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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Woche vor der Hochzeit mit jener Sorgfalt und Pünktlichkeit eingerichtet, die ihr den Ruf der besten Hausfrau ihres Bekanntenkreises erworben hatten.

Die glänzende Politur der Möbel, deren eigenthümlicher Duft noch stark ausströmte, der saubere Anstrich des Fußbodens, der Glanzlack von Thüren und Fenstern, die matten und doch still und behaglich leuchtenden Farben der Portièren – Alles stimmte und gab ein Gefühl von Nähe, Sicherheit und Traulichkeit, das das Glück und innige Wohlgefühl der beiden heimlichen Bewohner nur vermehrte. Eine Magd war noch nicht vorhanden, doch hatte der Assessor im Vorgefühl seines Sieges den Stiefelputzer, ein altes Studentenfactotum, nicht abbestellt. Er war am ersten Morgen ganz wie gewöhnlich, mit Bürstentasche und Klopfstock gekommen und hatte gegen ein gutes Trinkgeld die nothwendigen häuslichen Besorgungen übernommen. Dennoch war die junge Frau genöthigt, selbst ein wenig Hand anzulegen. So hatte sie in gehobener Glücksstimmung das erste Feuer in dem hübschen Kamin selbst entzündet. Es war wie ein Dankopfer – auch wollte sie keinen frostigen Anfang. … Und der junge Gatte hatte daneben gestanden, die Hände in einander gelegt, und hatte den Rauch kerzengerade im Kamin aufsteigen sehen, und tausend Wünsche für das Wohl des lieben, ihm anvertrauten Wesens, das sich jetzt so fest und zuversichtlich an sein Herz schmiegte, als wäre der Platz sein Eigenthum nicht für die kurze Erdenpilgerfahrt, sondern auf Ewigkeiten hinaus, waren mit den blauen Ringeln aufgestiegen.

Mittags hatte man in einem Restaurant gegessen, und dann mit einander durch die stilleren und entfernteren Theile des Stadtparkes einen Spaziergang gemacht. Von solchem war man soeben zurückgekehrt. Das Glück strahlte auf Beider Wangen. Die junge Frau erschien größer, äußerlich vollkommener erblüht, sie trat fester auf und dabei war der Ausdruck des Gesichtes doch noch sanfter, hingebender, besonders wenn sie, was gar sehr oft geschah, den Gatten anblickte. Dieser hatte den Ueberrock bald mit einem Schlafrock vertauscht, so neu und elegant und kleidsam, wie ihn nur junge Ehemänner tragen. … So trat er leise an Marie heran, die soeben die Spiritusmaschine entzündete, um den Thee zu bereiten. Hurtig und geschickt hatte sie bereits die Tassen bereit gestellt, dazu zierlichen kalten Aufschnitt, den der schnurrbärtige Hausgeist aus dem nächsten Budikerladen geholt hatte. Es stand Alles wie gewachsen auf dem Tische – nur das Wasser kochte noch nicht.

„Das macht das Hinsehen – wenn man darauf wartet, dauert es noch einmal so lange!“ meinte die junge Frau küchenweisheitsvoll, und sah absichtlich hinweg und überschaute wieder und wieder das trauliche Zimmer mit seinen hübschen neuen Möbeln, bis ihr Blick oben an der Decke hängen blieb, wo die lustigen Halbschatten der antik geformten Lampe ihren Elfenreigen tanzten. … Und so hatte sie es nicht gemerkt, daß der Gatte hinter ihr stand – bis er seinen Arm um sie legte. Da gab es ein minutenlanges Küssen. … Und diesen glücklichen Augenblick benutzte der von hausmütterlicher Aufsicht befreite Kessel, um aufrührerisch zu werden und ungeberdig überzuquellen. …

Die junge Frau löschte den Spiritus und schob dem Gatten die Tasse hin. „Für den Hausherrn“ stand darauf, wie „Für die Hausfrau“ auf der ihrigen. Welche stolze Würde gab das Wort! Und dabei wirkte es mahnend: sie hatten aufgehört Einzelwesen zu sein, waren nun Ganzes geworden und gehörten einem Ganzen – dem Hause – an.

Die junge Frau schnitt das Brod und legte dem Gatten die zierlichen Schnitten auf den Teller.

„Hier auch die Butter, als Ehemann magst Du sie immerhin nun anschneiden!“

Der Gatte lachte und machte auch von diesem Ehestandsprivilegium ausgiebigen Gebrauch.

„Wann wollen wir denn eigentlich zurückkehren von – unserer Hochzeitsreise?“ frug Gustav jetzt lachend, indem er sich bequem in den Sessel zurücklehnte.

