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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

unseres Landes beigetragen, und zwar nicht allein der moderne Gärtner oder Landbebauer durch Importation und Inculturnahme neuer fremdländischer Arten, sondern es haben sicherlich schon die ersten Ansiedler und nach ihnen alle folgenden die für sie werthvollen Pflanzen aus der ursprünglichen in die neue Heimath mit herüber gebracht, sowie durch theilweis recht weitgehende Handelsbeziehungen sich solche zu verschaffen gewußt.

Doch sehr viel größer als die Zahl der vom Menschen in eigens für sie angelegten Culturen gepflegten fremden Arten ist die Zahl derjenigen, welche ohne den Willen, aber doch durch die Vermittelung des Menschen zu uns gekommen sind, und derjenigen, die, obwohl sie von ihm absichtlich eingeführt worden sind, seiner unmittelbaren Pflege sich entzogen haben.

Von einer großen Anzahl dieser Pflanzen können wir die Heimath, die Zeit sowie die Art und Weise der Ansiedelung angeben, von vielen anderen indessen fehlt uns ein solcher Nachweis – trotzdem lassen sie sich in vielen Fällen deutlich als Fremdlinge erkennen. Dürfen wir nicht mit vollem Rechte schließen, daß eine Pflanzenart von fremder Herkunft und mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Menschen eingeführt worden ist, wenn sie sich nur an solchen Oertlichkeiten vorfindet, die vor dem Erscheinen des Menschen noch nicht oder doch nicht in derselben Weise vorhanden waren? Solche Oertlichkeiten sind aber das beackerte Land, Zäune und Raine, Schuttplätze, Mauern, Wege und Straßen.

So kommen wir zu dem Schluß, daß gerade die Schutt- und Unkrautflora – trotzdem ihre Mitglieder sich so breit machen und damit den Anschein erwecken, als ob ihnen das Gebiet erb- und eigenthümlich gehöre – wie etwa die Melden, die Gänsefuß-, die Mohnarten, die Kornblumen und Kornraden den Stempel fremdländischer Herkunft an sich tragen. Die Zeit der Einwanderung dieser Pflanzen ist in vielen Fällen gewiß eine sehr entfernte – hat man doch einen großen Theil unserer Unkräuter schon aus der Steinzeit constatirt! Auch die Bewohner der Pfahlbauten sahen ihre Getreide- und Leinfelder mit Kornblumen untermischt, deren Samen ihnen zugleich mit denen der Culturpflanzen zugekommen sein mögen.

Von diesen Pflanzen, von denen wir nicht einmal die Zeit der Einwanderung anzugeben vermögen, läßt sich natürlich nicht sagen, auf welche Weise sie ihre Wanderungen vollführt haben – eine Vorstellung von derselben können indessen historisch nachweisbare Vorgänge geben, durch welche zumeist neuerdings unsere Flora bereichert worden ist, wenn auch wieder manche dieser Vorgänge als Ausflüsse des modernen Lebens nicht aus jene entfernten Zeiten der Einwanderung passen können.

Einen sehr großen Theil der jetzt einen Bestandtheil unserer Flora ausmachenden und neuerdings uns zugekommenen fremden Elemente verdanken wir der Verwilderung aus den Culturen. Der Mensch cultivirt Pflanzen zu Nährzwecken, er baut Arzneipflanzen, Gewürzpflanzen, in den Gärten Zierpflanzen, für sein Vieh Futterpflanzen und eine große Zahl von Arten zu technischen und wissenschaftlichen Zwecken, er begrenzt seine Felder durch Heckenpflanzen, er befestigt Ufer, Abhänge und Flugsand durch Pflanzen – kurz, es sind der menschlichen Zwecke bei den Culturen viele, und die Zahl der cultivirten fremden Arten ist eine sehr große. Enthielt doch der botanische Garten zu Berlin im Jahre 1878 nicht weniger als 17,000 verschiedene Pflanzen!

Außerdem gelangt eine bedeutende Menge fremdländischer Pflanzenarten durch unbeabsichtigte Verschleppung seitens des Menschen in’s Land.

Die moderne Landwirthschaft cultivirt nicht allein die schon von den älteren Generationen überkommenen Gewächse, sondern sie nimmt auch neue Pflanzenarten in Cultur, die erst aus fremden Ländern zu uns eingeführt werden müssen. So pflanzt der Bauer der norddeutschen Tiefebene für sein Vieh als Grünfutter mehrere fremde Kleearten, die aus Süd-Europa stammenden Lupinen, seit mehreren Jahrzehnten auch mit Erfolg die in Spanien und Portugal heimische Sorradella, wie auf Kalkboden gern die aus Mitteldeutschland uns zugeführte Esparsette. Mit den aus den Heimathländern importirten Samen dieser Culturpflanzen gelangen auf unsere Felder auch die Samen der Unkräuter jener Länder.

