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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

ihren Führer. Cäsar zog deshalb notgedrungen seine bisher getheilte Macht hier, um diesen Berg von Alesia, zusammen, auf dessen Plateau und Abhängen Vercingetorix sich festgesetzt hatte. Diesmal gelang es jedoch letzterem nicht, wie früher, sein Fußvolk unter dem Schutz der Festungsmauern aufzustellen und durch seine Reitermassen die Verbindungen nach außen hin sich offen zu halten, während er die des Feindes zu unterbrechen gedacht hatte. Seine Reiterei wurde von Cäsar’s deutschen Berittenen in jedem Zusammentreffen geschlagen; auf den umliegenden Höhen wie in der Ebene campirten in größeren und kleineren befestigten Lagern (von acht solchen hat man bei den von Napoleon III. veranlaßten Nachgrabungen Spuren entdeckt) die römischen Legionen und zogen mit eiserner Beharrlichkeit um den ganzen Festungsberg Verschanzungslinien; diese wurden durch dreiundzwanzig kleine Redouten gesichert, und an Stellen, wo leicht beizukommen war, das Vorland durch Verhacke, Wolfsgruben und Fußangeln geschützt. Die Belagerten sahen den Ring sich langsam, da er etwa vier Stunden lang war, aber sicher schließen.

Von meinem Standpunkte aus konnte ich mir die Linie sehr gut in die Landschaft hineindenken; sie ist auf der beigegebenen Karte gezeichnet.

Auf eine Einschließung aber war Vercingetorix nicht gefaßt: er hatte unter den Mauern der Stadt kämpfen wollen, nicht sich belagern lassen; für seine 80,000 Mann Fußvolk, 15,000 Reiter und die zahlreichen Stadtbewohner genügten die aufgespeicherten Vorräthe bei weitem nicht. Er mußte sehen, daß er diesmal verloren war, wenn nicht die gesammte Nation herbeieilte und den eingeschlossenen Feldherrn befreite. Daher entließ er im letzten Augenblick, als der Weg wenigstens für Berittene noch frei war, seine ganze Reiterer und entsandte zugleich an alle Stammeshäupter die Weisung, alle Mannschaft aufzubieten und sie zum Entsatz heranzuführen. Er selbst, entschlossen, die Verantwortung für den von ihm entworfenen und fehlgeschlagenen Kriegsplan auch persönlich zu tragen, blieb in der Festung, um im Guten und Bösen das Schicksal der Seinigen zu theilen. Cäsar aber machte sich gefaßt, zugleich zu belagern und belagert zu werden. Er gab daher Befehl, das Heer mit Lebensmitteln auf dreißig Tage für Mann und Roß zu versehen, und richtete seine Umwallungslinie auch an der Außenseite zur Vertheidigung ein, das heißt er zog parallel mit der inneren eine äußere; von beiden sind Reste aufgefunden worden. Der Umfang der letzteren mag über fünf Stunden betragen haben und zog sich, den Bodenverhältnissen folgend, durch die Ebene, Abhänge hinauf, über die Plateaus und wieder die Abhänge hinunter, bis sie die innere ganz umschlossen hatte.

Die Tage verflossen: schon hatte man in der Festung kein Getreide mehr, schon hatten die eigenen Landsleute die unglücklichen Stadtbewohner austreiben müssen, die dann zwischen den beiderseitigen Verschanzungen, von den Ihrigen wie von den Römern unbarmherzig zurückgewiesen, elend umkamen. Welche Bilder unsäglichen Jammers müssen diese Felsabhänge damals geschaut haben! Ein hochstehender Gallier wies die Belagerten sogar auf die, wie Cäsar sagt, „frevelhafle Unmenschlichkeit“ hin; wenn alle Nahrungsmittel aufgezehrt seien, sich vom Fleische der kriegsuntüchtigen Greise zu nähren! Doch so weit sollte es nicht kommen.

In der letzten Stunde zeigten sich auf den Höhen hinter Cäsar’s Linien die unabsehbaren Züge des Entsatzheeres, angeblich 250,000 Mann zu Fuß und 8000 Reiter, unter dem Oberbefehl


Vom zweiten deutschen Bergmannstag: Im Plauenschen Grunde.
Originalzeichnung von Paul Heydel.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 668. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_668.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)