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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Hammerschläge. Singend und rufend tummeln sich Hunderte von Schwarzen an den Bollwerken und Landungsbrücken, entladen und beladen Fahrzeuge, schaffen Güter von und nach den Magazinen, verpacken Waaren oder säubern die Niederlagsräume. Allenthalben überwachen Europäer die Arbeiten. Boten eilen mit Zetteln hin und her und halten gewissermaßen eine engere Postverbindung zwischen den verschiedenen Dirigenten aufrecht, denn die Verwalter der einzelnen Magazine verlassen ihre so verführerische Schätze enthaltenden Räume nicht, so lange diese dem Verkehre offen stehen. Dem von der Cultur beleckten Afrikaner erscheint Alles als rechtmäßige Beute, was er in Factoreien bei Seite schaffen kann.

Mit einer Unterbrechung um die Mittagszeit währt die vielartige Thätigkeit vom Morgen bis zum Abend. Dann tritt Ruhe ein, obwohl in der Hauptbuchhalterei nothwendige Arbeiten auch noch bei Licht bewältigt werden. An diese Geschäftsräume, von wo aus das ganze Unternehmen geleitet wird, stößt eine große offene Halle, wo die Europäer, mit Ausnahme einiger, welche im südlichen Gehöft leben, ihre Mahlzeiten einnehmen. Sie speisen an zwei langen Tafeln: an der einen und größten haben die höheren Beamten und Gäste ihre Plätze, an der zweiten essen die übrigen Angestellten, die nach Beendigung der Mahlzeit die Halle verlassen.

An der Haupttafel dagegen, namentlich wenn Gäste anwesend sind, rücken später die Herren zwanglos zusammen und pflegen bei einem Glase des in diesem Klima so wohlthätigen, sogar nothwendigen portugiesischen Landweines und einer Pfeife Tabak anregender Unterhaltung. Der Chef des Hauses und sämmtlicher dazu gehöriger Factoreien, Herr A. de Bloeme, und sein Vertreter Herr de la Fontaine-Verwey, sowie die Vorsteher der verschiedenen Departements: die Herren Anema, Gray, Consul van Wettern, W. Develle (ein Landsmann aus Köln) leisten den Gästen in liebenswürdigster Weise Gesellschaft. Besucher von anderen Factoreien finden sich ein sowie Capitaine und Ingenieure von eingekommenen Schiffen. Zur günstigen Zeit trifft man in Banana auch wohl Beamte des Hauses, die sonst in fernen Factoreien und Plätzen leben: Herrn Greshoff aus Boma, Abtheilungschef der Factoreien am oberen Congo, Herrn Consul Niemann, die gleiche Stellung zu St. Paul de Loanda in Angola bekleidend; Herrn Reïs aus Ponta da Lenha, früher am Kuilufluß; Herrn Kamerman aus Ambriz, einst getreuer Nachbar unserer Station Tschintschotscho; Herrn Chaves von Muanda, den unverwüstlich fröhlichen Sänger der Küste. So begegnet man unverhofft wieder manchen lieben alten Bekannten, darunter lebensfrischen Männern, die länger denn ein Jahrzehnt an der Küste heimisch sind und von Afrika nicht lassen. Unter solchen Umständen wird die Unterhaltung ungemein lebhaft. Zustände und Ereignisse der Küste werden besprochen, Abenteuer erzählt, Erinnerungen ausgetauscht. Nicht selten herrscht in dem fröhlichen Kreise ein wunderbares Sprachgewirr, da oft holländisch, portugiesisch, deutsch, englisch, französisch zugleich gesprochen wird. Wer anderweitige Vergnügungen liebt, begiebt sich nach einem Nebengebäude, wo in großem luftigem Gesellschaftszimmer ein Billard und Pianino locken.

Auf unwillkommene Gäste ist das holländische Haus ebenfalls eingerichtet, wie eine an der Hafenseite verdeckt stehende kleine Batterie von Schiffsgeschützen beweist. Zur Zeit des Sclavenhandels haben die Eingeborenen trefflich gelernt, Raubzüge zu unternehmen. Noch vor drei Jahren wagten sie, eines Morgens in Canoes heranschleichend, einen Ueberfall auf die der holländischen unmittelbar benachbarte französische Factorei. Als Flußpiraten liegen sie immer auf der Lauer, um abgelegen im Fluß ankernde oder auf den Grund gerathene Handelsfahrzeuge zu plündern. Selbst wohlbewaffnete Schiffe haben sie anzugreifen sich erdreistet, und die Chronik des Congo berichtet von manchen Beraubungen und blutigen Vorgängen. Derartige Uebelthaten zu strafen und Sicherheit für den Handel zu schaffen, sind englische Kriegsschiffe zuletzt in den Jahren 1875 und 1877 mit Waffengewalt auf dem Congo vorgegangen.

Freilich läßt sich damit nicht viel erreichen. Denn das von Wasseradern durchzogene versumpfte Waldland der Niederung bietet dem mit Canoes, Steinschloßflinten und Pulver reichlich versehenen Raubgesindel ausgezeichnete Verstecke, sowie zahllose Wege zur Flucht. Durchstreift man zu Boote die Niederung oder befährt auf Dampfern den Hauptstrom, so lernt man die Schwierigkeiten der Aufspürung und Verfolgung vollauf würdigen.

