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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

jüngst von dem Besitzer des Grundstückes, einem Portugiesen, leider der mächtigsten Aeste beraubt, und damit ist das stolze Wahrzeichen Bomas für immer verunstaltet worden. Auf der gegenüber liegenden holländischen Insel haben wir indessen im vergangenen Jahre einen Affenbrodbaum aufgefunden, welcher sogar zwanzig Meter im Umfange mißt und gleich herrlich wie der ersterwähnte gewachsen ist. Er steht jedoch abseits, von Gestrüpp umgeben und wird selten besucht werden.

Der Viehstand Bomas ist der reichste des Congogebietes. Nicht nur giebt es dort die untergeordneten Hausthiere in Menge und in schönen Arten, sondern man sieht im Schatten der Affenbrodbäume auch Rinderheerden – ein seltener Anblick, denn an der Küste sind, mit Ausnahme von Muanda und Landana, alle Versuche gescheitert, Rinder einzubürgern. Stromaufwärts finden sie sich nochmals in der holländischen Factorei zu Musuku am Südufer, und im verflossenen Jahre hat sie Herr O. Lindner auch nach Vivi eingeführt. In Boma und Musuku ist in Folge dessen auch der niedliche und originelle Kuhreiher in großer Zahl zu finden, der unbekümmert auf großem und kleinem Hausgethier herumsteigt und das Ungeziefer abliest. Da er sowohl wie die nützliche schwarzweiße Krähe an den genannten Orten von jeder Verfolgung ausgeschlossen ist, geberdet er sich ungemein zutraulich.

Herr Greshoff, wie Herr de Bloeme in Banana ein großer Thierfreund, ist unter Anderem auch der glückliche Besitzer einer Familie von reizenden Zwergantilopen, die vollkommen frei leben und mit Vorliebe die Wohnzimmer besuchen. Lara, die älteste und zahmste derselben, ein verzogener Liebling, maßt sich das Recht an, gegen fremde Eingeborene eine strenge Hauspolizei auszuüben.

Oberhalb Boma blieb der Schiffsverkehr bis in das letzte Jahrzehnt ein verhältnißmäßig beschränkter; man begnügte sich, die Verbindung mit etlichen am Südufer vorgeschobenen Factoreien mittelst großer Segelboote zu unterhalten. Die Holländer sandten indessen ihre Dampfer bald bis Musuku hinauf. In sehr früher Zeit waren verwegene Sclavenhändler mit ihren guten Schoonern bereits bis Noki und in die Nachbarschaft von Vivi gesegelt.

Als Tuckey 1816 seine so unglücklich verlaufende Expedition nach dem oberen Congo unternahm, wurde von Kennern des Stromes vorgeschlagen, mittelst kleiner starker Dampfer bis zu den Yelalafällen vorzudringen; Consul R. Burton, welcher die letzteren im Jahre 1863 besuchte, befürwortete denselben Plan. Herr Stanley führte ihn im Jahre 1879 aus, indem er mit seinen kleinen Dampfern bis nach Vivi vordrang, dabei sogar die unterhalb der Station liegende erste schwache Stromschnelle Nkasi Yelala (Yelalas Frau) glücklich überwindend.

Seitdem wird diese Strecke, die indessen noch einige tausend Meter unterhalb der äußersten Grenze der Schiffbarkeit endet, regemäßig befahren, und auch die Holländer senden ihren neuen, sehr stattlichen Dampfer „Moorian“ seit einem Jahre bis nach Angoango oberhalb Noki.

Von Boma an verläuft das Flußbett in mehreren Biegungen ostwärts bis Musuku, dann auf eine kürzere Entfernung nordwärts; bis Noki und Vivi wiederholt sich dieselbe Gestaltung in kleinerem Maßstabe. Auf ersterer Strecke schwankt die Breite des Congo zwischen 900 und 2500 Meter, weiterhin nähern sich die Ufer auf 1200 und 700 Meter.

Die holländische Insel zur Rechten, die drei Kilometer oberhalb liegende, hart an das Nordufer geschmiegte große Insel Mbuku Mboma zur Linken lassend, setzt der Dampfer am nächsten Morgen seine Reise fort. An einzelnen Punkten hat er bereits mit einer bedeutenden Strömung zu kämpfen, die über zwei Meter Geschwindigkeit in der Secunde erreicht, also etwa gleich ist der der Donau bei Ulm und der des Rheines bei Basel während eines Hochwassers.

Der Congo ist jedoch zu breit und tief, sein Bett zu uneben, als daß diese starke Strömung sich gleichmäßig über die volle Breite geltend machen könnte. Rauschen an einer Stelle die Gewässer mächtig abwärts, so wälzen sie sich an einer anderen aufwärts, während zwischen diesen Hauptströmungen wiederum untergeordnete in verschiedenen Richtungen vordringen und verhältnißmäßig ruhig kreisende Flächen eingeschaltet sind. Zuweilen bilden sich an den Rändern derselben ansehnliche Wirbel oder schäumende Wassermassen brechen plötzlich mit erstaunlicher Heftigkeit hervor, als ob eine Riesenquelle im Flusse aufsprudelte.

