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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

stammen auch jene oft citirten Verse Richard Wagner’s, mit welchen dieser seinen treuen Freund, „seinen Nibelungen-Musikmeister“, den „Siegfried unter den Geigern“ besang: „Volker der Fiedler ward nun neu!“ etc.

Ungeachtet seiner kräftigen Constitution konnte er jedoch den Ueberanstrengungen, die ihm seine neue Thätigkeit brachte, nicht Trotz bieten: er erkrankte lebensgefährlich, was die längere Entsagung von der Ausübung seiner Kunst zur Folge hatte. Nach der Genesung ging er wieder nach London, diesmal die großen Krystallpalastconcerte von A. Manns verherrlichend. Eine schmeichelhafte Einladung lockte ihn dann auf’s Neue in das Land des ewig blauen Himmels. Thatkräftig trat er für die deutsche Kunst ein, und eine Reihe von Abenden für deutsche Kammermusik (März 1878) zog ihm die seltene Auszeichnung der Ernennung zum Ehrenmitglied der berühmten Società di Quartetto der alten Lombardenstadt Mailand zu. Das Vaterland Paganini’s erklärte ihn für den ersten Geiger der Welt!

Nachdem Wilhelmj so in Europa als rühriger und berufenster Apostel deutscher Kunst sich überall bewährt, entschloß er sich zu jener großen Fahrt über den Ocean, um in Amerika die Weltreise, für die er von Jugend auf geschwärmt, zu beginnen. Ende September 1878 spielte er zum ersten Male in der „Steinway-Hall“ zu New-York – mit geradezu fabelhaftem Erfolge! Von Stadt zu Stadt aber vermehrten sich auf seinem Zuge durch den Norden und Süden der neuen Welt die Triumphe.

Mit Ehren überhäuft, begab er sich dann nach Neuseelaud und Australien, woselbst ihm gleichfalls Ovationen zu Theil wurden, die jeglicher Beschreibung spotten. In einzelnen Städten wurde er sogar zum Ehrenbürger ernannt! Darauf reiste August Wilhelmj nach Asien. Alexandrien und Kairo konnte er der ägyptischen Wirren halber nicht besuchen, sodaß er sie nur passirte, um direct nach London zu gehen, von wo er im Juli 1882 in seine Heimath an den Rhein zurückkehrte. Die zahlreichen und werthvollen Sammlungen, die er auf seiner großen Wanderung um die Erde erworben, sind in seiner Villa bei Mosbach-Bibrich am Rhein aufgestellt.

Mit dieser Reise um die Welt aber hat Wilhelmj den Traum seiner Jugend verwirklicht, das Ziel seiner Wünsche erreicht: in allen Zonen der Erde hat derselbe gestanden als treuer Priester deutscher Kunst zum Ruhme und zur Zierde deutscher Cultur. Der kunstsinnige Großherzog von Baden war der erste Regent Deutschlands, welcher „in Anerkennung der unvergänglichen Verdienste um die deutsche Kunst im Auslande“, dem Künstler die seltene Decoration des Comthurkreuzes des Verdienstordens vom Zähringer Löwen verlieh. Durch diese Weltreise ist Wilhelmj’s Name in eminentestem Sinne „weltberühmt“ geworden![1]

Sein erstes Wiederauftreten in Europa fand am 15. December 1882 im Cursaale zu Wiesbaden statt. Das Publicum begrüßte den sieggekrönten Meister stehend, und das Orchester intonirte unter allgemeinem Jubel eine Fanfare. Gegenwärtig befindet sich Wilhelmj auf einer Kunstreise in Deutschland, überall Triumphe feiernd, wie sich ähnlicher wohl nur Liszt und Paganini zu rühmen haben.

Wir vermögen unseren Aufsatz nicht zu schließen, ohne das Gebiet von Wilhelmj’s musikalischer Bedeutung flüchtig gestreift zu haben.

Anerkannt steht derselbe als Kammermusiker auf gleich hoher Stufe, wie als Solist. Die letzten Quartette Beethoven’s namentlich, auch die Werke der neuen Tondichter, gehören zu seinen hervorragenderen Leistungen. Altmeister Johann Sebastian Bach aber hat in Wilhelmj den mächtigsten Interpreten gefunden. Nach dem Vortrage der „Chaconne“ sagt einst Richard Wagner, zu Thränen gerührt, zu ihm:

„Reden kann ich nicht, lieber Wilhelmj, aber Sie müssen fühlen, welchen Eindruck Sie auf mich gemacht haben. Es ist das Erhabenste, was mir in der reproductiven Kunst noch vorgekommen ist!“

Wilhelmj’s Compositionen für sein Instrument, für Gesang etc., sowie seine zahlreichen Transscriptionen sind sehr geschätzt; in dieser Beziehung verspricht er noch Bedeutendes.

