Seite:Die Gartenlaube (1883) 346.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

hierzu erforderlichen Geldmittel aufgebracht werden können, alle Schwierigkeiten zu überwinden wissen, und in zwei bis drei Jahren sind vielleicht an Grönlands Ostküste, auf den Inseln nördlich Nowaja-Semljas bis zum 85° nördlicher Breite hin Etappen angelegt, welche den weiteren Forschungen nach Norden den durchaus erforderlichen Rückhalt und Nachschub gewähren.

Die Beobachtungen zahlreicher Stationen, die Möglichkeit, sich durch die optischen Telegraphen, vielleicht mit Hülfe zeitweise zu besetzender Zwischenstationen, zu verständigen, oder auch gar directe Uebersendungen von Nachrichten werden es später zulassen, rechtzeitige Berichte nach den Häfen des nördlichen Europas oder Südgrönlands zu senden, die sich über die Möglichkeit und die Vermuthung aussprechen dürften, daß sich für den Sommer des betreffenden Jahres die Eisverhältnisse für ein weiteres Vordringen zu Schiffe günstig gestalten möchten. In Folge hiervon könnten dann die in diesen Häfen völlig zur Abfahrt bereitliegenden Expeditionsschiffe alsbald gegen Norden steuern, um es entweder selbst zu versuchen, auf eigene Faust vorzudringen, oder von irgend einer zu erreichenden Station aus die Reise zum Pol zu unternehmen.

Die Mitführung eines kleinen Ballon captif zu Recognoscirungen könnte das Auffinden offenen Wassers wesentlich erleichtern, auch ließe sich in einer Höhe von vielleicht nur 500 Metern ein Ueberblick gewinnen, der gewiß zur weiteren Aufklärung der arktischen Verhältnisse dienen würde. Eine Recognoscirung mit dem Ballon erfordert aber völlig windstilles Wetter und werden wohl die Tage nicht allzu häufig sein, an welchen die Witterung ein derartiges Unternehmen gestattet.

Schließlich wird aber auch dem Vordringen zu Schiff, mit Booten oder auf Schlitten vielleicht ein unüberwindliches Halt zugerufen werden. Eine letzte Station ist dann provisorisch einzurichten; von dieser aus erfolgt das allein nur noch mögliche Vorwärts mittelst eines dynamischen Luftschiffes. Ein festliegendes geschütztes Eisfeld giebt wiederum den nöthigen Raum für das zur Vorbereitung der Luftreise erforderliche Gebäude. Ein günstiger Wind – der Aërostat entschwindet nach Norden, um nach Erreichung des Zieles entweder mit einer anderen südlich wehenden Luftströmung zurückzukehren, oder (wenn das lenkbare Luftschiff wirklich erfunden sein wird), seine Eigengeschwindigkeit gebrauchend, die eisige Luft in der Richtung seines Ausganges zu durchfurchen. Für alle Fälle ist das Luftschiff mit einem kleinen Boot, mit einem Schlitten und mit einem dreißigtägigen Proviant zu versehen, damit auch im Fall eines Verlustes des Ballons beim Landen die Rückreise ermöglicht werden kann. Das Gewicht aller dieser Gegenstände gestattet dann aber sicherlich nur die Beförderung eines oder höchstens noch eines zweiten Reisenden. Wer wird sich zuerst einem Aërostaten in jenen Zonen anvertrauen? Freundlicher Leser, frage dein eigenes Herz! F.     




Ueber die Erlernung fremder Sprachen aus Büchern.

Welches Lehrbuch wähle ich am zweckmäßigsten für die Erlernung dieser oder jener fremden Sprache? Welche Methode ist hierfür die empfehlenswertheste, die am schnellsten und dabei doch zugleich auch am sichersten zum Ziele führende? Ist es überhaupt möglich, aus Büchern – und nur aus solchen – eine Sprache zu erlernen? und wie viel Zeit nimmmt die Erlernung bei mittleren Anlagen und ausdauerndem Fleiße in Anspruch?

Derartige fortwährend bei der Redaction der „Gartenlaube“ aus den verschiedensten Kreisen einlaufende Anfragen geben Zeugniß dafür, wie weit verbreitet und wie tief empfunden das Bedürfniß und der Drang nach Erlernung fremder Sprachen bei uns ist. Um so zweckmäßiger und ganz der „Gartenlaube“ entsprechend erschien darnach ein zusammenfassender Aufsatz, der nicht nur den vielen einzelnen Fragestellern willkommen sein wird, sondern hoffentlich auch dem weit ausgedehnten Leserkreise dieses Blattes überhaupt, wohl Manchen eine erwünschte Anregung gebend und die Betheiligten zugleich vor schwindelhafter Ausbeutung gläubigen Vertrauens warnend und bewahrend, wie andererseits ihnen das wahrhaft Empfehlenswertheste empfehlend.

