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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Man hörte das laute Athmen der Kämpfenden, man sah, wie ihre Brust wogte. Der Eine suchte den Andern zurückzudrängen, aber Hansel’s Fuß hatte sich ebenso fest in den Erdboden gestemmt, wie der nägelbeschlagene Schuh des Unterburgsteiners. David’s Gesicht röthete sich mehr und mehr, der Zorn, einen Gegner gefunden zu haben, den er unterschätzt hatte, beengte seine Brust. Hier stand Kraft gegen Kraft, der Ausgang schien allein von der Ausdauer abzuhängen.

Da raffte Hansel sich zusammen, er drängte den Gegner zurück, die Umstehenden wichen zur Seite, jede Muskel seiner Arme trat scharf hervor, noch einmal zuckten sie, da warf er den Unterburgsteiner zu Boden.

Unwillkürlich athmeten alle Umstehenden erleichtert und erfreut auf.

Die beiden Gegner lagen zu Boden. Ihre Brust rang nach Athem. Ihre Kräfte schienen erschöpft zu sein. Ihre Augen, die kaum eine Handspanne von einander entfernt waren, ruhten starr und voll Haß in einander.

„Du hast es gewollt!“ rief Hansel, ließ den Gegner los und richtete sich empor.

Einen Augenblick lang blieb der Unterburgsteiner regungslos liegen. Es war das erste Mal in seinem Leben, daß er geworfen war. Er schloß die Augen, und seine Brust rang nach Athem. Dann griff seine Rechte nach einem Steine, er sprang empor, und Alles vergessend, drang er auf Hansel ein.

Noch hatte dieser von der Anstrengung sich nicht erholt. Als er indessen den Gegner erblickte, als er sah, wie derselbe den Arm erhoben, um mit dem Steine seinen Kopf zu zerschmettern, zuckte er wie vom Blitze getroffen zusammen. Mit einem einzigen Sprunge hatte er ihn unterlaufen und erfaßt, mit der Kraft der Verzweiflung hob er den riesigen Körper empor und schleuderte ihn zu Boden.

Der Unterburgsteiner schrie wild auf vor Schmerz und Wuth. Er raffte sich taumelnd empor, riß ein Messer aus der Tasche und wollte mit demselben auf Hansel eindringen, aber mehr denn Zehn sprangen auf ihn ein, umklammerten seine Arme und entwanden ihm das Messer.

Fast ohnmächtig brach die große Gestalt zusammen, und nur zwei von Allen blieben bei ihm, um ihn zu beruhigen und fortzuführen.

Bleich und von der Anstrengung erschöpft stand Hansel da.

„Ihr hättet ihn ruhig gewähren lassen sollen, denn ich hätte auch sein Messer nicht gefürchtet,“ sprach er zu den Freunden, die jubelnd auf ihn einstürmten.

Sie Alle hatten den Unterburgsteiner gefürchtet und unter dem Drucke desselben gelitten, mit einem Male war dieser von ihnen genommen. Der Große war von einem Burschen geworfen, dem es Niemand zugetraut hatte; laut jubelten sie auf. Triumphirend zogen sie Hansel in das Gastzimmer zurück. Jeder rief nach Wein, um den Helden freizuhalten.

Hansel allein schien über seinen Sieg wenig erfreut zu sein. Erschöpft und vor sich hinstarrend saß er da.

„Ich habe mir heute einen Feind erworben, den nichts versöhnen wird,“ sprach er.

„Du brauchst ihn nicht mehr zu fürchten, er wird Dir ausweichen,“ rief Sepp Plankensteiner.

„Die Feinde, die uns offen entgegentreten, sind nicht die schlimmsten,“ entgegnete Hansel. Die Besorgnisse die ihn erfüllten, wurden indessen bald durch den Wein verdrängt, und kaum eine halbe Stunde später ging’s in der Wirthsstube so lustig zu wie seit Jahren nicht.

Währenddem stieg der Besiegte langsam den steilen Pfad zu dem Unterburgstein empor. Er hatte den Weg manch tausendmal gemacht, und nie war ihm derselbe beschwerlich erschienen, jetzt mußte er mehr denn einmal still stehen, um Athem zu schöpfen und den Schweiß von der Stirn zu wischen, und doch schien die Sonne nicht warm, sondern ein frischer, kühler Wind wehte von Norden her.

(Fortsetzung folgt.)




Das erste allgemeine deutsche Kriegerfest in Hamburg.

Von Harbert Harberts.