Hinsichtlich des Repertoires sei bemerkt, daß er das gesammte Gebiet der Violinliteratur beherrscht, wie eben vielleicht Keiner und zwar der klassischen sowohl wie der modernen, romantischen Richtung: in welch letzterer Beziehung häufig Compositionen von Anton Rubinstein, Saint-Saëns, Raff, Johannes Brahms, Max Bruch, Svendsen, Goldmark, August Reißmann, Ferd. Hiller etc. seine Programme zieren. Er ist eben universell in seiner Kunst, Meister in sämmtlichen Stilarten, in den Künsten der Phrasirung, wie in Dingen des Geschmackes vielleicht ohne Rivalen. Neben diesem seltenen Gestaltungsvermögen Wllhelmj’s ist eine andere seiner unerreichten Tugenden als Geiger, seine Technik, diese unbeschränkte, beispiellose Herrschaft über das gesammte Ausdrucksmaterial, nicht stark genug hervorzuheben. Sein wunderbarer, ganz einziger Ton, die Reinheit und Schallkraft ohne Gleichen seiner fabelhaften Terzen-, Sexten-, Octaven- und Decimendoppelgänge, der Oktaventriller etc. – Alles das ist sprüchwörtlich geworden.

„In dem specifisch Violinistisch-Technischen dürfte Wilhelmj vielleicht selbst nicht von Paganini erreicht werden,“ meinte ein gelehrter französischer Geiger – und er hat Recht!

Als Mensch ist Wilhelmj der liebenswürdigste und interessanteste Gesellschafter, der sich denken läßt; „er sprudelt von Geist und Witz,“ sagt Max Schlesinger von ihm – wer je mit ihm zusammengewesen, wird Dem gewißlich zustimmen! Seinen Freunden ist er der treueste Freund. Man muß ihn jedoch näher kennen: denn sein Sarkasmus und seine Ironie haben ihn bei dem oberflächlichen Kritiker zuweilen einer schiefen Beurtheilung ausgesetzt. Aber eine Tugend besitzt er, derentwegen er Allen zum Muster dienen darf und die Alle an ihm rühmen: die ungemachte natürliche Bescheidenheit und Einfachheit. Alle Ehren und Triumphe haben ihm diese nicht rauben können! Man hört ihn niemals von sich selber reden, und im Urtheile über Andere ist er anerkennend und milde.

„Wir thun ja Alle soviel wir vermögen, jeder nach seinen Kräften, und Alle bleiben wir doch hinter unseren Idealen zurück. Wie kann man da von besonderem Verdienste sprechen?“ pflegt er zu sagen.

So tritt August Wilhelmj als eine ritterliche, echt-deutsche Gestalt, ausgestattet mit einer imponirenden Erscheinung, dem genialen Beethoven-Kopfe, dem reichen Gefühls- und Geistesleben, ein vollbegünstigter Liebling der Musen, aus dem Relief der ausübenden Tonkünstler Deutschlands hervor. Er ist der Künstler, in dessen Lorbeerkränze deutsches Eichen- und rheinisches Rebenlaub hineingewunden sind –: ein würdiger College ist der „Geiger-König“ den Königen „Rhein“ und „Wein“, mit welchen er seit seiner ersten Jugend in inniger Vertrautheit lebte.

Ferdinand Mäurer.     




Im Congoland.

Von Dr. Pechuel-Loesche.
1. Eine Kitanda am oberen Congo.
(Schluß.)


Es mochten über tausend Weiber versammelt sein. Die Verkäuferinnen hatten sich auf die Erde gesetzt und ihre Waaren in den landesüblichen, aus Oelpalmenwedeln geflochtenen langen und schmalen Körben, in bis einen Meter im Durchmesser haltenden flachen Strohschüsseln und Holztrögen rings um sich ausgelegt. Da gab es leckere Bananen, köstliche Ananas, feurig-rothe Amomumfrüchte, Erdnüsse, Hühner, Eier, Kohl und sogar römischen Salat, der wahrscheinlich von den portugiesischen Colonien im Süden bis hierher vorgedrungen war. In überwiegender Menge fanden wir jedoch Wurzelknollen und die aus diesen bereiteten Präparate der überaus nützlichen Maniokpflanze zum Verkaufe gestellt: besonders Mayaka, die gewässerten, käsigweißen


  1. Es ist bekannt, daß eine Correspondenzkarte, welche in Wiesbaden von einer lustigen Gesellschaft zur Post aufgegeben wurde, „um Wilhelmj’s Berühmtheit zu prüfen“, mit der einfachen Adresse: „An August Wilhelmj, Amerika“, den Künstler nach mancherlei Irrfahrten im Süden Amerikas wirklich traf, sodaß er sie an die Wiesbadener Adressaten wie gewünscht, zurücksenden konnte.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_339.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2024)