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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

giebt einer Anzahl Glühlichtlampen den nöthigen Strom, er läßt die Schleif- und Bürstenapparate eines Galvaniseurs durch sie betreiben, er setzt mit ihrer Hülfe einen Ventilator in Bewegung und zeigt an der von ihnen bewirken Heizung eines Samowars und eines Kochapparates, wie sich vielleicht in Zukunft die Elektricität auch für häusliche Zwecke verwerten lassen wird.

Nun muß es sich also zeigen, ob Gravier den großen Wurf gethan, ob er eine glückliche Hand gehabt und das schwierige Problem gelöst hat. Die elektrische Kraftübertragung, sobald sie in wirklich prakischer Weise durchgeführt ist, wird zweifellos in die Verhältnisse unseres wirthschaftlichen Lebens tief eingreifen; denn mit ihr ist noch eine Frage von hoher Bedeutung für dieselben verbunden: die Ausnützung jener billigen Kräfte, welche die Natur den Menschen als mächtige Arbeitsfactoren darbietet.

In unseren Bächen, Flüssen und Strömen, da liegt ein werthvoller Schatz verborgen, der noch nicht voll und ganz gehoben ist: jene Arbeitsmenge, welche auf ihrem Laufe sich gleichsam ansammelt und stetig vermehrt. Die Hauptader des Verkehrs, die Eisenbahnen, führen nicht immer dicht hinan an solche Flüsse und schließen darum die „Werke“ an ihnen von ihren Vortheilen aus; auch die größeren Städte, die Mittelpunke der Industrie, liegen oft entfernt von jenen Punken, wo sich die Wasserkraft in günstigster Weise verwerthen ließe. Die Elektricität bringt hier Hülfe: ein Wassermotor, eine Turbine z. B., nimmt die Arbeit des Wassers in sich auf; die Dynamomaschine, welche von jener bewegt wird, verwandelt diese in Elektricität, und als solche nun wird sie in die Ferne geleitet und in all’ die verschieden großen und verschieden starken Dynamomaschinen vertheilt, welche sie wieder in mechanische Arbeit zurück verwandeln. Auch hier werden wir nicht die ganze Arbeit wieder erhalten, welche uns der Bach, der Fluß oder Strom geboten: aber das ist ja eine alte und wohlbekannte Wahrheit, daß dem Menschen Nichts umsonst wird, daß er sich Alles erringen und erwerben und erkaufen muß. Und ich denke, es ist besser, wir gewinnen nur einen Theil jener Arbeitsmenge der Gewässer, als daß wir sie ganz unbenützt hinabfluthen lassen in den Ocean.

Die elektrische Ausstellung in Wien bietet uns leider kein Beispiel dieser Art, wie es so anschaulich und so interessant die Ausstellung in München uns gelehrt hat. Aber sie zeigt die Anwendung einer anderen nicht minder mächtigen Naturkraft, des Windes.

Vor dem Nordportale der Rotunde, über die elektrisch betriebene Seilbahn, welche aus dem Lagerhause die Kohlen in das Kesselhaus der Rotunde befördert, ragt ein großes Windrad empor mit einem breiten Flügelarme – hier oben wirkt die Kraft der bewegten Luft und unten in dem hölzernen Häuschen wird sie in einer Dynamomaschine in Elektricität verwandelt, die nun in beliebiger Weise fortgeleitet, vertheilt und wieder in mechanische Arbeit umgesetzt werden kann. Aber der Wind ist ein unverläßlicher Arbeiter, heute rast er wie toll, als müßt’ er die ganze Welt zusammenfegen, und morgen ruht er gemächlich wie ein „alter Deutscher“ auf seiner Bärenhaut. Mit solchen Launen muß gerechnet werden: darum hat Ingenieur Friedländer, der Aussteller dieses Motors, zwischen die primäre und die secundäre Maschine jene unter dem Namen Accumulatoren bekannten Elektricitätssammler eingeschaltet, um durch sie die Elektricität, welche in den Zeiten des Windes gewonnen wurde, für die windlosen Tage aufzubewahren.

So sind wir nun wieder vor dem Portale angelangt, durch welches wir den lichtdurchflossenen Palast betraten: funkensprühend saust der elektrische Wagen an uns vorüber; von der Höhe der Rotunde huscht ein Lichtkegel magisch über die Baumwipfel und bleicht den Glanz der Sterne und des Mondes. Innen, in dem weiten Raume aber drängt und staut sich noch immer die bewundernde Menge, zischen und schnarren und lärmen Maschinen und Motoren, läuten die Glocken der Eisenbahnsignale, pochen die Hämmer der Telegraphen, tönen Schellen und Wecker und widerhallen die elektrisirenden Klänge der „Straußischen Walzer“, durch welche die unermüdliche Militärcapelle auf Tausende der Besucher eine gar mächtige Anziehungskraft auszuüben versteht.

