Seite:Die Gartenlaube (1883) 570.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Vereins zum Zwecke der Anlegung einer Karte über das erratische Gestein und seine Anstrengungen, um diejenigen erratischen Blöcke zu schützen, welche ein besonderes Interesse darbieten. Auch die Errichtung des Observatoriums auf dem Säntis ist sein Werk.

So hat denn auch der Verein im Laufe der Jahre für wissenschaftliche Zwecke viele Tausende ausgegeben, und es ist nur zu wünschen, daß seine Mitgliederzahl stets wachse und ihm die Möglichkeit geboten werde, auf der einmal betretenen Bahn vorwärts zu schreiten.

Eine ausführliche Schilderung seiner Thätigkeit lag uns durchaus fern, wir beabsichtigen durch diese Zeilen nur, unseren Lesern einen flüchtigen Einblick in ein Treiben der Gegenwart zu ermöglichen, welches in früheren Zeiten durchaus unbekannt war, und müssen Alle, die sich dafür besonders interessiren, auf die sehr stattliche Fachliteratur verweisen, welche auf Kosten der Alpen- und Touristenvereine jahraus jahrein in Hunderten von Zeit- und Flugschriften im Buchhandel erscheint.




Zehntausend Meilen durch den Großen Westen der Vereinigten Staaten.[1]

Von Udo Brachvogel. Mit Illustrationen von Rudolf Cronau.
III.
Die Geschichte des Nationalparks des Yellowstone. – Entdeckung und Erforschung des Wunderlandes. – Seine Constituirung als Volksdomäne. – Der Yellowstonesee. – Das Grand Cañon. – Die Fälle des Yellowstone. – Tower Creek, East Fork und Gardinerfluß.

Das weiße Miniaturgebirge der „Mammuth-Thermen“ war das erste der in dem heutigen Nationalpark des Yellowstone angesammelten wasservulcanischen Wunder, welches von den kaukasischen Entdeckern und Pionieren dieser Region erblickt wurde. Der Weg, den wir zu seiner Erreichung eingeschlagen (vergl. Nr. 23), der von Norden her, war auch der ihrige gewesen. Sie kamen von Montana, und zwar aus den Golddistricten des von den Felsengebirgen durchzogenen westlichen Montana, welches längst eine von der pacifischen Küste aus überkommene Minenbesiedelung besaß, während die östlichen zwei Drittel des riesigen Territoriums noch für ein Jahrzehnt und mehr der Jagd- und Kriegsgrund der jetzt auf Bundesreservationen beschränkten Sioux sein sollte.

Wer aber waren diese ersten weißen Entdecker der „Mammuth-Thermen“, oder wie sie von ihnen in durchaus bezeichnender Weise genannt wurden, der White Mountain Hot Springs, der „Heißen Quellen des Weißen Berges“ und damit des Yellowstone Wunderlandes überhaupt? Obgleich es keinem Zweifel unterliegen kann, daß schon Lewis und Clark auf ihrem großen nordwestlichen Entdeckerzuge im Anfang dieses Jahrhunderts, welchem man die Kenntniß der Stromsysteme des Missouri und des Columbia zu danken hatte, auch das Quellengebiet des Yellowstone berührt haben, so sind ihre Berichte doch in Betreff der merkwürdigen Dinge, welche demselben neuerdings seine Weltberühmtheit eingetragen haben, so gut wie stumm.

Die ersten Nachrichten darüber, welche nach etwas Anderem klangen, als nach Indianergefabel und Trappermärchen, gelangten 1856 zu den Ohren des Vereinigten Staaten Generals Warren, welcher ein Militärcommando in jenen damals noch völlig weltentlegenen Grenzländern führte. Die Sache erschien der höchsten Beachtung werth, und der General legte noch im selben Jahr der Bundesregierung den Plan einer officiellen Erforschung des im Herzen der Felsengebirge liegenden Hochthales vor, welches nicht nur in höchsten Höhen liegende Bergseen, mächtige Wasserfälle und ungeheure Cañons[2], sondern auch siedende Teiche, kochende Riesenspringquellen und brennende Ebenen umschließen sollte.

Die Ungläubigkeit jedoch, auf welche die große Neuigkeit in Washington stieß, vereitelte die Ausführung des Planes für die nächste Zeit, bis ihn der bald darnach ausbrechende große Bürgerkrieg vollends in Vergessenheit zurückdrängte. Und so blieb denn die thatsächliche Entdeckung des wunderstrotzenden Landes zwei Privatleuten, den unternehmenden Montanaer Pionieren Cook und Folsom, vorbehalten, welche im Sommer 1869 von Norden aus dahin vordrangen und so bestimmte Nachrichten über die von ihnen geschauten Naturmirakel und Naturmysterien zurückbrachten, daß die Regierung nicht umhin konnte, sich des alten Warren’schen Projects zu erinnern und die Yellowstone Angelegenheit sofort in ihre eigene Hand zu nehmen.