Mit Sorradellasamen wurden so als Unkräuter etwa zwanzig südeuropäische Arten auf unsere Felder gebracht, welche indessen - zum Trost für den Landbebauer und zum Bedauern des Pflanzensammlers - die natürlichen Bedingungen in unserer nordländischen Heimath zu ungünstig finden, um sich hier länger als wenige Jahre zu halten.

Eine noch fremdartigere Flora, weil aus anderen Erdtheilen stammend, führt uns die zur Verschleppung von Samen so recht geeignete importirte rohe Thierwolle zu. Dieselbe wird in unseren Manufacturen von anhaftenden Verunreinigungen, wozu Pflanzentheile, wie Früchte und Samen, einen namhaften Beitrag liefern, befreit, gewaschen und weiter verarbeitet. Die Abfälle aber nebst den Verunreinigungen kommen auf die Felder und Schuttplätze. Auf solche Weise gelangten ganz neuerdings nicht weniger als zehn verschiedene Arten der einen Gattung Schneckenklee (Medicago) - deren Früchte als spiralig aufgerollte Hülsen, häufig außerdem mit Stacheln versehen, leicht anhaften - aus Amerika und Afrika in die Umgebung von Berlin und einiger märkischer Maunfacturstädte.

Indessen will die Zahl unserer durch Wolle eingeführten fremden Pflanzen herzlich wenig bedeuten gegen die an anderen Orten beobachtete ähnliche Verschleppung, wie etwa in mehreren Häfen Südfrankreichs, wo die auf selbe Weise in’s Land gelangten ausländischen Arten nach Hunderten zählen und schon seit mehreren Jahrzehnten die Aufmerksamkeit der französischen Botaniker auf sich lenken.

Es giebt der Arten der Verschleppung noch gar viele, wie es ja auch die Verschiedenheit der Transportgüter, Mittel und Wege nicht anders erwarten läßt. Die Hauptorte des Verkehrs sind immer zugleich die Sammelstellen für verschleppte Arten; die Güterbahnhöfe großer Städte und die Abladestellen in den Häfen wird man nach fremden Einwanderern nicht vergeblich durchsuchen.

Wir wissen von zum Theil recht merkwürdigen Verschleppungen, wie von solchen südamerikanischer Arten durch Guano, ungarischer und südrussischer durch Pferde und Borstenvieh.

Als bemerkenswerth mag hier auch einer unser Land allerdings nicht direct berührenden Art der Verschleppung Erwähnung getan werden, nämlich der durch Vermittelung der Kriege. Eine sehr große Anzahl von fremden Pflanzen wurde im Sommer 1871 und in den folgenden Jahren in Frankreich an verschiedenen Stellen beobachtet, wohin die Samen derselben durch Futtervorräthe, die von den Franzosen besonders aus Nord-Afrika bezogen wurden, gelangt waren. Im Gefolge der deutschen Armeen ist nur eine sehr geringe Zahl von unseren Pflanzen in das Nachbarland verschleppt worden.

Eine andere, allerdings nur wenig in’s Gewicht fallende Ursache der Einführung neuer Pflanzen in unser Gebiet ist deren absichtliche Aussamung seitens der Botaniker, in der Hoffnung, mittelst derselben der heimischen Flora neue Bestandteile zuzuführen.

Um nun zum Schluß unsern Lesern ein Beispiel zu geben von der Wichtigkeit des Menschen für die Einführung neuer Arten, sowie von der strengen Auslese, die der Botaniker in Betreff der Einbürgerung abhält, und endlich von der Beteiligung der verschiedenen Erdstriche an der Zuführung der fremden eingebürgerten Arten, sei es uns gestattet, einige Zahlen mitzutheilen, die wir neuerlich für das Florengebiet der Mark Brandenburg festgestellt haben.

Von 460 Pflanzenarten, die dem obigen Gebiet als fremde Elemente durch menschliche Thätigkeit zugeführt worden sind und die nicht der ausschließlichen directen und beabsichtigten Cultur augehören, sind nur 50 eingebürgerte zu nennen, von denen dem Gebiet durch Verwilderung 33, durch Verschleppung 13, durch beabsichtigle Aussaat 2 und vielleicht 2 durch freiwillige Einwanderung zugekommen sind. Unter diesen 50 Arten haben ihre Heimat in Deutschland (außerhalb der Mark) 17, in Südost-Europa 3, in Süd-Europa 7, in Asien 3, in Amerika 10 und zwar 9 von diesen in Nord-Amerika.

Doch sind nun alle diese aus so verschiedene Art und Weise uns zukommenden fremden Gewächse eine Bereicherung für unsere heimische Flora?

Der Laie wird diese Frage anstandslos bejahen, anders indessen der Fachbotaniker, der unter den verschiedenen Elementen eine gar strenge Auswahl trifft. Ihm gilt als Bestandteil seiner Flora eine fremdländische Art nicht, wenn sie nur vorübergehend in seinem Gebiet auftritt, oder wenn sie sich in demselben nur in unmittelbarer oder mittelbarer Pflege des Menschen erhält.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 567. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_567.jpg&oldid=- (Version vom 3.9.2023)