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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Cajus Bononius hatte während der letzten Minute den Arm fester in den des Freundes gelegt, und auch sonst ein wachsendes Interesse bekundet.

„Olbasanus?“ fragte er jetzt, da Lucius Rutilius einen Augenblick Athem schöpfte. „Der Chaldäer am quirinalischen Hügel?“

„Derselbe. Schon früher war sein Name zu meinen Ohren gedrungen, aber jetzt erst sollte ich seinen gespenstischen Einfluß und seine Macht kennen lernen.“

„Weiter! Weiter!“ drängte Bononius.

„Nun,“ fuhr der Andere fort, „schon dies Schreiben hatte genügt, um die beiden Mädchen in die äußerste Aufregung zu versetzen. Lydia hatte – eine Ausnahme ihres Geschlechts – bis dahin mit keiner forschenden Bitte an das Geheimniß ihrer Freundin getastet, obgleich auch sie unsere Beziehungen seit lange erkannt hatte. Jetzt, da die Sache sich ihr so plötzlich und in so unerwünschter Weise enthüllte, vergaß sie die üblichen Fragen, das Erstaunen, die Glückwünsche. In ihrer Herzensangst drängte sie nach den Räumen des Küchenmeisters, scheuchte voll Ungestüms alle Sclaven hinweg und hieß die Freundin thun, was Olbasanus ihr vorgeschrieben. Hero, kaum ihrer Sinne mächtig, beugte sich dreimal über das geheimnißvolle Blatt und gewahrte schon nach wenigen Secunden mit stillem Grausen die schwärzlichen Schriftzüge, die ihr verkünden sollten, was ihrem Glück in den Weg trat. Sie las: ‚Dem Vater Wahnsinn, der Tochter Blindheit, dem Lucius Rutilius der Tod.‘“

„Unerhört!“ rief Cajus Bononius. „Und ein wunderbares Zusammentreffen!“

„Wie meinst Du das?“ fragte Rutilius.

„Später, mein Theurer! Laß mich zuerst nur Dein Erlebniß zu Ende hören! Freilich, kaum noch bedarf ich der Aufklärung, wo die Sache hinaus will. Was versetztest Du, als die Mädchen Dir das Blatt aus dem Buche Amun’s gezeigt hatten?“

„Ich versuchte zu zweifeln – aber zu deutlich sprachen die gespenstischen Lettern und die verstörten Augen meiner trauernden Hero. Die Thatsache, daß hier ein seltsames Wunder vorlag, ein unerklärliches und, wie es schien, von den Göttern eigens gewolltes, – diese Thatsache wich und wankte nicht. Ich selber fühlte mich anfangs peinvoll beklommen; im Verlauf jedoch unsres Beisammenseins, da mir Hero ruhiger zu werden schien, gewann ich eine gewisse Kraft des Vertrauens wieder, und als ich um die Mitte der ersten Nachtwache[1] meine Wohnung betrat, war ich trotz des noch immer ungelösten Räthsels geneigt, das Ganze mehr für ein sonderbares Abenteuer als für ein Unglück zu halten.

„Der folgende Tag schon sollte mich bitter enttäuschen. Um die Stunde des zweiten Frühstücks auf die Straße hinaustretend, gewahrte ich vor dem Eingang des Nachbarhauses zwei geräumige Reisewagen. Da ich einen der Sclaven, die bei den Pferden herumstanden, nach dem Zweck dieser Zurüstungen befragen wollte, kam Heliodorus mit den beiden Mädchen über die Schwelle. Der Sicilianer begrüßte mich und erklärte, er habe mich in Begleitung Hero’s und Lydia’s aufsuchen wollen, um Abschied zu nehmen. Hero, die, wie ich wisse, eine kleine Tyrannin sei, schwöre mit einem Male, Tibur sei ihr in die Seele verhaßt, sie verlange nach Rom zurück, und da nun bei der vorgerückten Jahreszeit für ihn, Heliodorus, kein ernstlicher Grund vorliege, diesem Wunsche zu widerstreben, so habe er sich mit gewohnter Raschheit entschlossen.

„Ich wußte natürlich, daß die plötzlich erwachte Sehnsucht Hero’s mit Olbasanus zusammenhing. Sie wollte ihn aufsuchen, sie wollte Näheres erfahren über die seltsame Prophezeiung, und wenn es anging, die feindlichen Mächte, die sich unserem Glücke entgegenstemmten, durch Opfer und Gebete versöhnen.

„Ehe eine Viertelstunde verstrich, saß die Gesellschaft, mit Einschluß der alten Septimia und einiger Haussclaven, in den Polstern, und rollte, drei Berittene voran, die Straße nach Rom zu.