Alfred Birk.




Wie verpflegen wir unsere gefiederten Freunde?

Rathschläge für eine verständige und ersprießliche Stubenvogelpflege.
Von Dr. Karl Ruß.

Als vor Kurzem der internationale Thierschutzcongreß in Wien im Einladungsprogramm unter anderen wichtigen Punkten auch die Besprechung des Vogelschutzes in allen seinen Beziehungen angekündigt hatte, erhielt ich – als Herausgeber der weit verbreiteten Zeitschrift „Die gefiederte Welt“ – zahlreiche Zuschriften, in denen man mich aufforderte, dort in die Schranken zu treten einerseits gegen etwaige zu weitgehende Beschlüsse in Betreff des Haltens von Stubenvögeln überhaupt, andererseits aber auch mit den Thierschutzvereinlern gemeinsam gegen die Mißstände, welche allerdings in der Vogelliebhaberei vorkommen und die sich keineswegs leicht abstellen lassen.

Es war mir nicht vergönnt, nach Wien zu reisen; mit desto größerer Freude entnahm ich den Berichten die Mittheilung, daß man mit den gefaßten Beschlüssen sich lediglich gegen den nur zu argen Mißbrauch, Vögel für die Zwecke des Frauenputzes zu tödten, gerichtet, daß man sich mit Maßnahmen des Vogelschutzes im Freien beschäftigt und die Vogelliebhaberei verständiger Weise unberührt gelassen hat. Um so mehr haben wir, die Vogelliebhaber, nun aber auch Veranlassung dazu, ernstlich dahin zu streben, daß wir den billigen Anforderungen des Thierschutzes in möglichst vollem Maße genügen. Eigentlich sollte dies von vornherein als selbstverständlich gelten dürfen, denn der Vogelliebhaber muß doch eben die Vögel lieb haben und sie dementsprechend liebevoll verpflegen; – leider bleibt jedoch in zahlreichen Fällen darin viel zu wünschen übrig, und so will ich denn hier einmal einem weiten Bedürfnisse gegenüber vom Vogelschutz in der Häuslichkeit sprechen.

Mit aufrichtiger Betrübniß sehen wir allenthalben um uns her, daß es viele Leute giebt, welche Stubenvögel anschaffen, ohne wirkliche Vogelliebhaber zu sein und die ausreichenden Kenntnisse zur Verpflegung der Vögel zu haben und ohne auch nur darnach zu streben, sich solche anzueignen. Am schlimmsten erscheinen in meinen Augen jene herzlosen Reichen, welche einen prunkvollen Vogelkäfig irgendwo im Vorzimmer oder Salon aufstellen, um in demselben eine Anzahl möglichst buntfarbiger Vögel verständnißlos und liebeleer verkommen zu lassen. Dann folgen die kaum minder unverantwortlich handelnden Leichtfertigen, die, von der Schönheit, dem Gesange oder irgend einer anderen Eigenthümlichkeit eines Vogels augenblicklich hingerissen, ihn anschaffen, nur zu bald aber des bedauernswerten Thieres überdrüssig werden und es erbarmungslos wie ein verschmähtes Spielzeug beiseite werfen. Diese letzteren versuchen es gewöhnlich doch wenigstens einen Ertrag aus dem Verkauf desselben zu schlagen, und wohl dem Vogel, wenn er dann noch lebensfähig in die Hände eines wirklichen Liebhabers gelangt. Beiden, den Leichtfertigen ebensowohl als den Uebelwollenden, gilt meine ernste Mahnung, daß sie ihre sogenannte Vogelliebhaberei aufgeben und sich in irgend welcher andern Weise Vergnügen und Zerstreuung suchen mögen. Sie sollten bedenken, daß sie sich der allerärgsten Thierquälerei schuldig machen, und daß, wenn sie auch nicht nach dem Buchstaben des Gesetzes strafbar sind, doch alle rechtschaffen und billig denkenden Menschen ihre Handlungsweise verabscheuen müssen.

Nur Der hat die Berechtigung dazu, einen Stubenvogel (oder irgend ein Thier überhaupt) anzuschaffen und zu haben, welcher sich die ausreichenden Kenntnisse der Eigenthümlichkeiten und insbesondere der Bedürfnisse des Pfleglings erworben und der nun ernstlich dahin strebt, den ersteren Genüge zu leisten und die letzteren zu befriedigen.

Die Entschuldigung, daß Jemand die Vögel gern sachgemäß verpflegen würde, daß es für ihn aber zu schwierig, zeitraubend oder doch zu unbequem sei, sich erst weitläufig über sie zu unterrichten, wird kein Einsichtiger gelten lassen, denn die Belehrungsquellen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 699. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_699.jpg&oldid=- (Version vom 19.1.2024)