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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Kopf, und zwar einen sehr treuen und guten, und deshalb gelang das schwierige Werk 1870 schneller und besser, als 1813 und 1814.

Es wäre eine sehr dankenswerthe Aufgabe für einen Fachmann, eine Parallele zu ziehen zwischen 1813/14 und 1870/71, zwischen dem Kampf gegen Napoleon den Ersten und dem wider Napoleon den Dritten, eine Parallele zwischen dem, was wir mit den „hohen Verbündeten“, und dem, was wir Deutsche allein ausgeführt haben. Ich sage: ein solches Buch müßte geschrieben werden von einem militärischen Fachmann, aber doch für alle Nicht-Fachleute verständlich; denn an dem Ruhme unserer Waffen haben alle Deutsche den nämlichen Antheil.




Allegorien und Embleme.

Allegorien! Eine ganze Welt traumhafter Gestalten und Bilder steigt vor uns auf, wenn dieses Zauberwort an unser Ohr schlägt. Eine lange, schier endlose Reihe von Gruppen und Einzelerscheinungen, in welchen zarte, hehre Frauen mit grimmigen Fabelthieren, holdes, rührendes Kinderlächeln mit grausigen Darstellungen des Sensenmannes in bunter Folge abwechseln, zieht an unserem geistigen Auge vorüber, und hinter ihr taucht die Erinnerung an die köstliche Schulzeit auf, da vor der begeistert aufhorchenden Jugend zum ersten Male das geheimnißvolle Wort von der Kunst der Alten, der ernsten, strengen und doch ewig schönen Antike, ausgesprochen wurde.

Die Allegorie, diese bedeutungsvolle Form in der bildenden Kunst, ist heute nicht mehr so viel, ja überwiegend gebraucht wie in vergangenen und halbvergangenen Zeiten; Goethe’s:

„Bilde, Künstler! Rede nicht!
Nur ein Hauch sei dein Gedicht!“

wird von unseren Künstlern fast zu weitgehend und jedenfalls etwas zu einseitig befolgt; denn in gewissem Sinne ist und bleibt die Geschichte der Allegorie die Geschichte der Kunst selbst, zum Mindesten der Malerei und Bildhauerei.

Afrika.
Aus dem Prachtwerke „Allegorien und Embleme,
herausgegeben von Martin Gerlach“.

Allegorie bedeutet bekanntlich die sinnbildliche Darstellung eines Gegenstandes durch einen andern ihm gleichenden, wobei Gegenstand und Bild einander zwar decken müssen, aber nicht verdecken dürfen, sodaß beide zu gleichzeitiger und ungeschmälerter Geltung gelangen. Die dritte der sogenannten „bildenden“ Künste, die Baukunst, vermag eine solche Doppelbedeutung nicht zum Ausdrucke zu bringen; ihr bleibt also die Allegorie unerreichbar, welcher Malerei und Plastik dagegen niemals völlig entrathen können. Von den Uranfängen dieser Schwesterkünste, welche auf das Bedürfniß nach sichtbaren Bildern für Götterbegriffe zurückzuführen sind, also von den primitiven ersten Götterdarstellungen, den unbearbeiteten Klötzen und viereckigen Steinen der Araber und Amazonen, den Riesenwerken der ägyptischen Sculptur, wie von der ältesten Venus zu Paphos bis auf die modernsten Versuche einer Versinnbildlichung des Magnetismus und der Elektricität, hat die Allegorie treulich die Kunst begleitet, anfänglich als ihre Herrin, später als ihre Dienerin.

Giebt uns somit die Kunst, als letzte und höchste Blüthe menschlicher Cultur, in ihrer wechselvollen Entwickelung ein fortlaufendes Bild der sich bald erweiternden, bald auch wieder verengenden Begriffs- und Phantasiewelt der Menschen, so gilt dies nicht minder von der Allegorie, insoweit sich dieselbe nicht gewisser feststehender, in allen Zeiten beibehaltener Symbole bedient, wie etwa der Darstellung des Lammes als Bild der Sanftmuth, oder des Löwen als Bild der Kraft und Macht. Diese Symbole werden, den allegorischen Göttergestalten beigegeben, zu Attributen derselben, und aus ihnen entwickelten sich später, auf rein menschliche Beziehungen, insbesondere auf die verschiedenartige sociale Thätigkeit der Menschen angewendet, die Embleme.

Eine Vergleichung der uns bekannten und geläufigen allegorischen Darstellungen der Alten, sowie jener der späteren Kunstepochen mit den Allegorien, zu welchen unsere modernen Künstler greifen, insbesondere wo es sich um die Darstellung neuer Begriffe handelt, welche den Alten wie auch unseren unmittelbaren Vorfahren noch unbekannt waren, giebt eine ebenso interessante wie lehrreiche Anregung, dem Fachmanne zu weiterer Schlußfolgerung, jedem Gebildeten aber zu nachdenklicher Betrachtung. Eine solche Vergleichung wird nun in dankenswerther Weise ermöglicht durch ein ebenso originelles wie instructives Werk: „Allegorien und Embleme, herausgegeben von Martin Gerlach“,[1] welches zwar vornehmlich die mittelbare und unmittelbare Belehrung des Kunstgewerbes in’s Auge gefaßt hat, doch aber vermöge seiner künstlerischen Anordnung und erschöpfenden Reichhaltigkeit auch im vorgedachten Sinne von besonderer Bedeutung ist. Der bekannte, ausgezeichnete Kunstgelehrte, Herr Dr. Albert Ilg, Custos und provisorischer Director an den kunsthistorischen Sammlungen des österreichischen Kaiserhauses in Wien, welcher den erläuternden Text zu dieser interessanten Publication verfaßt hat, bringt den angedeuteten Doppelzweck derselben in einer knappen, aber übersichtlichen Vorrede klar zum Ausdrucke.

Es werden hier die wichtigsten allegorischen Begriffe, welche seit Jahrhunderten die Künste beschäftigt haben, von den verschiedensten Künstlern frei nach ihrer ureigensten Auffassung dargestellt. Einen künstlerischen Decamerone nennt Dr. Ilg diese bunte Reihe, und hat damit wirklich die zutreffende Bezeichnung gefunden. Kunstrichtungen und Stilarten fast aller Epochen tauchen vor uns auf, wenn wir die vorliegenden einundvierzig Tafeln überblicken. Hier macht sich der noch lebhafte Einfluß der strengen Schulzeichnung nach der ernsten Antike geltend; dort glüht und leuchtet das farbensprühende Quattrocento; hier grüßt die nun zu hohen Ehren gekommene deutsche Renaissance; dort lächelt würdevoll und vornehm das Aschenpüttel der modernen Kunststile, einst eine vielgefeierte Schöne: die Baroke, und last not least macht auch das jüngste Kind unserer Kunstlaune, der moderne


  1. Originalentwürfe von den hervorragendsten Künstlern, sowie Nachbildungen alter Zunftzeichen und moderne Entwürfe von Zunftwappen im Charakter der Renaissance. Wien 1882, Gerlach und Schenk.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_160.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2023)