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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

No. 17.   1883.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis Bogen. 0 Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.


Alle Rechte vorbehalten.

Gebannt und erlöst.

Von E. Werner.
(Fortsetzung.)


Vilmut war bleich geworden, dieser Nachricht von den Angriffen gegen das Leben des Freiherrn schien auch seine Ruhe nicht Stand zu halten, denn er trat wie in jähem Schrecken einen Schritt zurück, dann aber sagte er kurz und bestimmt:

„Sie haben Recht, dem muß ein Ende gemacht werden! Ich ahnte nicht, daß der Haß so weit gehen könne, aber diese Angriffe werden sich nicht wiederholen, mein Wort darauf!“

„Also können Sie ihnen doch ein Ende machen?“ sagte Paul mit bitterem Vorwurf, „und erst jetzt, im Angesichte eines Mordversuches, entschließen Sie sich dazu?“

Gregor hatte bereits seine Fassung wiedergefunden, und seine Stimme hatte den alten unbewegten Klang, als er antwortete:

„Herr Baron, ich lebe seit zwanzig Jahren in Werdenfels und habe ein besseres Urtheil über die hiesigen Verhältnisse als Sie, der Sie erst seit wenigen Monaten hier sind. Ihnen mag dieser Haß und diese Feindseligkeit des Volkes empörend erscheinen, ich erkläre Ihnen aber, daß damit nur ein Urtheil vollzogen wird an dem Manne, der sich einem anderen Urtheilsspruch nicht beugen wollte. Fragen Sie mich nicht, warum ich nicht früher eingegriffen habe, ich wäre sonst gezwungen, Ihnen Dinge zu enthüllen, von denen Sie keine Ahnung haben.“

Paul lachte verächtlich auf.

„Sprechen Sie nur immerhin! Ich kenne das alberne Märchen, das sich an den Brand von Werdenfels knüpft. Man erzählt es sich ja laut genug in der Umgegend, es ist auch mir zu Ohren gekommen, aber Sie muthen mir doch wohl nicht im Ernste zu, daran zu glauben!“

„Ich muthe Ihnen nur zu, den Freiherrn selbst zu befragen. Hören Sie seine Antwort und dann spotten Sie weiter über das ‚alberne‘ Märchen.“

Das Gesicht des jungen Mannes verdüsterte sich, und seine Stimme klang ernster, als er erwiderte:

„Ich weiß, daß hier irgend ein schweres, dunkles Geheimniß liegt, das das ganze Leben des Freiherrn verdüstert und ihn zu dem gemacht hat, was er ist, aber ich weiß auch, daß Raimund von Werdenfels kein Verbrecher sein kann, und wer ihn dazu stempeln will, ist ein Lügner! Ein Lügner!“ wiederholte er mit vollem Nachdruck, als Vilmut ihn unterbrechen wollte. „Das werde ich nöthigenfalls der ganzen Welt gegenüber vertreten, ich bedarf keiner Fragen und keiner Beweise – ich kenne meinen Onkel!“

Es lag etwas so Muthiges, Ritterliches in dieser Vertheidigung, in diesem energischen Eintreten für die Ehre eines Anderen, daß selbst Vilmut nicht ganz unberührt davon blieb, der strenge Ausdruck seiner Züge milderte sich etwas.

„Diese Zuversicht macht Ihrem Herzen Ehre, ich bedaure, sie nicht theilen zu können, und deshalb wollen wir nicht darüber streiten. Im Uebrigen wiederhole ich Ihnen mein Versprechen. Die persönliche Sicherheit des Freiherrn soll nicht mehr bedroht werden. Ich werde jenen Angriffen ein Ende machen.“

„Nun, Hochwürden, wenn Sie denn doch so allmächtig sind, so machen Sie zuvörderst dem Aberglauben ein Ende,“ sagte Paul, gereizt durch die Unfehlbarkeit jener Worte, „diesem kindischen Glauben, der in dem Gutsherrn einen Hexenmeister und Teufelsbanner, einen Unheilbringer und der Himmel weiß was noch Alles sieht. Ganz Werdenfels schwört darauf, vom reichsten Bauer bis zum ärmsten Tagelöhner; die Sache wäre einfach lächerlich, wenn sie nicht empörend wäre in unserem Zeitalter. Mit einer einzigen energischen Rede von der Kanzel hätten Sie dem Unfug ein Ende machen können, aber freilich, Raimund hat Recht, der Aberglaube ist Ihnen ein zu nützliches Zucht- und Schreckmittel, als daß Sie ihn entbehren könnten.“

Gregor richtete sich zu seiner vollen Höhe auf.

„Herr Baron, Sie scheinen zu vergessen, daß ein Priester vor Ihnen steht. Raimund von Werdenfels ist Ihnen ein schlimmer Lehrmeister gewesen, bei ihm haben Sie diesen Trotz gegen die Kirche gelernt, aber von ihm sollten Sie auch lernen, wohin es führt, wenn die Kirche ihre Segnungen verweigert. Fordern Sie mich nicht auch zum Kampfe heraus, es könnte ein Tag kommen, wo auch wir Beide uns als Feinde gegenüberstehen.“

Er stand vor dem jungen Manne mit der ganzen stolzen Unnahbarkeit des Priesters, der von jedem Bekenner seines Glaubens Unterwerfung fordert, weß Standes er auch sei, aber die hellen klaren Augen Paul’s wichen den seinigen nicht, und auch seine Stimme erhob sich jetzt laut und volltönend:

„Das heißt mit anderen Worten, Sie drohen mir in Buchdorf dieselbe Hölle zu bereiten, wie meinem Onkel in Werdenfels. Sie wollen auch dort Alles gegen mich hetzen? Wie Sie eine solche Drohung mit Ihrer Priesterpflicht vereinigen, ist Ihre Sache, die unserige ist es, uns dagegen zu wehren, und das werden wir thun. Ich fürchte mich nicht vor der geistlichen Ruthe, wie Ihre Bauern, und ich werde auch meine Buchdorfer davon zu entwöhnen suchen. Die Werdenfelser gebe ich auf, die sind blind und willenlos in Ihrem Banne. In meiner künftigen Heimath aber werde ich Alles daran setzen, daß es hell wird in den Köpfen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_269.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2023)