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verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

sicheres Mißlingen, harrt allerlei Gefahr, wohl gar der Untergang des hoffnungslos Verirrten, der hier durchzudringen versuchte.

Und damit wäre auch das Geheimniß des Namens berührt, den man dieser geheimnißvollen Gegend beigelegt hat. Das verdächtige, wenn nicht gar verächtliche „Bad lands“ – „schlechte Ländereien“ – ist durchaus nicht so verächtlich gemeint, wie es klingt. Es ist nur die kopflose und doch zugleich nur den Kopf beibehaltende Uebersetzung der früheren französischen Bezeichnung für diesen eigenartigen Naturspuk. „Terres Mauvaises pour traverser“, so lautet die von den nämlichen canadischen Missionären, die auch den Coteau du plateau du Missouri aus der Taufe gehoben, herrührende Bezeichnung in wörtlicher Uebertragung des treffenden ursprünglichen Indianernamens. „Bad lands to cross“, „eine schlechte Gegend, um durchzukommen“, hätte das Englische zu lauten gehabt.

Aber die wackeren Bewohner von Dacotah, deren sprachschöpferische Findigkeit wir schon im „Cotaeus“, des Missouri gewürdigt, begnügten sich mit dem einfachen „Bad lands“, und dieses Mal haben ihnen selbst die amerikanischen Karten und Geographiebücher zugestimmt. Es wird daher wohl für alle Zeiten sein Bewenden damit haben.

Das Material der „Bad lands“ ist ein reiner thonartiger Lehm. In ungeheuren Massen abgelagert, wurde er vor unvordenklichen Zeiten durch die Thätigkeit unendlicher Fluthen zu diesem labyrinthischen Wechsel von Berg und Thal ausgewaschen und ausgespült. Aber das Wasser hat hier nur die erste Arbeit gethan, nur das kleinere Wunder verrichtet. Das zweite, größere, das eigentliche Wunder blieb den Flammen vorbehalten. Und diese Flammen sind noch heute an ihrer, nach echter Flammenart unterirdisch betriebenen Arbeit und werden nach dem, was man an hundert Stellen dieser „Bad lands“, wo ihre lodernden Feuerherde in Gestalt offener Krater an’s Tageslicht treten, mit eigenen Augen sehen kann, noch so manches Zeitalter am Werk bleiben. Sie entstammen ungeheuren Braunkohlen- und Schwefellagern, welche sich unter diesen Aufthürmungen von Thon und Lehm dahin breiten. Vor Aeonen in Brand gerathen, unterhalten sie hier seitdem die gigantischste Backsteinbrennerei und Töpferei der Welt.

Ein Elementarwunder an sich, leiht die Thätigkeit dieses kolossalen Ziegelofens zugleich den „Bad lands“ ihren schönsten und eigenartigsten Zauber: zu der ganzen Formenmannigfaltigkeit eines regelrechten Terracottagebirges den ganzen Farbenreichthum eines solchen. In Bändern, Streifen, Zacken, Einfassungen und ganzen Gipfelkrönungen treten diese Farben vom grellsten Ziegelbraun und Roth bis zum zartesten Thongelb und Porcellanweiß sowohl an einzelnen Wänden und Abstürzen, wie an ganzen Hügeln und Kuppenreihen hervor.

An unzähligen Stellen ist das gebrannte Erdreich in Massen losgebröckelt, und man wandert dann über ganze Strecken eines aufgeschütteten Stoffes, von dem man schwören würde, daß es Ziegelschotter sei, wüßte man nicht, daß an der Grenze von Dacotah und Montana von einer mit Ziegeleien arbeitenden Civilisation vorläufig noch keine Rede sein kann. An anderen Punkten wieder scheinen – natürliche Vettern des römischen Monte Testaccio – ganze Berge und Abhänge aus rothen, schwarzbraunen und gelben Scherben aufgeschüttet zu sein. An noch anderen ragen scharfe Kuppen empor, deren untere Hälfte noch die unberührte Farbe des ursprünglichen gelben Thones trägt, während die Spitze einem frischgedeckten norddeutschen Kirchthurm gleich in den leuchtendsten Zinnober getaucht ist.

