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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Petroleum überhaupt vom Handel auszuschließen oder doch für feuergefährlich zu erklären – diese Frage scheint mir nicht fern zu liegen.

Ueberdies ist zu bemerken, daß die schweren Oele mit hohem Entflammungspunkt ihrer Dickflüssigkeit wegen in den Dochten weniger gut steigen und daher eine besondere Lampenconstruction erfordern.

Vor Allem darf aber in dieser Beziehung nicht außer Acht gelassen werden, daß Deutschland derjenige Staat ist, welcher den größten Petroleumconsum aufweist (1879 wurden nicht weniger als fünf Millionen Centner verbraucht). Würde man auch nur einen um wenige Grade höhern Entflammungspunkt gefordert haben, so hätten sich die Mehrkosten doch auf etwa zwölf Millionen Mark belaufen; die Schädigung des Nationalvermögens wäre also bedeutend gewesen.

Aber auch der Handel und speciell das Exportgeschäft hätten unter einer solchen Bestimmung zu leiden gehabt, indem das deutsche Petroleum alsdann für die umgebenden Länder zu theuer geworden wäre. Von welchem Umfang aber dieser Export ist, geht wohl am besten daraus hervor, daß die deutschen Bahnen allein von dem über Bremen nach Oesterreich und der Schweiz verladenen Petroleum im Jahre 1879 an Fracht eine Einnahme von circa 1,200,000 Mark erzielten.

Wenn wir demnach am Schlusse der vorstehenden Erörterungen zu der Ansicht kommen, daß auch nach Einführung der neuen Verordnung über den Handel mit Petroleum Explosionen von Lampen durchaus möglich sind, so wird doch dieser Uebelstand durch das feste Bewußtsein gemildert, daß die Gefahr auf das erreichbare Minimum verringert wurde und daß jedenfalls die Zahl der Unglücksfälle in Zukunft noch erheblich abnehmen wird. Trotzdem ist nach wie vor die größte Vorsicht dem Petroleum gegenüber nöthig.

Dr. A. Fock.




Blätter und Blüthen.

Literarische Weihnachtsneuigkeiten. Die zierlich gebundenen und goldschnittgeschmückten Novitäten der Weihnachtsliteratur beginnen sich auf unserem Büchertische zu mehren. Wie lustige bunte Vögel in üppiger Federpracht, flattert eines nach dem andern uns zu. Auf denn! Thun wir unsere Pflicht! Rechtzeitig darauf bedacht, daß dem vorsichtig wählenden Auge unserer Leser ein berathender Führer auf dem Büchermarkte des Christfestes nicht fehle, eröffnen wir heute eine kurze Umschau über die uns zunächst zur Besprechung vorliegenden literarischen Neuigkeiten, soweit sie sich zum Schmucke des Weihnachtsfesttisches eignen. Einen Hinweis auf die Novitäten der Prosadichtung sowie auf die neuesten Prachtwerte uns einstweilen vorbehaltend, registriren wir vorläufig einige neue Erscheinungen auf dem Gebiete der Poesie. Zwei Sammlungen lyrischer Gedichte mögen den Reigen eröffnen; die Namen beider Dichter sind unseren Lesern längst vertraut: Ernst Scherenberg und Alfred Friedmann.

Ernst Scherenberg, der patriotische Liedersänger, tritt mit „Neuen Gedichten“ (Leipzig, Ernst Keil) vor das Publicum. Die Eigenart unseres Dichters kennzeichnet sich durch das Zusammentreffen zweier Momente, die bei den Poeten der Gegenwart sich nicht gerade häufig vereinigt finden: er verfügt zugleich über die zu Herzen gehende Melodie echter und tiefer Empfindung, die sich im leicht geschürzten Liede anspruchslos austönt, und über den vollen und kräftigen Brustton eines männlich bewegten Pathos, dem er in vaterländischen Gesängen, in politischen Hymnen einen monumentalen Ausdruck leiht. Unser Dichter gehört ohne Frage zu den hervorragendsten Vertretern des heutigen lyrischen Parnasses in Deutschland, und man darf seinen Liedern daher die weiteste Verbreitung wünschen. Die vorliegende Sammlung zerfällt in die Abtheilungen: „Stimmungen“, „In der Krankheit“, „Sprüche und Sinngedichte“, „Vermischte Gedichte“ und „Zeitgedichte“ und enthält des Schönen und Bedeutenden vieles. Einige dieser Gedichte, wie das stimmungsvolle Lied „Ein Thurm einst ragte“, das sinnige Gedicht „Zwei Spätherbstrosen“ und das patriotische Festlied „Die Kaiserglocke“ sind lyrische Proben von dauerndem Werthe. Mögen Scherenberg’s „Neue Gedichte“ ein wirklicher geistiger Besitz von Alldeutschland werden!