(Fortsetzung folgt.)




Am Einsprung.

Ein Bild aus dem Thierleben des Waldes.
Von F. Lindner.

Eine tief in der volksthümlichen Anschauung wurzelnde, theils aus dem Zusammenleben mit den Hausthieren, theils aus der Beobachtung des Thierlebens überhaupt hervorgehende Neigung des Menschen ist die, den Regungen der Thierseele menschliche Beweggründe und menschliche Strebungen unterzulegen – eine Neigung, welche ja in unseren Märchen und namentlich in unserer Thiersage einen poetisch verklärten Ausdruck gefunden hat. Doch brauchen wir nicht in das Gebiet der Poesie hinüberzugreifen, sondern einfach nur das wirkliche Leben der Thiere zu belauschen, um dieselben oft in Situationen anzutreffen, welche in der That mit menschlichen eine frappante Aehnlichkeit haben.

Ich will dem Leser heute eine solche, die ich selbst zu beobachten Gelegenheit hatte, vorführen, und zwar eine, welche nicht nur in ihrem unmittelbaren Eindruck von vollendeter dramatischer Wirkung war, sondern auch in ihrem Abschluß der Tragik nicht entbehrte.

Es war an dem Spätnachmittage eines prächtigen Septembertages – ein tiefblauer Himmel spannte sich über den gewölbten Bergrücken des Teutoburger Waldes aus; bis weithin zum Wesergebirge lag die liebliche Landschaft in leuchtendem Farbenschmucke und vor uns öffnete sich das tief beschattete Haidenthal, in das wir, ein wegkundiger Forstmann und ich, jetzt eintraten, um über das Gebirg zu steigen und jenseits, an einer alten Kampfstätte, die Hirsche kämpfen zu sehen, vorausgesetzt, daß uns das Glück hold war, dem sich der Waidmann jederzeit anvertrauen muß.

Das Laub der herrlichen Buchen im Haidentale, welche zu den schönsten des Gebirges gehören, hatte jene warme Färbung angenommen, welche dem Grün eine malerische Abwechslung gewährt und den nahenden Herbst verkündet. Links und rechts über uns stiegen die von geheimnißvollen Seitenthälern durchschnittenen Berge empor, und endlich mündete der Weg zwischen riesenhaften Lärchbäumen in eine finstere, steil aufstrebende Schlucht ein, zwischen deren zerrissenen Wänden wir auf ein grünes, mit hellen Wiesen bedecktes Plateau und damit auf die Höhe des Gebirges gelangten, von der wir jenseits zwischen Buchen und Eichen sogleich wieder den Abstieg begannen.

Weit hinein blickte man in den dämmerigen Forst; mannshohe Farren, da, wo sie von verlorenen Sonnenstrahlen getroffen wurden, hell schimmernd, füllten in dichten Massen den Raum zwischen den grauen Stämmen, und der moosige Boden athmete den halb kräftigen, halb moderigen Waldesduft aus, der aus den feuchten Blätterlagen des gefallenen Laubes hervorquillt.

Ab und zu hemmten wir unsere Schritte und lauschten – ob nicht vielleicht, wenn auch von fern her, das Tönen eines Hirsches zu uns herüber dränge – aber vergebens, das Klopfen eines Spechtes, der Schrei eines Raubvogels, welcher hoch über uns seine Kreise zog – das war Alles, sonst lag tiefe Stille über dem Gebirge.

Allmählich begann sich die Scenerie zu ändern, je tiefer wir hinabstiegen; würziger Geruch von Coniferen strich uns entgegen, das Haidekraut beherrschte den Boden mehr und mehr, und Sandstürze schimmerten unter den Abhängen hervor. Als wir in der „breiten Naht“, einem flachen Einschnitte des Gebirges, anlangten, befanden wir uns schon auf braunem Haideboden und von hohen Fichten und Kiefern umgeben – nur mitten in der freien Fläche erhoben sich melancholisch drei alte verwetterte Eichen, gewiß die Ueberreste eines alten Eichenwaldes, der von den Nadelbäumen, den begünstigten Freunden der Haide, verdrängt wurde.

Und nun nahten wir dieser selbst, von fern her schimmerte es schon licht durch die Bäume – noch wenige Schritte, und frei schweiften unsere Blicke über die scheinbar unbegrenzte Fläche. Es ist eine der charakteristischesten und apartesten Schönheiten des Teutoburger Waldes, daß seine grünen Berge unvermittelt in

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_384.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2024)