Den Altwasserarm einige Kilometer weit hinabfahrend und dann um den mit stattlichen Mangroven bestandenen Bulambemba Point (etwa: Echospitze) nach Osten biegend, hält sich der Dampfer an der Nordseite der vier bis acht Kilometer breiten Wasserfläche, die zu beiden Seiten von dunklen Wäldern begrenzt wird. Als schlanke, dreißig Meter hohe Bäume oder als undurchdringliches Gebüsch beschatten Mangroven den Sumpfboden, alle übrigen Holzgewächse ausschließend. Pandanusforste umsäumen die wirren Bestände. Auf Strecken festeren Bodens, wo das Schwemmland über den mittleren Stand des Wassers emporgewachsen ist, haben sich an Stelle der zu Grunde gegangenen Rhizophoren buschreiche Waldwiesen gebildet, geschmückt mit Gruppen anmuthiger wilder Dattelpalmen und stattlicher Wollbäume; selbst breitästige Affenbrodbäume haben hier und dort Raum gefunden. Schön blühende Hybiscusbüsche und großblätterige Ficusarten umkränzen das Ufer und hängen ihr Gezweig in das rasch strömende Wasser. Schlinggewächse überspinnen Busch und Baum. Allenthalben öffnen sich Buchten und Einschnitte an den nur durch die Vegetation kenntlich gemachten Uferstrecken, und Seitenwasser zweigen sich ab, die man in der Regel erst entdeckt, wenn Canoes in dem Pflanzengewirr ein- und ausschlüpfen.

In ruhiger Fahrt immer dem Nordufer folgend, passirt der Dampfer zwei dem Ufer angeschmiegte Inselchen, die Kalb- und Bulleninsel; auf letzterer sieht man im glücklichen Fall das erste Krokodil, ein wohlbekanntes, ziemlich großes Thier, welches die westliche Sandspitze seit vielen Jahren zu seinem Ruheplatz erwählt hat.

Man bemerkt überhaupt auffallend wenige Thiere. Affen zeigen sich kaum noch an den Verkehrswegen in der Niederung, die Hippopotamen haben sich in entlegene Canäle zurückgezogen. Selbst die Vogelwelt ist recht arm. Der gemeine angolensische Adler hockt hier und dort auf einem Aste oder streicht trägen Fluges über den Fluß, etliche Gänse und Enten ziehen vorüber, ein Schlangenhalsvogel oder Reiher wird aufgetrieben. Lärmende Graupapageien kreuzen, namentlich des Morgens, von Ufer zu Ufer, und ein Schwarm grüner Tauben schwirrt gelegentlich am Waldrande hin. Oberhalb der Mangrovenbestände, wo der Fluß inselreicher, die Landschaft offener wird, erscheint vor allem das Wassergeflügel zahlreicher und man erblickt öfters abseits rastende, jedoch sehr wachsame Krokodile, die in der Regel eilig in das Wasser gleiten.

Nichtsdestoweniger bleibt die Reichhaltigkeit des Thierlebens hinter aller Erwartung zurück, und wer die Jagd mit einigem Erfolge betreiben will, muß zu Boote die Seitengewässer aufsuchen, obwohl auch dort alles Wild sich schell verbirgt und schwierig zu erlegen ist.

Stromauf von der Bulleninsel tauchen an beiden Ufern im gelichteten Walde neu angelegte kleine Factoreien auf. Die Oertlichkeiten, von Wasser und Sumpf umgeben, besitzen nichts Einladendes. Vor zwei Jahrzehnten noch standen an diesen Stellen die Gehöfte von Sclavenhändlern. Von hier aus konnten sie den Congo bis zur Mündung überblicken und, wenn englische Kreuzer ihnen den Weg versperrten, ihre mit Menschen befrachteten Fahrzeuge durch Canäle der nördlichen Niederung ungesehen bis an das Meer schaffen.

Nun beginnen Bänke und Inseln das Fahrwasser zu beschränken, und der Dampfer hat Umwege einzuschlagen. Die Lage der Untiefen verändert sich überdies rasch und wechselt fast mit jedem Hochwasser; selbst Inseln verschwinden in wenigen Jahren und entstehen wieder ebenso schnell an anderen Orten. Von den schwindenden Inseln und Bänken wie von unterwaschenen Uferstrecken heben die Fluthen die des Haltes beraubte Vegetation ab und tragen sie mit sich hinaus in das Meer. So entstehen die vielgenannten schwimmenden Inseln des Congo, die zuweilen bis hundert Schritt im Durchmesser halten mögen, in der Regel aber viel kleiner sind. Es sind in der Hauptsache hohe Gräser und Büsche, die, durch ihr Wurzelgewebe verbunden, aufrecht wie sie wuchsen von dannen treiben. Größere Bäume finden natürlich in der schwimmenden Pflanzendecke keinen Halt, sondern sinken um; doch sieht man bisweilen über armdicke Bäume Wind und Wellen zum Trotze das Gleichgewicht bewahren.

Flache, mit hohen Gräsern und verstreutem Gebüsche bestandene Inseln zur Rechten lassend, läuft der Dampfer in den nördlichen Arm des Hauptstromes, der hier immer noch die Breite

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_487.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2023)