„Du wirst nicht staunen, theurer Bononius, wenn ich Dir sage, daß auch ich noch an demselbigen Tage Tibur verließ und nach den sieben Hügeln zurückkehrte. Gepreßten Herzens nahte ich am folgenden Morgen dem hellenischen Prachtbau, den Heliodorus an der Nordseite des cälischen Berges bewohnt. Der Sicilianer empfing mich herzlich und freundschaftlich, aber dennoch mit einer gewissen Beklommenheit. Hero, so erfuhr ich, da ich an seiner Seite mich niedergelassen, schien krank zu sein. Sie hatte, kurz nach ihrer Ankunft, mit Lydia ihre Sänfte bestiegen und war mit allen Zeichen der Aufregung in später Stunde zurückgekehrt. Seitdem lag sie theilnahmlos auf der Ruhestatt, kaum eine Frage beantwortend, bleich vor sich hinstarrend. Einmal war sie in heftiges Schluchzen ausgebrochen; ein wilder Krampf hatte ihren Körper durchschüttelt; dann aber trat eine gesteigerte Abspannung und Mattigkeit ein, bis sie endlich lange nach Mitternacht einschlief.

„Ich errieth natürlich, was vorgefallen. Hero war bei Olbasanus gewesen und hatte aus dem Munde des Zauberers das Gleiche vernommen, was ihr jene Inschrift vorausgesagt. Ja es schien, als wäre die Art und Weise dieser Bestätigung weit entsetzlicher und dämonischer ausgefallen, als die erste Warnung durch das Blatt aus dem Buche des Gottes Amun. Ich war vollständig rathlos. In abgerissenen Worten mein Bedauern aussprechend, verließ ich das Haus. Ich bat den Sicilianer, mich wissen zu lassen, wenn das Befinden seiner Tochter sich soweit hergestellt haben würde, daß ich meinen Besuch, ohne lästig zu sein, wiederholen dürfte.“

(Fortsetzung folgt.)




Das Kaiserliche Seebataillon und seine Bedeutung für die Marine.

Die Verleihung einer Fahne an das Seebataillon hat zum ersten Male diese der kaiserlichen Marine angehörige Truppe als solche vor die Augen der Oeffentlichkeit gebracht. Daß sie überhaupt existirt, war bisher wenig allgemein bekannt und noch weniger bekannt ist der eigentliche Zweck derselben in Krieg und Frieden, sowie ihre Bedeutung für die Marine.

Diese Bedeutung, verbunden mit einem kurzen Rückblick auf die Entstehung und Entwickelung des Seebataillons, in gedrängter Form weiteren Kreisen zur Kenntniß zu bringen, ist der Zweck dieser Zeilen.

Als es der rastlosen Thätigkeit und unermüdlichen Energie des unvergeßlichen Prinzen Adalbert von Preußen endlich gelungen war, an maßgebender Stelle die Ueberzeugung von der strategischen und moralischen Nothwendigkeit zu wecken, Preußen auch zur See soweit wenigstens wehrhaft zu machen, daß es im Stande sei, unsere Küsten und unseren Seehandel gegen die Flotten zweiten und dritten Ranges zu schützen, wurde, unter dem Vorsitze des Prinzen, eine Commission bestellt, welcher die Aufgabe zufiel, die Art und Ausdehnung der maritimen Mittel zu berathen, welche zur Vertheidigung der preußischen Ostseeküste ausreichen würden.

Das Resultat dieser Berathung war der Befehl zur Erbauung einer größeren Anzahl von Ruderkanonenbooten sowie zur kriegsmäßigen Ausrüstung einiger, zum Theil der Post zugehöriger Dampfer.

Diese kleine Macht, sowie die bereits im Jahre 1842 erbaute Segelcorvette „Amazone“, wurde der Verwaltung des Kriegsministeriums unterstellt und für dieselbe zu Stralsund ein Marinedepot errichtet.

Die zu den Fahrzeugen gehörigen Mannschaften – Stammmannschaften – wurden unter dem Namen „Marinebataillon“ zu einer Truppe formirt, welche sich aus Freiwilligen und solchen Schiffern, die zur Ableistung ihrer Dienstpflicht für die Armee ausgehoben worden waren, ergänzte. Dieses Marinebataillon hatte die Stärke von 476 Köpfen inclusive Officiere und stand unter dem Befehl des Majors Gäde, eines Mannes, der sich um die Bildung der damaligen ersten Anfänge deutscher Wehrkraft zur See die dankenswerthesten Verdienste erworben hat.

Mit der beabsichtigten und auch zum Theil schon in die Wege geleiteten Vermehrung der Zahl unserer Kriegsschiffe machte sich das Bedürfniß fühlbar, die Mannschaften der Marine in zwei


  1. Die Römer theilten die Zeit vom Sonnenuntergang bis zum Sonnenaufgang in vier Nachtwachen (vigiliae) ein.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_234.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2023)