Schon im nächsten Frühjahr erfolgte in ihrem Auftrage die erste Exploration des geheimnißreichen Gebiets durch den Generalvermesser des Territoriums Montana, Washburne, welcher die Berichte Cook’s und Folsom’s in mehr als vollstem Umfange bestätigte. Hieran endlich schloß sich im Jahre 1871 die große Regierungsexpedition unter Leitung des schon damals als Felsengebirgserforscher bewährten Bundesgeologen, Professor F. W. Hayden, welche als die eigentliche Erschließung und Eroberung des Yellowstone-Quelllandes zu bezeichnen ist.

Die Ergebnisse der Expedition waren die denkbar glänzendsten und übertrafen selbst die phantastischsten Erwartungen. Vollends gekrönt aber wurde sie durch den Erfolg, welchen der amtliche Bericht Professor Hayden’s in Washington hatte: durch die wahrhaft hochsinnige Congreßacte vom 2. März 1872, welche auf diesen Bericht hin jenes mit Schönheiten und Merkwürdigkeiten so einziger Art übersäete Gebiet in einer sich zwischen 44° und 45° nördlicher Breite und 110° und 111° westlicher Länge erstreckenden Ausdehnung unter dem Namen eines Nationalpark des Yellowstone als „ein der amerikanischen Nation für alle Zeiten zu Vergnügungs-, Erholungs- und Gesundheitszwecken vorzubehaltendes und in diesem Sinne von der Bundesregierung selbst zu verwaltendes Volkseigenthum“ reservirte.

Seitdem gehört das Yellowstone-Gebiet thatsächlich der Nation, wenigstens in Beschreibungen, Schilderungen und Abbildungen aller Art.

Um sich in Gestalt allsommerlicher Vökerwanderungen auch thatsächlich in den Genuß seiner Herrlichkeiten zu setzen, harrt die amerikanische Nation freilich noch des Zeitpunkts, da die Nord-Pacificbahn ihre große Mission im Nordwesten der Vereinigten Staaten auch soweit ausgeführt, den heute noch außerhalb jedes geregelten Verkehrs liegenden Nationalpark mit der nächsten Station ihres eisernen Ueberlandweges, Bozeman in Montana, durch eine Zweiglinie verbunden haben wird. Erfreulicher Weise ist das lediglich eine Frage verhältnißmäßig kürzester Zeit, und hoffentlich wird sich dann auch von der Regierung sagen lassen, daß sie inzwischen gleichfalls das Ihrige gethan haben wird, um das einstweilen noch der primitivsten Verkehrsanlagen entbehrende und nur mit Hülfe eigener Reise- und Lagerausrüstungen zu erreichende und zu bereisende Hochgebirgsasyl des Nationalparks jenes vollkommnen Wildnißcharakters zu entkleiden, in welchem es bis zu dieser Stunde nur solchen Touristen zugänglich war, denen es in ihrem Verlangen nach seinen Wundern selbst auf eine kleine Afrika- oder Australienexpedition nicht ankam.

Wie die 3575 englische Quadratmeilen[3] messende Volksdomäne vor dem bei den Mammuth-Thermen ihre Nordgrenze überschreitenden Yellowstone-Fahrer daliegt, sondert sie sich, wie von selbst, zu ziemlich gleichen Hälften in einen östlichen und einen westlichen Wunderbezirk. Beiden gemeinsam ist, wie schon der grandiosen Mammuth-Thermen-Ouverture, die auf Schritt und Tritt souverain zu Tage tretende Herrschaft der wildesten vulcanischen Schöpfungsgewalten und, im holdesten Widerspruch dazu, das Waldwachsthum, welches, im übrigen Großen Westen der Prairien und der Felsengebirge so gut wie ein vollkommener Fremdling, hier plötzlich in einer Fülle und Allgegenwärtigkeit auftritt, als habe sich’s die Natur zur Aufgabe gemacht, in diesem Alpenheiligthum neben all ihrem Barocksten und Großartigsten auch nicht eine ihrer Lieblichkeiten fehlen zu lassen.

Und ferner ist es beiden Hälften gemeinsam, daß ein Paar


  1. Unter Meilen sind in diesen Artikeln stets englische Meilen verstanden, von denen 46/10 auf die deutsche Meile gehen.
  2. Unter der spanischen Bezeichnung „Cañon“ versteht man die einen so eigenen Charakterzug der Gebirgsländer des Großen Westens bildenden „Steilschluchten“ seiner Flüsse, welche, durch äonenlange Erosionsarbeit entstanden, weder an Höhe noch an Steilheit ihrer Wände in andern Erdtheilen ihres Gleichen haben.
  3. Es ist eben im Congreß auf das Betreiben General Sheridan’s im Werk, die Nationalparkdomäne um weitere 3000 englische Quadratmeilen zu vergrößern, sodaß sie dann an Größe dem Königreich Württemberg gleichkäme.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 570. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_570.jpg&oldid=- (Version vom 11.1.2024)