Doch genug der Einzelheiten. Wer wollte auch hoffen, mit ihrer Aufzählung[WS 1] der Beschreibung dieses ohnehin eigentlich gar nicht zu beschreibenden Natur-Capriccios näher zu kommen? Alles daran ist Merkwürdigkeit und Schönheit. Schön und merkwürdig ist der Formen- und Farbenreichthum, welcher den in tiefer Thaleinsenkung Stehenden unmittelbar umdrängt; schöner das in gemilderten Contouren und Tinten sich gebende Gebirgsbild, zu welchem sich das Ganze dem höher Steigenden erweitert – am schönsten und vollends wie aus einem Traumlande in diesen phantastischen Erdwinkel hineingrüßend die terrassenartig über dem Horizont aufsteigenden Wände, welche diesem Labyrinth nach allen Seiten hin den Anschein der Unendlichkeit geben und einander so lange immer wieder von Neuem überbauen, bis auch die zackigsten Gestaltungen und die grellsten Farben im blauen Duft der Ferne erlöschen.




Der chaldäische Zauberer.

Ein Abenteuer aus dem Rom des Kaisers Diocletian.
Von Ernst Eckstein.
(Fortsetzung.)


Olbasanus, den Zauberstab in der Rechten, die Linke auf’s Herz gepreßt, senkte den Blick zu Boden und sprach zu Lucius Rutilius:

„Kniee nieder, mein Sohn. Uralter Sitte gemäß schlachten wir der Göttin der Unterwelt ein schwärzliches Opferthier. Flehe Du, daß die heilige Handlung gelingen möge! Das Eingeweide des Thieres, vom Geisterhauche Hekate’s angeweht, kündet uns, was wir zu wissen bestrebt sind – nicht in räthselhaften Symbolen, die noch der Deutung benöthigen, sondern in klarer Schrift, wie sie Menschenaugen geläufig ist. Opfer der Hekate, stirb!“

Er hob den Stab über das Haupt. Das schwarze Lamm brach zusammen wie vom Blitze getroffen. Gleich darauf erschienen zwei Opferdiener, bleiche Jünglinge in hellenischem Chiton (Leibrock) und persischen Beinkleidern, den Kopf mit buntfarbigen Tüchern umwunden.

„Unbekannter!“ wandte sich Olbasanus zu Lucius, „tritt herzu und berühre das Thier, das dem Angriffe meiner hülfreichen Dämonen erlegen ist.“

Lucius Rutilius, der mit jeder Minute scheuer und zaghafter ward, schritt vor. Die Glieder des Thieres waren bereits erstarrt. Da der Jüngling in das wollige Fell griff, sank der Kopf des Lammes zurück und zeigte die gebrochenen Augen.

Die Opferdiener schoben von der Altarplatte den Teppich hinweg und legten das Thier darauf. Während Lucius Rutilius den Vorderfuß des Thieres mit der Linken gefaßt hielt, reichte einer der beiden Leute dem Chaldäer das Messer. Das Lamm ward geöffnet, und allerlei Zaubersprüche murmelnd, nahm Olbasanus das Herz und die Leber heraus. Im nächsten Augenblicke war das Thier hinweggeschafft und die Altarplatte mit großen, schwärzlich gefärbten Leintüchern vom Blute gereinigt.

Olbasanus hielt das Herz und die Leber ausgestreckt in der Linken, bis die Sclaven eine eherne Platte auf den Altar gesetzt hatten. Dann legte er das Herz und die Leber vorsichtig auf’s Metall, schwang den Stab und sagte zu Lucius Rutilius:

„Tritt heran, um zu lesen!“

Bei diesen Worten ertönte ein donnerähnliches Rollen. Lucius Rutilius beugte sich klopfenden Herzens über die Platte. Da stand mitten auf der noch rauchenden Leber deutlich mit hellenischen Buchstaben:

ΘΑΝΑΤΟΣ – der Tod.

Lucius Rutilius schwankte haltlos zurück.

„Der Tod!“ murmelte er wie erstarrt vor sich hin.

Auch Cajus Bononius war vorgetreten, um die große, in ihren Linien etwas unsichere Schrift der Prophezeiung zu lesen. Heftig athmend nagte er sich die Lippen; er zog die Brauen zusammen; er ballte die Faust, als ob er dieser äußeren Mittel bedürfe, um Widerstand zu leisten gegen den Eindruck dieses unbegreiflichen Wunders. Er bekannte sich, daß ihm jede Erklärung fehle; und dennoch, sein klarer, vorurtheilsloser Verstand bäumte sich wider das, was seine Augen nicht leugnen konnten. Er betastete die Schrift mit dem Finger; sie verwischte sich nicht. Daß Olbasanus nicht etwa selber geschrieben hatte, ehe oder während er die Leber auf die Metallplatte legte, das konnte Cajus Bononius bei allen Göttern beeidigen. Schon zuckte ihm ein beklommenes „Und wenn es dennoch wahr wäre?“ durch die Seele, als er, seitwärts aufblickend, das schier unmerkliche Lächeln gewahrte, mit

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Anfzählung
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1883, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_266.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2023)