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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

No. 19.   1883.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis Bogen. 0 Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.


Pfingstglaube.

Weit durch die Lande mit Donnergebraus
Toben die Wetter und Stürme,
Flammende Blitze umzucken das Haus,
Züngeln um Zinnen und Thürme.

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Und durch die Lande, die Lande weit,

Hin über Märkte und Gassen
Hallt es vom Völkerhaß und Streit,
Dröhnt es vom Kampfruf der Rassen...

Siehe, da bricht, ein Friedensheld,

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Leuchtend hervor die Sonne,

Und das thränende Antlitz der Welt
Lächelt in Maienwonne.

Und wie die Wunder der Lenzeslust
Zauberisch mich umspinnen,

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Regt sich tief innen in klopfender Brust

Heimliches Sehnen und Sinnen.

Ob auch in Traumesscenen noch
Ruht die erlösende Stunde,
Kommen, ja kommen wird sie doch,

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Klingt es im Herzensgrunde.


Heiliges Pfingsten der Zukunft du,
Kleinod den Enkeln beschieden,
Freudigen Glaubens jauchz’ ich dir zu,
Leuchtender Völkerfrieden!

 Edwin Bormann.




Alle Rechte vorbehalten.

Gebannt und erlöst.

Von E. Werner.
(Fortsetzung.)


„Die gnädige Frau war nicht zu Hause,“ fuhr Arnold fort, „auch die Gesellschafterin nicht, nur die Kleine war im Garten.“

„Welche Kleine?“ fragte Paul.

„Die Schwester der Frau von Hertenstein, das kleine Fräulein Lily. Sie warf mit Schneebällen nach den Krähen auf den Bäumen und schließlich auch nach uns Beiden, sodaß wir ganz durchnäßt wurden. Nun, Kindern muß man das Vergnügen gönnen.“

„Sprich nicht in solchen Ausdrücken von der jungen Dame,“ sagte Paul sehr ungnädig. „Fräulein Vilmut ist sechszehn Jahr.“

„Wirklich? Ich hätte sie für weit jünger gehalten, und sie tollt ja auch noch umher wie ein Kind. Nun, hoffentlich wird sie noch etwas wachsen!“

Paul hatte sich noch nie so über die Naseweisheit seines alten Dieners geärgert, wie in diesem Augenblick, und die Behauptung, daß Lily noch wachsen müsse, brachte ihn nun vollends außer sich. Er fuhr auf und forderte so nachdrücklich Respect für die „junge Dame“, daß Arnold ihn ganz verwundert ansah.

„Sie sind ja ganz wüthend, Herr Paul,“ sagte er. „Freilich wird man nervös und aufgeregt in diesem Werdenfels, wo man keine Stunde seines Lebens sicher ist. Der ganze Lärm gilt zwar dem gnädigen Herrn Onkel, aber bei uns heißt es ‚mit gefangen – mit gehangen‘. Der Haushofmeister behauptet, die Rotte da unten wäre im Stande, uns das Haus über dem Kopfe anzuzünden, oder in hellen Haufen das Schloß zu stürmen. Wenn wir doch nur erst in unserem schönen ruhigen Buchdorf wären!“

„Mache Dir keine Illusionen,“ sagte Paul, der heute in einer sehr kriegerischen Stimmung war. „Wenn ich erst in Buchdorf regiere, ist es mit der Ruhe vorbei. Ich werde dem Herrn Pfarrer Vilmut die Spitze bieten, wir haben uns bereits gegenseitig die Fehde angekündigt.“

Der alte Diener schlug entsetzt die Hände zusammen.

„Um des Himmels willen! Müssen Sie denn dem gnädigen Onkel Alles nachmachen, sogar den Skandal, den er mit seinen Bauern hat?“

„Ich werde den meinigen schon die Köpfe zurechtsetzen,“ rief Paul kampflustig, „hoffentlich sind sie nicht ganz so hart, wie die der Werdenfelser; aber von Ruhe wird trotzdem keine Rede sein. Merke Dir das, Arnold, und jetzt geh und laß mich allein.“

Arnold war so erschrocken über die ihm eröffneten Aussichten, daß er diesmal ausnahmsweise gehorchte. Er seufzte tief auf und ging dann, um seinem Vertrauten, dem Haushofmeister, mitzutheilen, daß es nächstens in Buchdorf auch losgehen werde, ebenso wie in Werdenfels, und daß der junge Herr sich geradezu darauf freue. –

Die Nacht war schon ziemlich weit vorgerückt, das Schloß lag still und dunkel da, und selbst im Zimmer des Freiherrn war

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_301.jpg&oldid=- (Version vom 1.1.2024)