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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

von Werdenfels und ihrem Gutsherrn. Es ist wahrlich die höchste Zeit, daß Sie Ihre Pflicht als Priester üben.“

Vilmut sah den jungen Mann, der es wagte, in solcher Weise zu ihm zu sprechen, von oben bis unten an.

„Ich bin es nicht gewohnt, an meine Pflicht gemahnt zu werden,“ entgegnete er, „am allerwenigsten von Leuten Ihres Alters, Herr Baron. Das Wort, das Sie erwarten, muß von dem Freiherrn gesprochen werden. Wenn er ernstlich den Frieden will, so wird er ihn finden, wenn nicht, so –“

„Mein Onkel hat dem Dorfe oft genug den Frieden geboten,“ unterbrach ihn Paul. „Man hat mit Beleidigungen darauf geantwortet. Mit Menschen, die lieber darben und hungern, ehe sie die helfende Hand ergreifen, die lieber ihre eigene Sicherheit und die ihrer Heimath preisgeben, ehe sie den gebotenen Schutz annehmen, ist überhaupt nicht zu rechten. Sie sind entweder wirklich unversöhnlich oder – sie sind blinde, beschränkte Werkzeuge eines fremden Willens.“

Er sprach die letzten Worte mit scharfer Betonung.

Vilmut hörte mit einem Gemisch von Erstaunen und Entrüstung zu. Er hatte bei jener ersten Begegnung die Achseln gezuckt über den jungen Menschen, der damals nichts im Kopfe hatte, als seine Schwärmerei für die schöne Reisegefährtin, und der ihm herzlich unbedeutend erschien. Dies entschiedene Auftreten überraschte ihn, aber er war viel zu sehr erfüllt von dem Gefühle seiner Ueberlegenheit, als daß es ihm hätte imponiren sollen.

„Sie sind im Irrthum,“ erwiderte er. „Die Gemeinde handelte aus eigener, freier Entschließung, als sie die Anerbietungen des Freiherrn ablehnte. Ich habe ihr allerdings meine Meinung nicht verhehlt, daß ein Geschenk aus solcher Hand nicht Segen bringen könne und daß sie besser thue, der eigenen Kraft zu vertrauen.“

„Hat etwa die Ablehnung Segen gebracht? Doch es handelt sich nicht darum, sondern um die fortwährenden Angriffe auf uns, die mit jedem Tage frecher und bedrohlicher werden. Seit die Zerstörung unserer schönen Ceder ungestraft geblieben ist, werden die Schloßgärten systematisch verwüstet. Es vergeht keine Woche, wo nicht irgend ein seltener Baum oder Strauch zum Opfer fällt, weil man weiß, daß der Schloßherr Werth auf diese Zierden seines Parkes legt. Sogar in die Gewächshäuser hat man sich während der Nacht Eingang zu verschaffen gewußt, um die Orangerie zu beschädigen, und der Marstall ist vorgestern nur durch die Wachsamkeit eines Reitknechtes gesichert worden, wahrscheinlich galt das geplante Attentat diesmal dem Lieblingspferde meines Onkels. Ich nehme an, daß Sie von diesen Dingen unterrichtet sind, Hochwürden.“

„Und glauben Sie etwa, daß ich dergleichen Ausschreitungen billige oder beschütze? Sie zu strafen ist meines Amtes nicht. Wozu hat der Freiherr seine Verwalter und seine Dienerschaft? Er mag die Sache untersuchen und die Thäter bestrafen lassen mit aller Strenge, ich werde ihn wahrlich nicht daran hindern.“

„Das ist es ja eben, daß er keine Untersuchung und Bestrafung will!“ rief der junge Mann heftig. „Ich wollte den heimtückischen Zerstörern bald auf die Spur kommen, aber er duldet es ja nicht.“

„Er wird seine Gründe haben,“ sagte Gregor kalt. „Und wenn er es nicht wagt, die Thäter zur Rechenschaft zu ziehen, so thun Sie am besten, seinem Beispiele zu folgen.“

„Raimund ist kein Feigling!“ brauste Paul auf. „Wie oft habe ich ihn gebeten, nach Felseneck zurückzukehren, wo er sicher ist vor all diesen Quälereien, aber es ist umsonst. Er bleibt und bietet immer wieder der Gefahr die Stirn, mit einer Hartnäckigkeit, die ihm noch das Leben kosten wird.“

Vilmut zuckte die Achseln.

