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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Angelegenheit mit dem Justizrath Freising zu erledigen, an den sein Onkel ihn gewiesen hatte. Dieser rechtskundige Herr war von der bevorstehenden Ankunft der Frau von Hertenstein unterrichtet; er kannte sie also jedenfalls näher und war in Folge dessen eine höchst interessante Persönlichkeit für den jungen Baron, dessen Besuch er schon am zweiten Tage erhielt.

Der Justizrath, ein Mann von einigen vierzig Jahren, eine große, hagere Gestalt, mit nicht unangenehmen, aber etwas pedantischen Zügen, empfing den Clienten in seinem Arbeitszimmer und schien schon auf dessen Kommen vorbereitet. Die nächste, etwas peinliche Veranlassung des Besuches war, dank der Großmuth des Freiherrn, sehr schnell erledigt. Der Rechtsanwalt konnte zwar ein leises bedenkliches Kopfschütteln nicht unterdrücken, als ihm der Betrag genannt wurde, um den es sich handelte, da er aber bereits die Weisung erhalten hatte, die Verpflichtungen des Herrn von Werdenfels anstandslos zu regeln, so erbat er sich nur die nöthigen Namen und Adressen. Paul gab diese sehr bereitwillig, er empfing dagegen mit einem frohen Aufathmen die Versicherung, daß die betreffenden Summen sofort bezahlt werden würden, und damit war diese Angelegenheit abgemacht.

Jetzt aber bot der junge Mann seine ganze Liebenswürdigkeit auf, das Gespräch aus dem Geschäftlichen in das Vertrauliche hinüber zu leiten, was ihm auch ohne große Mühe gelang. Er war völlig fremd hier, gedachte aber längere Zeit bei seinem Onkel zu bleiben und wünschte sich natürlich einigermaßen in der Nachbarschaft zu orientiren. In Felseneck bot sich leider keine Gelegenheit dazu, da man dort sehr abgeschlossen lebte, aber der Herr Justizrath war jedenfalls in der Umgegend bekannt und zu einer freundlichen Auskunft bereit.

Der Herr Justizrath war das allerdings; er besaß zum Glück nicht die impertinente Schweigsamkeit des alten Haushofmeisters und nahm keinen Anstand, dem jungen Baron, der sich so lebhaft für seine Nachbarschaft interessirte, die erbetene Auskunft zu geben.

Paul fragte zunächst nach mehreren Gutsherrschaften, die ihm sehr gleichgültig, und hörte einige Antworten, die ihm sehr langweilig waren, bis er endlich zu dem kam, was ihm einzig und allein am Herzen lag.

„Da ist mir noch ein Schlößchen aufgefallen,“ warf er mit anscheinender Gleichgültigkeit hin. „Es liegt etwa eine Stunde von Werdenfels entfernt und gehört ja wohl einer verwittweten Dame?“

„Sie meinen Rosenberg?“ fragte der Justizrath, „Es ist gegenwärtig im Besitz der Frau von Hertenstein.“

„Ganz recht! Ich habe zufällig in Venedig die Dame kennen gelernt, allerdings nur sehr flüchtig, aber ich gedenke doch in Rosenberg einen Besuch zu machen. Sind Sie dort bekannt, Herr Justizrath?“

Der Justizrath hob mit unverkennbarem Selbstgefühl den Kopf.

„Sehr genau, Herr Baron! Ich habe die Ehre, der Geschäftsführer und Rechtsfreund der gnädigen Frau zu sein. Ich stehe überhaupt in freundschaftlichen Beziehungen zu ihr, da ich sie schon vor ihrer Vermählung gekannt habe.“

Paul fand den Justizrath ungemein liebenswürdig; er rückte schleunigst seinen Sessel einen Schritt näher.

(Fortsetzung folgt.)




Gedanken des Prinzen Heinrich des Seefahrers

am 25. Januar 1883
an Bord von Seiner Majestät Schiff „Olga“.

„Heut’ ist’s wohl schön im Schlosse zu Berlin!

