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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Blätter und Blüthen.


Ein Invalide aus den Befreiungskriegen. Das vorige Jahr, in welchem Tod und Noth so Vieles in Deutschland vernichteten, ist auch für die ältesten und ehrwürdigsten unserer Kriegshelden, für unsere Invaliden von 1813 ein hartes gewesen; von vielen Seiten kamen die Nachrichten, daß da und dort einer der letzten ihrer Helden aus jener Zeit zur großen Armee abberufen worden sei. Aber immer tauchen auch wieder Nachrichten auf von allerletzten Greisenhäuptern, die einst auf den jungen Locken den Tschako mit dem Todtenkopf getragen oder als Sieger das Paris von 1815 gesehen. Und leider kommt es sogar dabei vor, daß von Armuth und Entbehrung solcher Alten wie von etwas Selbstverständlichem erzählt wird.

Zu diesen armen Ehren-Alten gehört auch der jetzt neunzigjährige Invalid und Taglöhner Karl Friedrich Salzer in Albernau, der am 6. Januar 1793 in Burkhardsgrün geboren und in seinem siebenzehnten Jahre zum Militär – eingefangen worden ist. Er erzählt nämlich, daß er den „Werbern“, welche ihn der Militärbehörde einzuliefern hatten, zweimal entwischt sei, das eine Mal, indem er durch das Stallloch in einem Gehöfte zu Zelle bei Aue kroch, das andere Mal durch einen Sprung vom zweiten Stockwerk desselben Gebäudes in die weiche Gartenerde; das dritte Mal faßten sie ihn beim Abendessen ab, nahmen ihm fast alle Kleider und führten ihn so sicher seiner Bestimmung zu.

Salzer diente ununterbrochen, ohne eine einzige Beurlaubung, elf Jahre sechs Monate, und zwar erst in der Infanterie, dann als Ulan und zuletzt im zweiten leichten Reiterregiment „Prinz Johann“. Während dieser Zeit wohnte er den Schlachten und Gefechten bei Dresden, Bautzen, Jauer, Jüterbogk, Großbeeren, wo er im Unterschenkel eine noch jetzt nicht geheilte Verwundung erhielt, und bei Leipzig bei und stand dann noch mehrere Jahre bei den Occupationstruppen in der Nähe von Lille.

Nach seiner Entlassung vom Militär ließ er sich in Albernau nieder, wo er von 1828 bis 1878 auf dem dortigen Freigut als Taglöhner arbeitete. Er hätte also im genannten Jahre sein fünfzigjähriges Taglöher-Jubiläum feiern können, wenigstens hätte die so lange Dienstzeit bei einem Hause öffentliche Anerkennung und Belohnung verdient, aber keins von beiden geschah. Er arbeitete weiter; denn er hatte auch schwer an häuslichen Sorgen zu tragen. Er war verheirathet und Vater von vier Kindern. Aus diesem Familienkreise starben ihm binnen sechszehn Wochen die Frau und drei erwachsene Kinder von achtzehn bis dreiundzwanzig Jahren: die Stützen seiner alten Tage. Nun lebt ihm nur noch eine Tochter, verheirathet und in kümmerlichen Verhältnissen. Aber helfen kann er ihr nicht mehr, seine Wunde von Großbeeren brach wieder auf, er mußte seine Taglöhnerdienste aufgeben und lebt seitdem von einer Invalidenpension von 10 Mark monatlich und einer Taglöhnerpension von wöchentlich 4 Mark, welche die Freigutsherrschaft ihm bewilligt hat.