„Sie übertreiben! Von Gefahr ist doch wahrlich keine Rede. So arg auch jene Ausschreitungen sein mögen, die ich – ich wiederhole es Ihnen – auf das Strengste verdamme – die persönliche Sicherheit des Freiherrn ist doch in keinem Falle bedroht!“

„Sind Sie so fest davon überzeugt?“

„Ja, das bin ich!“

„Nun denn, so sage ich Ihnen, daß man schon zweimal versucht hat, die Pferde an dem Wagen meines Onkels scheu zu machen, als er nach Felseneck fuhr, und das gerade an der gefährlichsten Stelle des Weges, dicht am Flusse. Und heute Morgen, als wir an dem Gehölz bei der Bachmühle vorüberritten, flog ein Stein aus dem Hinterhalt, ein mächtiger Feldstein, mit sicherer Hand geworfen; hätte das Pferd nicht instinctiv einen Seitensprung gemacht, so wäre Raimund der Kopf zerschmettert worden. Sie sehen, man ist im Zuge mit dem, was Sie Ausschreitungen nennen. Heute sind es Steine, morgen werden es Kugeln sein, und die werden vermuthlich besser treffen. Hier zu Lande weiß ja jeder Bauer und jeder Knecht mit dem Stutzen umzugehen.“

(Fortsetzung folgt.)




Ein Festzug der Berliner Künstler.

Bei dem großen Costümfest, welches am 28. Februar dieses Jahres im Weißen Saale des königlichen Schlosses zur Feier der silbernen Hochzeit des kronprinzlichen Paares mit allem Aufgebot historischer Pracht stattgefunden hat, nahm der von den Berliner Künstlern veranstaltete Festzug zwar der Reihenfolge nach die letzte Stelle ein, ohne indeß von den übrigen Veranstaltungen des Festes übertroffen zu werden.

Die Künstler Berlins – darunter Namen von Klang in der europäischen Kunstwelt – hatten seit Monaten mit rastlosem Eifer und selbstloser Hingebung an den Arrangements gearbeitet, die denn auch das denkbar Vollkommenste erreicht haben. Der Berliner Gesellschaft, welche bekanntlich Alles umfaßt, was die Kaiserstadt an politischen, literarischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Notabilitäten, an Vertretern der Industrie und der hohen Finanz in ihren Mauern einschließt, war wenige Tage darauf, am 3. März, Gelegenheit gegeben, in den prachtvollen, von elektrischem Licht tageshell erleuchteten Sälen des Wintergartens im Centralhôtel den Künstlerzug zu bewundern, da der „Verein Berliner Künstler“ beschlossen hatte, die Wiederholung desselben zum Mittelpunkt seines diesjährigen Festes zu machen.

Wir legen unserer Erläuterung des Bildes, in welchem der Künstler den Festzug den Lesern der „Gartenlaube“ vorführt, diese Wiederholung im Wintergarten, die von der Aufführung im Königsschlosse wenig abwich, zu Grunde. Selbst der Triumphwagen der Königin „Minne“, auf welchem am 28. Februar die Prinzessin Wilhelm gethront hatte, war zur Stelle geschafft worden, nur vertrat im Künstlerfestzuge Fräulein Becker – die anmuthige Tochter des Malers Professor Becker – die allegorische Königin.

Gegen halb elf Uhr verkündeten schmetternde Fanfaren von der Rampe des altgothischen Rathhauses, das an der Südseite des Saales in dem edlen Stile des Heidelberger Schlosses sich erhob, das Nahen des Festzuges, der sodann über eine doppelarmige Freitreppe in den Saal hinunterschritt, wo seiner eine dichte Menge festlich gekleideter Herren und Damen längst mit Ungeduld harrte. Es war ein Anblick von weihevoller, charakteristischer Schönheit. Voran schritten als Herolde, im kleidsamen blauen Wamms, über welches die mit den weißen drei Schilden des Künstlerwappens bestickten purpursammtenen Herolddecken herabfielen, Maler Prell und zwei Jünglinge von fast idealer Schönheit – Schüler der königlichen Hochschule für die bildenden Künste – vergoldete Palmenzweige in den Händen haltend. Der Dirigent des königlichen Domchors, Professor Herzberg, als Magister in langem, pelzbesetztem, schwarzsammtenem Talar, führte sodann gravitätisch eine Schaar von fünfzehn Knaben an, die, in mattgelbe Wammse mit Strumpfhosen gekleidet, Blumenkränze auf den Köpfen und goldene Palmenzweige in den Händen tragend, paarweise ihm folgten. In den Händen hielten die Knaben außerdem lange alterthümliche Notenblätter, von denen sie den nach dem Terzett aus „Elias“ von

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_256.jpg&oldid=- (Version vom 31.12.2023)