Weniger tief in der Empfindung und geistig auf kleinere Ziele gerichtet als die Scherenberg’schen sind die sehr achtbaren „Gedichte“ von Alfred Friedmann (Leipzig, Wilhelm Friedrich). Unser Poet ist vor Allem ein gewandter und graziöser Versificator; seine Strophengebäude und seine Rhythmen zeigen vielfach neue eigenartige Erfindungen, und nach dieser Seite hin bilden seine „Gedichte“ eine wahre Musterkarte, allen Liebhabern solcher strophischen Neubildungen zur Freude. Liefe nur neben den meistens wirklich glücklich gebildeten Formen hier und da nicht einiges Manierirte mit unter! Was Friedmann’s Lebensanschauung und sein dichterisches Naturell betrifft, so ist er ein ausgesprochener Optimist, etwas von einem Mirza Schaffy in deutschem Gewande, wie er denn auch Friedrich Bodenstedt seine Sammlung widmet. Unser Dichter ist eine vornehme Natur, die einem edlen Schönheitscultus huldigt, und seine „Gedichte“ dürfen mit Recht allen denen empfohlen werden, welche in unserer poesielosen Zeit noch Sinn für das anmuthige Spiel mit schönen Formen und die feine Ciselirarbeit künstlerisch modellirter und zugespizter Gedanken haben.

Den beiden soeben besprochenen längst bekannten Lyrikern schließt sich in unserer heutigen Revue ein bisher noch wenig gewürdigter, junger lyrischer Epiker an: Hermann Eduard Jahn, dessen neueste Dichtung Slavina“ (Leipzig, Karl Reißner) uns vorliegt. Es ist der gewaltige Kampf des hereinbrechenden Christenthums gegen das Heidenthum, welchen uns der Dichter im Spiegel seines Epos schildert. Markige, heldenhafte Gestalten treten uns hier auf dem stürmischen Hintergrunde des Mittelalters und dem unwirthlichen, wüsten Boden des alten Wendenlandes an der Ostsee entgegen; das blutige Aufeinanderprallen der geschichtlichen Gegensätze alten und neuen Glaubens findet in der christlichen Slavina einerseits, in dem wendischen jungen Krieger Wlawslaw andererseits seine poetischen Hauptrepräsentanten, um welche die übrigen Gestalten der Dichtung sich künstlerisch gruppiren und dramatisch bewegen. Handlung und Charaktere sind in großen, kühn hingeworfenen Umrissen mehr skizzirt als gezeichnet, und das phantastische Colorit, das über dem ganzen Epos ausgebreitet liegt, stimmt auf’s Beste zu dem sagenhaften Inhalte desselben. Aber trotz aller düstern Beleuchtung und romantischen Einkleidung fehlt es Jahn’s „Slavina“ weder an plastischer Kraft der Gestaltung noch an präcisem Aufbau der sich correct entwickelnden Handlung: ein gesunder, kräftiger Realismus, der nur hier und da in eine etwas allzu ungenirte Sinnlichkeit überschlägt, hält in dieser Dichtung dem Phantastischen sehr glücklich die Wage. Von besonderer wilder Schönheit sind Jahn’s ganz in’s Lyrische getauchte Landschaftsbilder, welche das dämonische Colorit Ossian’scher Farbengebung nicht verschmähen. Es ist ein grotesker Freskenstil, in dem die Decorationen der Dichtung sich vor uns aufthun, wie denn gleich die das Ganze einleitende Schilderung einer Sturmnacht denselben Geist düsterer Naturmalerei athmet, den wir aus den Skaldenliedern des Nordens kennen. – Ohne hier auf die Einzelheiten des Jahn’schen Gedichtes eingehen zu können, stehen wir nicht an, „Slavina“ als das Werk eines Talentes zu bezeichnen, das für die leidenschaftlich bewegte lyrische Epik reich begabt ist. Wir dürfen von der literarischen Zukunft des jugendlichen Dichters das Beste erwarten.

