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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)


Die Hoffnung zog mit ihm den Weg entlang.
Doch immer schlimmer ward der Weg. Das Wasser drang
Aus hundert Bächen hin und wieder;
Geröll und Stämme führt es nieder.
Es wälzt den Stein, zerbricht den Stamm;
Sumpf wird das Feld, die Wiese Schlamm,
Und wo ein Mensch zu sehen war,
Der jammert: welch entsetzlich Jahr!

So unter Mühsal und Bedrängniß,
Blei in den Füßen und im Herzen Bängniß,
War jener Mann bis Pergine gekommen.
Dort hat vom Ersten, den er angesprochen,
Die Schreckensbotschaft er vernommen:
Die große Schleuse bei Santangel sei durchbrochen,
Es wälze sich der Wildbach Fersina
Ein unbarmherz’ger Katarakt zu Thale;
Der Stadt Trient sei schon das Unheil nah.

O Heimath, mußt du in so bittrer Schale
Das süße Wiedersehen mir kredenzen!
Von Festen träumt ich und von Winzertänzen,
Als mir die Liebste schrieb zum letzten Male,
Daß bis Ala, bis an die Landesgrenzen
Sich unter ihrer Ueberlast von Trauben
Krumm bögen unsre vollen Rebenlauben!
Und nun! Von Bozen bis zur Ebene
Der Venetianer ist das Land ein See,
Darin des reichen Sommers Gottesgaben
Mit allen unsren Hoffnungen begraben.

So denkt der Mann und macht auf’s Neu’ sich fort.
Und in der Angst spricht Hoffnung noch ihr Wort:
Es sei sein Dorf, sein Gut mit seinen Lieben
In all der Noth doch wohl verschont geblieben!
Doch kaum in Borgo, klagt man ihm die Noth:
Aus ihren Ufern sei die Brenta schon getreten,
Die Ortschaft Grigno just zumeist bedroht.
Die Hände faltet er zu stillem Beten,
Dann stürmt er fort, das arme Herz voll Bangen;
Nun muß er zu den Seinigen gelangen
Rechtzeitig, um zu helfen und zu retten.
Er eilt dahin. An seine Füße ketten
Sich Angst und Sorge, doch er eilt dahin,

Schweiß auf der Stirne, Bitterniß im Munde.
Da wälzt auf einmal gegen ihn –
Er war kaum eine halbe Stunde
Von Grigno mehr entfernt – sich eine schlamm’ge Masse,
Wildschäumend, ein Gebräu von Fluthen und Gerölle;
Als ob aus allen Ritzen Wasser schwölle,
So überströmt’s in einem Nu die Gasse.
Und auf den tollgewordnen Wellen kommen –
Vier Särge nach einander hergeschwommen.
Die Fluth hat ihre Deckel abgethan.
Wie schwarze Schifflein schwimmen sie heran.
Er reißt die Augen auf. Er sieht genau:
Was ihm vorüberschwimmt … die Leiche seiner Frau!
Er wußte nicht einmal, daß sie gestorben!

Den Friedhof hat das Wasser unterwühlt,
Und was es nicht zertrümmert und verdorben,
Mit fortgerissen und zu Thal gespült.
O bittre Schale! Bittrer noch der Trank!

Sein klein Besitzthum war ein Trümmerhaufen,
Der mehr und mehr in Schlamm und Wasser sank.
Nichts mehr zu retten, nichts mehr zu verkaufen,
Die Wiesen und die Felder weggeschwemmt!
Die Kinder waren in den Wald gelaufen,
Das nackte Leben und das bloße Hemd –
Sie hatten weiter nichts gerettet
Und unter Moos und altem Blätterfall
Wie müdgehetzte Thiere sich gebettet,
Derweil die Fluth, die überall
Durch die geborstnen Wände brauste,
Breit in den eingestürzten Hütten hauste …

Und denken müssen, daß dieselbe Noth
Im Westen wie im Süden uns bedroht,
Daß auch am Neckar und am Main und Rhein
Die Flüsse sich zu Seeen weiten
Und hier wie dort dieselbe Noth verbreiten …
Hart wahrlich waren diese letzten Zeiten!
Gott geb’s, daß sie zu Ende sei’n!

Die Uhr tickt an; der Zeiger, sieh’, bewegt
Sich nah’ an Zwölf. Doch, eh’ es schlägt,
Macht Euch den Vorsatz fest und klar:
Wir wollen in dem neuen Jahr
Was man entbehren kann, verschenken
Und niemals uns bedenken,
Um unter dieser Erde Kindern,
Was an uns ist, die Noth zu lindern.

Nicht wahr, das gilt? Drauf stoßet an
Und rücket dicht an mich heran,
Ganz nah zu meinem Herzen!
Wie glühn so hübsch im Weihnachtstann
Die Stümpfchen noch der Kerzen!
Wenn draußen Sturm die Welt verheert,
Schätzt man noch eins so hoch den Herd.
Bleibt alle mir erhalten –
Deß soll der Herrgott walten!

Hört Ihr: die Uhr hebt rasselnd aus
Zu zwölf gemess’nen Schlägen.
Ein Klingen geht durch’s ganze Haus,
Ein Jubel und ein Segen.
Nun hurtig, schenkt die Gläser voll!
Ihr Jungen schreit mir nicht so toll!
Die Glocke schlägt; aus rinnt der Sand,
Wir wollen fröhlich Hand in Hand
Dem neuen Jahr begegnen,
Das soll uns Gott gesegnen!