Wenn auch dieser Alte von Anno Dreizehn sich vielleicht nicht als interessante Persönlichkeit auszeichnet, die einen Wirthstisch mit Kriegsberichten anziehend machen kann, so gehört er doch zu Denen, welche in jener großen Zeit mitgelebt, mit im Feld gestanden, mit für Deutschlands Befreiung vom französischen Joch geblutet. Auf den Besitz eines solchen Alten sollte der Ort, wo er wohnt, stolz sein; es sollte da Männer und Frauen geben, welche es für ihre Ehrenpflicht hielten, den Lebensabend eines solchen Alten möglichst gut und schön zu gestalten; eifersüchtig müßten sie darüber wachen, daß nicht Andere ihren Invaliden unterstützten. Das würde von einem Hochsinn zeugen, wie wir ihn so gern am deutschen Volke bewundern möchten. Man muß nicht allzu viel immer nur dem Staate zuschieben, wo die eigene Leistung eine so selbstlohnende, so ehrende ist.

Sie stehen Alle in den Neunzigern, die noch vom Heldenstamme der Befreiungskrieger übrig sind: bald wird man doch endlich den letzten begraben. Möge dann Niemand sich den Vorwurf zu machen haben, daß er gleichgültig und hartherzig genug war, um einen solchen Alten darben zu lassen. Fr. Hfm. 


Hansel mit der Cither.
(Mit Illustration Seite 181.)

Der Hansel spielt Cither, lauft alle herzu!
Da sitzt er im ledernen Höschen, der Bu’,
Und lockt aus den Saiten euch Töne hervor,
Die fahren zum Herzen durch jegliches Ohr.

Die junge Mutter von Spindel und Spul’
Schleicht leise sich hinter des Hansel’s Stuhl.
Der alte Lehrer, der ernst da saß,
Vergißt die Pfeif’ und das Schoppenglas.

Großvater, willkommen! Da setz’ dich her!
Keins lacht nun im Kreise so selig, wie er.
Auch des Hansel’s Cam’rad in Freud und Leid
Lacht mit, doch drückt ihn ein wenig der Neid.

Da kommt der Nachbar von drüben, und –
Vor Staunen nimmt er das Pfeiferl vom Mund.
So freuen sich alle im kleinen Kreis,
Und Jegliches freut sich in seiner Weis’.

Der Hansel lacht mit dem ganzen Gesicht,
Die Mutter lacht auch, man hört es nur nicht:
Sie lacht ganz innen so stolzgemuth,
Wie das Lachen am allerschönsten thut.

Ich lauscht’ an der Thür und sah’s mit an,
Wie der Bub’ und die Cither allein es gethan,
Daß jedes Herz in dem Stübchen lacht.
Das hat doch der liebe Gott herrlich gemacht.




Bitte! An uns wird häufig die Anfrage gestellt: „Welche ‚Heims für alte Erzieherinnen‘ bis jetzt in Preußen, respective ganz Deutschland gegründet sind, welche Heims bereits eingerichtet sind und benutzt werden, welches Heim davon das erste, bevorzugteste und beliebteste ist und endlich wie die Adressen lauten?“ Eine Beantwortung dieser Fragen würde mancher besorgt in die Zukunft blickenden Lehrerin und Erzieherin zum Trost gereichen.




Kleiner Briefkasten.

A. F. S. in West-Franklin, Inda. Lieber Herr! Wir müssen bezweifeln, daß Sie „schon seit vielen Jahren ein aufmerksamer Leser der ‚Gartenlaube‘“ sind. Sonst würden Sie wohl wissen, daß wir unsere Leser zu wiederholten Malen über „Spiritismus“ und „Spiritualismus“ aufgeklärt haben. In dem vor Kurzem erschienenen „Generalregister der Gartenlaube“ sind 16 Artikel namhaft gemacht, welche das von Ihnen berührte Thema behandeln.

O. V. in Bayreuth. Die Bilder sind im Schnitt; nur noch ein wenig Geduld!

Ab. R. in Budapest. Uns ist nichts derlei in der G. bekannt. Was übrigens hinsichtlich der Rattenvertreibung auf einem Schiff thunlich ist, kann für eine Stadt leicht unmöglich sein.

Anfrage. Giebt es eine Anstalt, in welcher ein alleinstehender, chronisch kranker Mann, welcher seinen Berufsarbeiten nicht mehr vorzustehen vermag, sich mit einem Vermögen von 4500 Mark auf Lebenszeit einkaufen kann?