Von dem aufsteigenden Gestirne Jahn’s zu der voll aufgegangenen Sonne des viel gefeierten, aber auch viel befehdeten Sängers der „Amaranth“, Oscar von Redwitz! Das Product des Dichters, auf welches wir hinweisen möchten, ist eine episch-lyrische Erzählung in graziös geschürzten Reimstrophen, die oft ein leiser humoristischer Hauch durchweht. Wir meinen die anmuthige Idylle „Ein deutsches Hausbuch“ (Stuttgart, J. G. Cotta). Diese soeben in zweiter unveränderter Auflage versandte Dichtung eroberte schon bei ihrem ersten Erscheinen im Fluge den deutschen Familientisch, und dort ist auch ihre rechte und echte Heimstätte; denn der ausgesprochen häusliche Ton des Buches, aus dessen leicht gewobenen Versen man mitunter förmlich das Knistern der Herdflamme, das trauliche Tiktak der Hausuhr herauszuhören meint, macht es besonders geeignet für die Lectüre im Familienkreise. Es ist kein neues Buch – es ist, wie gesagt, eine zweite Auflage, und so dürfen wir uns hier wohl ein Eingehen auf seinen bekannten Inhalt ersparen, der, kurz gesagt, die Geschichte zweier Herzen schildert, vom ersten Sichfinden an bis in die Zeit der hohen Greisentage hinein. Es ist viel Herzenswärme, viel wohlthuende Sinnigkeit in dieser Dichtung, und zugleich leuchtet uns aus den auf den verschiedensten Versfüßen sich bewegenden Capiteln manch Körnlein schlicht vorgetragener, aber echter Weisheit entgegen. Oscar von Redwitz hat mit dieser Idylle nicht nur ein wirkliches „Deutsches Hausbuch“, er hat eben deshalb auch ein gutes deutsches Volksbuch geschaffen, das gern gelesen werden wird überall, wo deutsche Herzen schlagen.

An den Hinweis auf diese Erzeugnisse der neuesten deutschen Dichtung fügen wir zum Schlusse noch eine kurze Betrachtung über zwei deutsche Aneignungen aus dem Gebiete der fremdländischen Literatur. Zuerst führen wir unsere Leser nach dem Norden, nach dem schönen Schweden.

Esaias Tegnér’s „Lyrische Gedichte“, herausgegeben zum hundertjährigen Geburtstage des Dichters und übersetzt von Gottfried von Leinburg (Leipzig, Oscar Leiner), haben soeben die Presse verlassen. Wie tief im deutschen Gemüthe die Liebe und das Verständniß für den großen schwedischen Dichter wurzelt, das hat sich gelegentlich seines in diesen Wochen auch bei uns in allen Gauen gefeierten Geburtsjubiläums in erfreulichster Weise gezeigt. Nicht nur in den Organen der Presse und den Versammlungssälen literarischer und anderer Vereine brachte man dem Sänger der „Frithjofs-Sage“ den verdienten Ehrenzoll dar, auch die Verzeichnisse des deutschen Büchermarktes nennen den gefeierten Namen des nordischen Dichters heute mehrfach bei Ankündigung neuer Uebersetzungen. Eines dieser Uebersetzungswerke liegt uns vor: Gottfried von Leinburg’s oben näher bezeichnete Verdeutschung von Tegnér’s „Lyrischen Gedichten“. Sind die größeren epischen und episch-lyrischen Dichtungen des Bischof’s von Wexiö, seine „Frithjof-Sage“, seine „Abendmahlskinder“, sein „Axel“, längst Eigenthum des deutschen Volkes, so gilt dies bisher durchaus noch nicht von seinen „Lyrischen Gedichten“, welche bis zur Stunde nur in unvollständigen oder der Form nach mittelmäßigen Uebertragungen zu uns gedrungen sind. Leinburg’s Verdeutschung derselben verdient daher um so größere Beachtung und um so wärmere Anerkennung. Der Uebersetzer, auf dessen vortreffliche Uebertragung von Tegnér’s „Kleineren epischen Gedichten“ (Leipzig, in gleichem Verlage) wir hier im Vorübergehen auszeichnend hinweisen, ist als gewandter und geistvoller Vermittler zwischen den nordischen Literaturen und dem deutschen Schriftthum längst rühmlich bekannt, und seine Uebertragungen Tegnér’scher, Oehlenschläger’scher und anderer Dichtungen Skandinaviens haben in der Welt der Leser wie der Kritiker gleiches Lob geerntet durch die große Sicherheit, mit der sie die richtige Mitte treffen zwischen pedantischer Treue und pietätloser Willtür in der Wiedergabe des Originals. Auch die vorliegenden „Lyrischen Gedichte“ halten diese glückliche Mitte inne; sie lesen sich leicht wie das Original selbst und bringen dessen Schönheit in virtuoser Weise zur Geltung. Biographische, kritische und sachliche Mittheilungen zu den Gedichten erhöhen den Werth dieser Ausgabe, und da die Ausstattung eine in jeder Beziehung elegante ist, so darf das Werk als für den Weihnachtstisch besonders geeignet bezeichnet

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