Das glaub’ ich! All die freudigen Geschwister,
Der ganze frohe Kranz, – er darf sich schmiegen
Traut an die Eltern, Glück und Freude strahlend,
Und dicht gefüllt von allen Hohenzollern
Und von den Schwagersippen, pranget heut’
Die graue Burg, die in der Spree sich spiegelt,
Der Königsadler sturmvertrauter Horst!

Nur Einer fehlt! – Der treibt auf fernen Wogen,
Und fremde Sterne schauen ihm auf’s Haupt:
Der Eine – der bin ich, Matrosenprinz,
Seefahrer Heinrich! Fast ein Halbkreis Erde
Trennt mich vom Vaterhaus: und etwas Heimweh
Wär’ heute keine Schande, sollt’ ich meinen! – –

Doch faß’ dich fest und stark, Lieutenant zur See:
Wir sind kein weich Geschlecht, dort in der Mark,
Und vollends nun ein Seemann, ‚rauh und starr‘!

’s ist gar nicht wahr! Ich bin nicht in der Fremde:
Denn deutscher Boden ist ein deutsches Schiff,
Ob es bei Grönland, ob bei Capland schwimmt,
Und über meinem Haupte schwebt auch hier,
Großvater, deines Reiches stolzer Aar.
Und sind mir auch die Sterne fremd da droben –
Dahinter blaut der Eine Himmel doch,
Und meine Wünsche dringen, mein Gebet
Auch hier zum alten, deutschen Gott empor.
Und weiß ich’s doch: nicht minder warm und herzlich
Als derer, die sie schau’n um sich geschaart,
Gedenken mein die Eltern, ja vielleicht
Noch zärtlicher, just weil ich ferne bin!

So thu ich gern und klaglos meine Pflicht.
Die Stunde schlägt; die Wache tret’ ich an.
Die goldne Hochzeit feir’ ich aber mit!“

 Felix Dahn.




Ein mittelalterliches Gesellenstechen auf dem Marktplatze zu Nürnberg.

Von Julius von Altenau.

Nürnberg! Welcher Deutsche hätte sie im Leben nicht wenigstens einmal besucht und bewundert, die alterthümliche und ehrwürdige Frankenstadt, berühmt durch ihre mittelalterlichen Mauern und Thore, durch ihre zahlreichen und hochgethürmten gothischen Dome, durch ihre zierlichen Façaden und Erker! Wessen Ohr hätte nicht mit Andacht dem feierlich-tiefen und volltönenden Klange der Glocken von St. Lorenz gelauscht, oder um die Mittagsstunde beim Anblicke der Liebfrauenkirche am Automatenspiele des „Männleinlaufens“ sich ergötzt und sich zurückgeträumt in längst entschwundene Jahrhunderte! Ist doch Nürnberg mit seiner reichen und ruhmvollen Geschichte unter den Großstädten Deutschlands die einzige, welche sich das charakteristische Gepräge der Vergangenheit fast vollständig unversehrt bewahrt hat; und wenn bedauerlicher Weise auch der „Zahn der Neuzeit“ an der Peripherie hier und da bedenklich zu nagen begonnen, so tritt doch, je mehr man sich dem Kerne der Stadt nähert, jener unverfälschte Typus altdeutscher Architektur immer eindrucksvoller hervor, um schließlich im Centrum, dem weltbekannten Marktplatze, seinen Höhepunkt und würdigen Abschluß zu erreichen.

Auf diesen auch geschichtlich hochinteressanten Marktplatz, dessen Schönheit jedoch leider durch moderne Arcaden mit Verkaufsbuden einigermaßen beeinträchtigt wird, führen wir heute unsere Leser, indem wir sie bitten, mit uns vor dem an der südlichen Seite gelegenen großen und langgedehnten Gebäude, als dem Aufnahmspunkte unserer Abbildung, Stellung zu nehmen. Dieses Haus gehörte einstmals der Patricierfamilie Rieter von

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_060.jpg&oldid=- (Version vom 17.12.2023)