Der ehrenvollen Aufforderung der Redaction zu einem solchen Aufsatze bin ich mit Freuden nachgekommen, und theile im Folgenden nach bestem Wissen und Gewissen die Ergebnisse einer auf sorgfältige und eingehende Prüfung sich stützenden vieljährigen Erfahrung mit.

Ich beginne mit der sogenannten Methode „Toussaint-Langenscheidt“, mit der ich mich besonders eingehend vertraut zu machen vielfach Gelegenheit gehabt. Toussaint und Langenscheidt, die beiden Verfasser des „brieflichen (französischen) Sprach- und Sprechunterrichts für das Selbststudium Erwachsener“, erheben – wie sie in ihrem „Prospect“ freimüthig bekennen – durchaus nicht den Anspruch, eine „neue“ Unterrichts- und Lehrweise „erfunden“ zu haben; sie haben vielmehr nur die für Erwachsene als besonders erprobt bewährten Lehrarten von Jacotot, Hamilton und Robertson zu einem in sich gegliederten Ganzen verbunden. Was sie aber als ihr eigenstes Verdienst dabei in Anspruch nehmen und mit vollstem Recht in Ansprach nehmen können, ist die umfassende und bis auf das Einzelnste und Feinste sorgfältige und genaue Darstellung der Aussprache mittelst eigener, leicht dem Gedächtniß sich einprägender Zeichen.

Ich theile hierfür das Zeugniß mit, das Dr. F. Booch-Arkossy im Vorwort seines weiter unten zu besprechenden „Lehr- und Lesebuches der französischen Sprache“ abgegeben hat in der Anerkennung, das durchgeführte Aussprachesystem in den mit allseitigem Beifall aufgenommenen Unterrichtsbriefen von Toussaint und Langenscheidt habe sich so ausgezeichnet bewährt, daß auch das als classisch anzuerkennende große „Encyklopädische französisch-deutsche und deutsch-französische Wörterbuch“ von Sachs und Villatte diese Darstellung angenommen und durchgeführt hat.

Ich hebe nun aus dem Toussaint-Langenscheidt’schen „Prospect“ folgende Stellen aus:

„Jedes Lebensalter über vierzehn bis sechszehn Jahre befähigt zur selbstständigen Theilnahme am Unterricht.“

„Vorkenntnisse oder besondere Fähigkeiten werden nicht vorausgesetzt.“

Daß jeder Erwachsene, der deutsch Geschriebenes zu lesen und zu verstehen im Stande ist, sich mit dem vollen Vertrauen, das vorgesteckte Ziel auch wirklich zu erreichen, an dem Unterricht betheiligen kann, ist ein wesentliches und kennzeichnendes Merkmal der im Langenscheidt’schen Verlage erschienenen Sprachbriefe. Alles, was für den zu erreichenden Zweck erlernt werden muß, findet sich an der geeigneten Stelle vollständig in der einfachsten und faßlichsten Weise erklärt und aus einander gesetzt. Der Lernende braucht an Kenntnissen Nichts als das Verständniß des in deutscher Sprache klar und deutlich Dargelegten mitzubringen. Dagegen wird andererseits eine tüchtige Willensfestigkeit und Stärke vorausgesetzt, die sich in anhaltendem Fleiß und zäher Ausdauer zu bethätigen hat.

„Will man zum Ziel gelangen,“ heißt es in dem Prospecte, „so muß gründlich und eifrig hinter einander gelernt werden. Wer ‚etwas‘, ein wenig Englisch oder Französisch treiben will, fange lieber gar nicht an. Ohne eine gewisse Selbstüberwindung, ohne den festen, unerschütterlichen Vorsatz: ‚Du willst die Sprache gründlichst erlernen‘, kommt man nicht zum Ziele; warm muß man beim Lernen werden. Und von den Elementen an muß das Studium unausgesetzt fortgeführt werden.“

Sowohl die englischen wie die französischen Unterrichtsbriefe enthalten je sechsunddreißig Briefe in zwei Lehrstufen, von denen der Prospect die erste als Nothbehelf für das dringendste Bedürfniß, die folgende als unerläßliche Ergänzung zu einem festen, sichern Wissen und Können bezeichnet. Für jeden Brief wird bei mittlern Fähigkeiten und einem täglichen fleißigen und beharrlichen Studium von anderthalb bis zwei Stunden die Zeit von vierzehn Tagen in Anspruch genommen, also für jede Lehrstufe von achtzehn Briefen etwa neun Monate, das heißt für die beiden Stufen anderthalb Jahre.

Man ersieht hieraus wohl, wie entfernt die Verfasser davon sind, in Denen, die sich ihrem Unterricht anvertrauen wollen, trügerische Hoffnungen zu erwecken. Man vergleiche damit, was Booch-Arkossy in dem Vorwort zu seinem schon erwähnten Lehr- und Lesebuch der französischen Sprache über die erforderliche Dauer

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_346.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2024)