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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

der Lieblosigkeit und des Undanks. Undank! Dieser Vorwurf mußte am empfindlichsten treffen. Eine kalte Natur sei sie. Vielleicht habe Robert zu seinem Glück so früh die Augen geschlossen, ehe er sie recht erkannt habe!

Helene hätte um keinen Preis ein Wort der Rechtfertigung vorbringen mögen. Ihr Herz erkaltete wirklich mehr und mehr, sie glaubte es zu fühlen. Stolz blieb die einzige Empfindung, deren sie sich mit Befriedigung bewußt blieb.

„Was Du mir sagst,“ antwortete sie, „muß mich überzeugen, daß Du jenes Band schon als gelöst ansehen willst. Durch meine Schuld – aber gelöst. Wenn es Wohlthaten waren, die ich hier empfing, so wirst Du wünschen, daß ich sie mir nicht vorwerfen lassen darf. Mag ich so schuldig sein, wie ich Dir scheine, zu einer Bettlerin erniedrige ich mich deshalb nicht. Ich will darauf denken, wie ich es ermöglichen kann, Dir und den Deinen nicht länger lästig zu fallen, und – Ihr werdet mich nur noch kurze Zeit dulden dürfen.“

Das sagte sie so ernst und ruhig, als sei kein Zweifel weiter möglich, und dabei blieb sie auch, die Mama mochte sich noch so sehr ereifern. So trennten sie sich denn zuletzt, ohne auch nur oberflächlich zu einem Ausgleiche gelangt zu sein, die alte Dame noch erregter, als sie gekommen war, und die hellen Thränen in den Augen, Helene trotzig und verstockt.

(Fortsetzung folgt.)




Zwei Herbstlieder.

Von Karl Stieler.
1. 0Sonntagsläuten.

Ich lieg’ auf der Halde
Im Morgenblau,
Herbstgoldener Schimmer
Wie Flor und Flimmer

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Webt um die Au.


Es liegen die Dörfer
Wohl stundenweit;
Doch hör’ ich klingen
Auf Windesschwingen

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Ihr fernes Geläut.


Du bist noch weiter –
Und dennoch tönt
Der Klang deiner Grüße
Zu mir, du Süße –

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Fern und versöhnt.


2. 0Vergessen.

Du stürmend Herz, lern’ leiser schlagen,
Ist denn Vergessen gar so schwer?
O schau’ dies schweigende Entsagen
Der schönen Erde rund umher!

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Schau, wie der Sonne Gluth sich wendet,

Horch, wie verstummt des Vogels Sang;
Sie tragen’s alle, daß es endet,
Was eh’dem blüthe, glänzte, klang.

Es giebt der Strauch sein grünes Leben

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Und seine letzten Rosen her;

Mein Herz, wann wirst du dich ergeben,
Ist denn Vergessen gar so schwer?




Im Congoland.

Von Dr. Pechuel-Loesche.
3. 0Congofahrt im Gebirge bis nach Vivi.

Camoensia maxima.

Nach drei- bis vierstündiger Fahrt von Ponta da Lenha läßt der Dampfer das flache Land hinter sich, und folgt nun dem Stromlauf im Gebirge. Die Uferhöhen rücken ziemlich jäh einander näher und beginnen die Gewässer einzuengen. Die erste Kette felsiger Hügel erstreckt sich quer zur Richtung des Flußbettes von Südosten nach Nordwesten. Am Südufer erhebt sich der unbedeutende, steil abfallende Fetischfelsen, ihm gegenüber, doch weiter oberhalb am Nordufer, der Blitzfelsen, an dessen grasigem Gipfel eine hohe natürliche Steinsäule aufragt. Zwischen diesen beiden Landmarken wälzen sich die hier ungetheilten Gewässer des vier Kilometer breiten Congo wie durch ein Thor hinaus in die Niederung. Während der Dampfer von dem Fetischfelsen allmählich nach dem Nordufer hinübersteuert, tauchen die weißgetünchten Gebäude von Boma auf. Dort liegen, bis auf eine gesichert gegen das bedeutendste Hochwasser des Congo, in langer Reihe mehrere holländische sowie portugiesische Factoreien und je ein englisches, französisches und belgisches Haus. Eine französische Mission ist ebenfalls auf einem sehr günstigen Platze angelegt worden.

Bis vor Kurzem war Boma der am weitesten vorgeschobene Handelsplatz am Nordufer des Congo, und darum besonders wichtig, weil dorthin, wie bereits zur Zeit des Sclavenhandels, die Karawanen aus dem nördlichen Berglande kommen, die jetzt freilich nicht mehr Menschen, sondern Landesproducte bringen. Die Ansiedelung liegt weit freundlicher und gesünder als alle Factoreien der Niederung. Unbedeutende grasige Hügel umgeben sie, vor ihr rauscht der breite Congo, der hier wiederum durch eine große in holländischen Besitz übergegangene Insel getheilt wird. Herr Greshoff, der Abtheilungschef, hat daselbst Plantagen angelegt und den arbeitsunfähig gewordenen eingeborenen Bediensteten des Hauses eine Heimstätte geschaffen, wo sie in behaglicher Ruhe ihr Leben beschließen können.

Die Hochlande des Congo sind vor allem ausgezeichnet durch ihre Waldarmuth. Die Höhen um Boma tragen diese ganz besonders zur Schau und müssen schon seit langer Zeit gleich verödet gewesen sein; denn die nur in waldlosen Gebieten gedeihenden Affenbrodbäume stehen daselbst in auffälliger Anzahl allenthalben locker verstreut und haben eine theilweise erstaunliche Entwickelung erreicht. Einer, der als der hervorragendste unter den Riesenbäumen Bomas genannt zu werden verdient, der außer vielen anderen Namen von Besuchern auch den des vielseitigsten praktischen Kenners von Afrika, Richard Burton 1863, eingeschnitten trägt, mißt in Manneshöhe über dem Boden zwölf bis vierzehn Meter im Umfang. Seine breit ausgelegte, schön geformte Krone ist

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 730. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_730.jpg&oldid=- (Version vom 21.1.2024)