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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Die Ueberschwemmung in Mainz, November 1882;
Versorgung mit Trinkwasser.

Nach der Natur gezeichnet von Ferdinand Lindner.

Dieser grauenhafte vierfache Todesfall steht glücklicher Weise vereinzelt da, aber andere Fälle, wo namentlich Kinder in der Angst und Hast der nächtlichen Flucht verloren gingen und später als Leichen aufgefunden wurden, haben sich leider mehrfach wiederholt. Sehr häufig schwebten übrigens, besonders in den abgelegenen Stadttheilen, ganze Familien Stunden, ja halbe Tage lang in Lebensgefahr, bevor die erlösenden Boote sie abholen konnten; denn Hunderte und Tausende, die sich in gleicher Lage befanden, mußten gerettet werden, und Einige mußten unvermeidlich die Letzten sein.

Dann galt es, die Geretteten anderweitig, wenn auch vor der Hand nur provisorisch, unterzubringen, und auch hier kamen wieder die von der Wassersnoth verschont Gebliebenen den Unglücklichen von allen Seiten entgegen. Hülfsvereine hatten sich schon gleich in den ersten Tagen gebildet, als die Gefahr so bedrohlich zu werden begann, und nun entfalteten vorzugsweise die Frauen ihre segensreiche Thätigkeit. Keine Stadt, keine Ortschaft, zuletzt kein Dorf, wohin sie den Bedürftigen nicht ihre Liebesgaben entweder selbst brachten oder sandten: Betten, Kleider, die nothwendigen Haus- und Küchengeräthe und vor Allem Lebensmittel in Menge; denn gerade diese mangelten vollständig. Es schien ein wahrer Segen auf diesen Vertheilungen zu ruhen; denn je mehr die Vereine in Anspruch genommen wurden, desto reichlicher flossen die Gaben. Bäcker lieferten hunderte von Broden umsonst, oder doch für den halben Preis; Bergwerksbesitzer sandten Kohlen waggonweise nach allen Richtungen, Getreidehändler Mehl und Hülsenfrüchte, und von allen bemittelten Familien wurden Kleidungsstücke, Wäsche und sonstige Effecten massenhaft nach den verschiedenen Sammelstätten geschickt.

Die Ueberschwemmung in Mainz, November 1882: Ein Begräbniß.
Nach der Natur gezeichnet von Ferdinand Lindner.

Das war zur Linderung der ersten Noth. Gleichzeitig waren die eigentlichen Unterstützungscomités zusammengetreten, und noch bevor derselben durch das ganze Land ihre Aufrufe erlassen hatten, gingen schon Geldsendungen ein. Die Reichen gaben viel, manche mehrere tausend Thaler, die weniger Begüterten nach Kräften, und selbst die Unbemittelten wollten nicht zurückbleiben. Auch im übrigen Deutschland wurden Sammlungen angestellt, und von Berlin, Hamburg, Leipzig, Dresden, Königsberg waren bereits um die Mitte des Decembers namhafte Summen eingetroffen. Und immer weiter hinaus erstreckte sich die Theilnahme: von den Deutschen in London und Paris, aus Oesterreich kamen Beiträge, und die Listen sind, so Gott will, noch lange nicht geschlossen. Der preußische Minister des Innern stellte eine Beihülfe von einer halben Million aus Staatsmitteln in Aussicht, und die Provinziallandtage von Rheinland und Westfalen votirten eine ähnliche Summe. So werden leicht mehrere Millionen zusammenkommen, aber viele, viele Millionen sind auch nöthig, um alle Wunden nur einigermaßen

zu heilen und alles Verlorene nur theilweise zu ersetzen. Bis

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_052.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)