E. A. D. G. in Darmstadt. „Das Heidelberger Schloß“. Ihr Wunsch kann nicht erfüllt werden.

H. M. in St. Nein! Erschienen ist das Werk bei G. Westermann in Braunschweig.




Für die Deutschen am Ohio.

Nordamerika ist die zweite Heimath von Millionen Deutschen geworden, und Millionen dort von deutschen Eltern Geborene preisen es als ihr Vaterland, aber sie erkennen in Deutschland noch mit Stolz die Heimath ihrer Väter, und in allen schlägt das deutsche Herz noch warm für Wohl und Wehe unseres Volkes. Das haben sie alle Zeit durch die That bewährt und am wohlthuendsten für uns in den Tagen unseres letzten großen Krieges. Während wir erst nicht ohne Besorgniß, aber gleich nach unseren ersten Siegen mit entschlossenem Trotz rufen konnten: „Feinde ringsum!“ – denn alle unsere lieben Nachbarn hatten nur auf unsere erste Niederlage gewartet, um ihr wahres zu zeigen –, während man rings um uns her die angeblichen erlogenen Triumphe der Franzosen bejubelte und später unsere Siege wie eigene Beleidigungen aufnahm – standen alle Deutschen Nordamerikas vom ersten Kanonenschuß an mit Leib und Seele auf unserer Seite, unsere Siege waren ihre Siege: ihre Liebesgaben strömten unseren Verwundeten zu, sie litten und triumphirten mit uns. Mit dem gleichen Hochgefühl, wie wir, begrüßten sie das neuerstandene deutsche Reich, und wie freudig und würdig sie die ersten Kriegsschiffe der deutschen Flotte in ihren Häfen begrüßten, wird bei uns unvergessen bleiben.

Ebenso haben alle schwereren Schicksale, die Deutschland betroffen, bei unseren Stammesbrüdern im freien Lande der Union jederzeit werkthätige Theilnahme erregt, von der großen Feuersnoth von Hamburg bis zur großen Wassersnoth, die jüngst an unserem Rhein gewüthet und deren Spuren noch grausig vor Aller Augen stehen. Die Hülfs- und Rettungsgaben, die aus Nordamerika für unsere von dem großen Unglück Heimgesuchten herüberflossen, zählen nach Hunderttausenden, wie dies der Dank des deutschen Reichstages bezeugt.

Da überraschte uns vor Wochen die schmerzliche Kunde aus Nordamerika, daß nun auch dort eine Ueberschwemmung tobt, daß aber das Unheil dort um so viel verheerender auftritt, als die Riesenströme die neue Welt mächtiger durchfluthen, als unsere gegen jene bescheidenen Flüsse das deutsche Reichsgebiet: die Schilderungen der ungeheuren Verwüstungen, welche ganz besonders der Ohio meilenweit über das Land verbreitet und an den blühenden Uferstätten ausgeübt, füllten längst alle Zeitungen, sodaß wir hier keiner Wiederholung derselben bedürfen.

Ebenso klar muß aber jedem dankbaren und patriotischen Deutschen eine Pflicht vor Augen stehen, welche wir jetzt zu erfüllen haben. Aufrufe, nun auch unsererseits den in tiefste Noth gekommenen deutschen Brüdern in Nordamerika mit allen Kräften beizustehen, hätten kaum nöthig sein sollen, aber sie sind ergangen, und auch wir richten nun an unsere Leser und Landsleute dies- und jenseits der Meere die Mahnung, nicht die Bitte, der Ehre des deutschen Namens gerecht zu werden!

Auch wir bitten, die Sendungen, um sie möglichst rasch zum Ziel zu führen, an die Firma „Brasch und Rothenstein“ in Berlin zu richten.

Die Redaction und Verlagshandlung der „Gartenlaube“. 



Unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_184.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2023)