastboot. Es wurde von dem anstürmenden Wasser auf die Seite gelegt, füllte sich und versank mit seiner werthvollen Ladung.

Blick auf die Hochlande vom Congo.
Nach Originalaufnahmen Dr. Pechuel-Loesche’s auf Holz gezeichnet von Prof. A. Goering.

Auch dem scharfgebauten Dampfer wird übel mitgespielt bei dem jähen Eintreten in diese Strömung; er schwankt und neigt sich, wird hin und her getrieben, bis er diese bisher schlimmste Stelle endlich hinter sich hat. Am anderen Ufer liegt die letzte portugiesische Factorei zwischen einigen Baumgruppen am Fuße eines steilen, nach Osten gestreckten Hügels. Wie dieser sich allmählich beim Vorrücken des Dampfers verschiebt, öffnet sich der Blick auf eine letzte Krümmung des Congo und plötzlich tritt Vivi in den Gesichtskreis.

Vom Nordufer, von einem fast baumlosen, frei ausspringenden Hügelsporn und neunzig Meter über dem Congo thronend, grüßen die weißgetünchten Holzhäuser herab. Hoch und sicher wie eine Festung und freundlich wie eine Villenstadt sind sie von Weitem anzuschauen. Zur Linken liegt das Dorf der Sansibari und ein wenig tiefer, am Abhange, das der zahlreichen angestellten Kabindaträger.

Dem Südufer treu bleibend legt der Dampfer mühsam die kurze Strecke bis zur nächsten Biegung zurück. Dort liegt ein schöner Landungsplatz, Matadi, bis wohin der kleine Dampfer „Livingstone“ die Güter für die im Inland eingerichteten Stationen der englischen Livingstone-Mission befördert. Bis dorthin schaffte Tuckey bereits 1816 seine großen Segelboote, und von dort kreuzte er den Fluß auf demselben Wege, den nun der Dampfer einschlägt. Mit voller Kraft schießt er an dem vom Südufer ausgehenden Vorland entlang und in gleicher Richtung quer über den Strom. Um ihn wogen und wallen die Gewässer und wälzen sich schäumend unaufhaltsam durch das über tausend Meter

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_732.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2023)