Und nun, ihr Wilden, seid fein still
Und schleicht mir auf den Zehen!
Der Vater mit der Mutter will
Auch nach den Kleinen sehen.
Sie schlafen in den Bettchen fein
Getrost in’s neue Jahr hinein …
Prost Neujahr, Schätzchen! und so guck’
Mich an! Ein Küßchen und ein Schluck!
Prost Neujahr, liebe Seele mein!
Und jetzt schlaf ruhig wieder ein!

Wir aber gehn zum Saal zurück
Und singen uns ein altes Stück,
Das Gott für uns geschrieben:
Es lebe, was wir lieben!
Glückauf für heut und immerdar!
Ein recht glückselig neues Jahr!




Unsere Jagdhunde.

Von O. von Riesenthal.

Die Bezeichnung „Jagdhund“ wird im Allgemeinen auf so verschiedenartige Hunde angewandt, daß eine kurze Charakterisirung dieser Zweige des großen Stammes „Hund“, des treuesten Freundes des Menschen, nicht unwillkommen sein dürfte.

Wenn wir unter „Jagdhund“ alle Hunde verstehen, welche der Jäger für seine Zwecke verwendet, so ist allerdings der Vorstehehund ebenso ein Jagdhund, wie der Teckel oder Dachshund, der Schweißhund, der Windhund, der Finder und der Packer; denn sie alle werden zur Jagd gebraucht; so verschieden aber ihre Gestalt unter einander ist, ebenso weichen auch ihre Eigenschaften und die Art ihrer Verwendung von einander ab.

Halten wir kurz die verschiedenen Jagdmethoden, so weit es angeht, aus einander, so gruppiren sich danach auch die Hunde; streng sondern lassen sie sich nicht.

Die verbreitetste und üblichste Jagd – wenigstens bei uns – ist die Suche mit dem Vorstehhunde nach Hasen, Hühnern, Schnepfen und ähnlichem kleinen Wilde, Enten nicht zu vergessen; hier kommt es darauf an, daß der Hund vermöge seiner vorzüglichen Nase (Witterungsvermögen) dieses Wild findet, in kurzer Entfernung vor ihm stehen bleibt (daher Vorstehhund) und nur auf Geheiß des Jägers dasselbe aufjagt, sodaß es dieser durch den Schuß erlegen kann; da das bei dieser Jagd häufigste Wild die Feld- oder Rebhühner sind, so wird dieser Hund auch häufig „Hühnerhund“ genannt.

Es wird nach dem Gesagten auch dem Laien sogleich klar sein, daß ein Vorstehhund das Wild nicht jagen darf; thut er es, so kommt der Jäger nicht zu Schuß, wie es freilich manchem Sonntagsjäger mit seinem Flambeau oder Perdrix geht, der solchen Jagdausflug als eine Vergnügungspartie nicht für seinen Herrn, sondern für sich ansieht und, statt vor Huhn und Hase zu stehen, sie jagt, soweit der Himmel blau ist, dem Herrn sein eigenes Jagdvergnügen anheimstellend. Der geschulte Vorstehhund ist mithin kein Jagdhund.

Unter einem solchen versteht der Jäger einen Hund, welcher das gesunde, also nicht angeschossene Wild, auf dessen Spur, auch ohne es zu sehen, so lange jagt, bis er es in des Jägers Gewalt gebracht hat, der es entweder schießt oder mit einer Handwaffe tödtet; daß hier nur Säugethier-, oder wie der Jäger sagt, „Haar“-Wild gemeint sein kann, versteht sich von selbst.

Will man z. B. einen Hasen jagen, so nimmt man einen oder zwei Jagdhunde, läßt sie den gefundenen Hasen jagen, was sie laut und eifrig thun, und bleibt da, wo die Jagd anfing, das heißt der Hase herausfuhr, etwas versteckt stehen, weil dieser nach einiger Zeit dahin zurückkehrt und dabei geschossen werden kann; oder aber, will man eine große, dem Menschen schwer zugängliche Dickung, ein Röhricht oder ähnliche Oertlichkeit abjagen, so umstellt man dasselbe mit Schützen und läßt die Hunde hinein, wozu allerdings, je nach Verhältnissen, mehrere nothwendig sind, und schießt das von den Hunden gejagte, bei den Schützen vorbeikommende Wild. Zu dieser Jagd eingeübte Hunde nennt man ausschließlich Jagdhunde oder Bracken, solche Jagd: „Brackenjagd“, und eignen sich dazu verschiedene Hunde, wenn sie nur gute Nase haben und dauernd auf der einmal angenommenen Fährte jagen. So unbrauchbar ein jagender Hühnerhund ist, so untauglich ist eine nicht anhaltend jagende oder die Spur verlierende Bracke.

Da die Bracken beim Jagen sich selbst überlassen sind und häufig, besonders im Walde, vereinzelt jagen, so legt man auf ihre äußerliche Zusammengehörigkeit auch wenig Gewicht. Diese Hunde vermitteln die Jagd mit dem Schießgewehr.

Soll das Wild aber nicht geschossen, sondern durch Ermüdung

anderweitig erlegt werden, wobei der Jäger den schnellen Hunden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_016.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2023)