Als im vergangenen Jahre Alldeutschlands Sänger nach Hamburg strömten und die guten Hamburger ihre Gäste mit der wärmsten Gastfreundschaft bei sich aufnahmen, da hatte noch Niemand eine Ahnung davon, daß dem schönen Feste bereits in diesem Jahre ein anderes allgemeines deutsches Fest folgen würde, und zwar ein Fest, das durch seine Bedeutung und sein glänzendes Gelingen verdient, in die Annalen der Zeitgeschichte eingetragen zu werden: ein allgemeines deutsches Kriegervereinsfest.

Die Zahl der deutschen Kriegervereine erreicht so ziemlich die der Städte und größeren Ortschaften im deutschen Reich, denn jede Stadt, jedes Städtchen, ja fast jedes Dorf hat seinen Kampfgenossen- oder Militärinvalidenverein. Den Anfang dieser Vereine haben wir über ein halbes Jahrhundert zurück zu suchen, und ihre Wiege steht im Sande der Altmark.

Dort lebte auf seinem adligen Gute ein pensionirter Officier, welcher sein redliches Theil mit dazu beigetragen, die deutsche Erde von den Schaaren des corsischen Welteroberers zu säubern, und der in den ruhmvollen Befreiungskriegen sein Haupt mit Ruhm und seinen Leib mit Narben bedeckt hatte. Er starb, und seine Cameraden in der Nähe, die mit ihm die Strapazen und die Gefahren des Feldzugs getragen hatten, traten zusammen, um ihn mit militärischen Ehren zur Gruft zu geleiten. Die nächste Garnison stand weit entfernt, und so legte man selber die als Heiligthümer aufbewahrten Uniform- und Armaturstücke wieder an, und in ihnen gab man dem Verstorbenen das letzte Geleite. Man trug dem Sarge auf einem Kissen das eiserne Kreuz und den russischen Annenorden nach, die einst die Brust des Helden geschmückt hatten, und über des Kriegers Grab krachten die üblichen drei Ehrensalven.

Die Cameraden aber, die in solcher Weise den Verstorbenen begraben hatten, gaben sich, als sie sich wieder trennten, um ihren täglichen Beschäftigungen von Neuem nachzugehen, das Wort darauf, daß sie Jedem unter sich, im Falle des Ablebens, dieselben Ehren erweisen wollten. Aus diesem äußeren Anlasse entstand der erste Kriegerverein.

Das Beispiel aber fand Nachahmung; in Preußen wie in Baiern und Sachsen entstanden solche Vereine, die sich bald Veteranen-, bald Kampfgenossen-, bald Militärbegräbnißvereine nannten. In Preußen wurden diesen Vereinen besondere Vergünstigungen verliehen; eine königliche Cabinetsordre vom 22. Februar 1842 gestattete ihren Mitgliedern das Tragen von Waffen und einer vollständigen, derjenigen der preußischen Infanterie ähnlichen Uniform. Es lag in der Natur des Verlaufes der Geschichte, daß diese Kriegervereine keine besondere innere Stärke gewinnen konnten, denn den Befreiungskriegen folgte eine lange Friedenszeit, und die alten Mitkämpfer aus den glorreichen Jahren von 1813 und 1814 nahmen an Zahl immer mehr ab.

Da fielen in unsere Zeit die Feldzüge des Jahres 1864 gegen die Dänen, des Jahres 1866 gegen Oesterreich und der heißen Jahre 1870 und 1871 gegen Frankreich. Was damals in Deutschland zum Kriegsdienst verpflichtet war, das stand im Felde, und als der furchtbare Kampf zu Ende war und das Heer wieder heimzog, da kehrten Tausende von den Männern der Reserve und Landwehr zugleich zu ihrem bürgerlichen Berufe zurück, und sie waren es, die der alten Cameradschaft weiter im bürgerlichen Leben gedachten und sich zu Vereinigungen zusammentaten, denen man im Allgemeinen den Namen Kriegervereine beilegte.

Der ideale Zweck dieser Vereine ist, patriotisches Leben und Streben in deren Schooße zu fördern, und damit wird der praktische Zweck verbunden, sich in der Noth echt cameradschaftlich hülfreich beizuspringen.

Die einzelnen Kriegervereine thaten sich wieder zu Kriegerverbänden zusammen; so „Sachsens Militärvereinsbund“, der den König Albert von Sachsen, und „Baierns Veteranen-, Krieger- und Kampfgenossenbund“, der den König Ludwig den Zweiten von Baiern, sowie der „Württembergische Kriegerbund“, der den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_500.jpg&oldid=- (Version vom 10.1.2024)