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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Einzelne ursprüngliche Räderfahrzeuge haben sich indessen noch nicht verdrängen lassen, und dienen sie auch nur dem Kleinverkehr, so bieten sie immerhin doch noch Interesse genug, um ihrer Erscheinung einige Worte zu widmen. Es sind die „Dippewagen“ und die „Körbewagen“.

Der Dippewagen (Dippe, Topf) ist eine Landeseigenthümlichkeit des Rheingebietes. Vom Fuße des Westerwaldes herab, aus dem „Krug- und Kannenbäckerlande“ (vergl. „Gartenlaube“ 1855, S. 148; 1867, S. 108) führt er das nöthige Töpfergeschirr den Haushaltungen zu, und da er besonders die schweren steinernen Geschirre herbeischafft, welche die „rührig waltende Hausfrau“ zum Einmachen der Gurken, der Früchte, wohl auch des nationalen Sauerkrauts (Kappes) bedarf, so erscheint er zumeist gegen den Herbst hin, hier und da auch im Frühjahr, um den Winterbruch im Hausrathe zu ergänzen.

Da steht denn in dem Rheindörfchen auf der Hauptstraße – häufig auch noch in den größeren Städten des Rheines, besonders zur Zeit der Messen und Jahrmärkte – der hochaufgeladene „Dippewagen“, und die sorgsame Hauswirthin sucht dort den Ersatz für den abgängigen Hausrath, sorgsam prüfend, ob das „Dippe“ auch hübsch ganz ist. Dies geschieht durch starkes Aufklopfen auf den hoch empor gehaltenen Topf, nicht selten mit dem Ehering, und weithin schallt der helle Ton des so untersuchten Steingeräthes.

Der rheinische „Kerbwage“.
Originalzeichnung von Ferdinand Lindner.

Es sind allerdings nur Kleinhändler, welche jetzt noch diesen Hausirhandel betreiben, denn für den eigentlichen Fabrikanten, der früher mit solchen Wagenladungen weit hinaus in’s Land zog, bietet sich durch Bahnverkehr und Waggonverladung heute Gelegenheit genug, seine Waare an den Mann oder an die Hausfrau zu bringen. Kaum daß noch ein kleiner Fabrikant selbst mit seinem Gespann hinausfährt, um seine gewerbliche Leistung, häufig „Koblenzer Geschirr“ genannt, höchsteigen zu verschleißen.

Droben in Höhr, in Grenzhausen, in Wirges, wo die Millionen unserer steinernen Mineralwasserkrüge gefertigt werden, ist die Heimath der Dippebäcker, der Ort, wo das „Steinzeug gebacken“, das heißt gebrannt wird.

Die weiße Thonmasse, welche im Brand grau wird. wird da droben durch Smalte[1] mit Malereien geschmückt, Malereien, die früher sehr bedeutend, dann durch den Rückgang des Kunstgewerbes sehr primitiv waren, sich nach und nach aber einer künstlerischen Zeichnung wieder zu nähern beginnen. Die äußere Glasur wird durch Verdunstung von Kochsalz in Hitze erzeugt, das heißt in Oefen gebrannt. Die während des Brennens entstehende Chlorentwickelung verflüchtigt alle oberflächlichen Eisenbestandtheile, wodurch sich die in Zeichnungen aufgetragene Smalte zu einem schönen Kobaltblau herausbildet.

Es sind wohl ein halb Dutzend Ortschaften, welche von der Krugbäckerei leben, und fast alle Versuche, die heilsamen Wasser des quellenreichen nassauer Ländchens in Flaschen zu versenden, scheiterten bisher an der Sorge um die Existenz jener Orte, welche in der Kannenbäckerei ihre Haupterwerbsquelle finden.

Mit nicht genug hervorzuhebender Sorgfalt hat denn auch die Regierung Preußens in Grenzhausen-Höhr eine keramische Fachschule errichtet, an deren Spitze der sehr tüchtige Direktor und Lehrer Herr Heinrich Meister steht. Diese Schule soll den jungen Leuten die Möglichkeit erschließen, ihr Handwerk mehr in kunstgewerblichem Sinne auszubeuten, und heute schon bringen Höhr und Grenzhausen Gegenstände hervor, die zum Schmuck unserer in neuerer Zeit wieder altdeutsch eingerichteten Gemächer wesentliche Ziergegenstände bilden. Daneben wird indessen das Nothwendige zum Hausbedarf für die kleineren Fabrikanten stets

seinen Verkaufswerth behalten. Durch Haltbarkeit, Sauberkeit und


  1. Smalte, ein durch Kobaltoxydul stark blau gefärbtes Glas, welches gemahlen als Farbe benutzt wird.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_409.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2024)