Die gewaltige Wasserbewegung schwankt jedoch stetig innerhalb sehr weiter Grenzen und bietet sehr selten für längere Zeit den nämlichen Anblick. So mag wohl der Dampfer zeitweilig eine ihm günstige Strömung oder ruhige Flußpartie benutzen; aber plötzlich wird er wie von unsichtbaren Mächten hin- und hergeschoben, sodaß er weit sich überneigt und nur widerwillig dem Steuer gehorcht, oder er wird jetzt rasend schnell vorwärts getrieben, jetzt wie durch Zauberei an einer Stelle festgehalten, während die Maschine in jähem Wechsel bald übermäßig arbeitet und rasselt, bald stillstehen zu wollen scheint. Je mehr man sich Vivi nähert, um so stärker äußern sich diese Verhältnisse.

An der hügeligen Insel Mbuku Mboma entlang verfolgt das Fahrzeug seinen Weg. Die Höhen krönen mächtige Steinblöcke und Wälle, die an Burgruinen erinnern, wirres Gestrüpp bekleidet die Steilhänge, am Wasserrand stehen Gruppen von Oelpalmen und wilden Dattelpalmen zwischen stattlichen vielästigen Waldbäumen, die dem vielverschlungenen im Winde schaukelnden Rankennetze mannigfaltiger Lianen zur Stütze dienen. Hier an diesem unbewohnten und nur selten besuchten Stück Land erfreut man sich zum ersten Male an reizvollen, obwohl eng umrahmten Landschaftsbildern. In früher Morgenstunde kann man hier auch noch Affen, Banden lustiger Meerkatzen beobachten, die freilich in der Regel nur der Eingeweihte entdeckt, während der Ungeübte nichts erblickt, als heftig bewegtes Gezweig.

Oberhalb Mbuku Mboma liegt das Inselchen Tschisala inmitten zahlreicher Klippen, unter welchen eine, gleich einem Obelisken, etwa sieben Meter hoch aufragt. Die Oberhäuptlinge des Districtes werden auf diesem Eilande beerdigt. Der einsame Friedhof birgt jedoch auch drei vergessene Gräber von Europäern, dreier der wissenschaftlichen Begleiter Tuckey’s: Cranch, Tudor, Galwey. Sie starben, wie viele ihrer Unglücksgenossen, an Fieber und Entkräftung auf dem Expeditionsschiff „Congo“, welches 1816 bis hierher den Fluß hinaufsegelte und in der gegenüberliegenden Einbiegung am Südufer verankert wurde.

Bis Musuku, das in vier bis fünf Stunden erreicht wird, nimmt nun der Congo eine sehr bedeutende Breite an und gleicht fast einem Gebirgssee. Hier und dort ruht ein Felseneiland im Wasser. Rechts und links enden hart am Ufer eine große Anzahl eng an einander gedrängter Höhenzüge, welche durch schmale, schluchtenähnliche Thäler getrennt sind und nur selten einer Höhe von dreihundert Meter sich nähern. Die Grate und steilen Hänge sind unbewaldet und gleichmäßig mit wogenden Gräsern bestanden; lockeres Gestrüpp, sowie einsame Gebüschklumpen vermögen den öden Berghalden keinen Reiz zu verleihen. Erblickt man einmal auf einem fernen Gipfel ein Gehölz, so darf man mit Sicherheit schließen, daß es ein Dorf der Eingeborenen beschattet und von den letzteren vor Vernichtung bewahrt wird. Diese Scenerie bleibt dem Congo allenthalben getreu. Am Fuße der jäh in den Fluß abfallenden Höhen zeigt sich jedoch stellenweise etwas Baumwuchs, und wo in tieferen Buchten Schwemmland abgesetzt ist, da erheben sich auf den auenähnlichen Flächen die bekannten starren Fächerpalmen und im Hintergrunde Gruppen von Affenbrodbäumen und Oelpalmen. Zur Trockenzeit, wenn die Gräser abgestorben sind und das Hochland in braune und goldige Töne kleiden, wirkt die Scenerie am schönsten.

Dennoch entspricht sie nicht im Geringsten den allgemeinen Vorstellungen von der Pracht und dem Reichthume der Vegetation in tropischen Gebieten. Immer wieder wird man bei der Congofahrt im Gebirge an den Rhein erinnert, obwohl die anmuthende Staffage fehlt, der Strom viel breiter ist und die Höhenzüge zu niedrig sind.

In Musuku, am Südufer des Congo, sind eine holländische, eine französische, sowie mehrere portugiesische Factoreien errichtet, welche Producte des südlichen Gebirgslandes eintauschen. Von diesem Punkte hat man stromauf nach Norden eine lohnende Aussicht auf eine der reizvollsten und zugleich am meisten charakteristischen Partien (siehe die Abbildung S. 732) des ganzen Congogebirges bis zum Stanley Pool. Eng gedrängt steigen die Erhebungen hinter einander zu etwa dreihundert Meter Höhe auf, ein Stück Bergland bildend, das zwar gut zu betrachten, aber, wie die meisten Theile des Gebirges, außerordentlich schwierig zu durchwandern ist.

Von Musuku geht, mit Benutzung einer theilweise rückläufigen Strömung, die Fahrt am linken Ufer hin rasch von Statten bis

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 731. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_731.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2023)