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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

wird sich der Leser einen Begriff von der Größe und Wichtigkeit dieser Industrie machen können.

Gegen das Ende der siebenziger Jahre fand eine bedenkliche Verminderung in den Heerschaaren der Salmen statt, welche, aus dem Meere kommend, zur Frühlingszeit den Columbia hinaufziehen, sodaß die Besitzer der „Canneries“ zusammentraten und eine Lachszucht-Anstalt an dem in den Willamette fallenden Clackamasfluß in’s Leben riefen, um der Vermehrung dieser Fische systematisch nachzuhelfen; es wurden während der letzten drei Jahre von dieser Anstalt jährlich an fünf Millionen junger Salmen ausgesetzt. Leider ist die Lage jener „hatching Station“ keine besonders günstige, da sie achtzehn englische Meilen oberhalb Portland angelegt wurde, sodaß die jungen Fische zuerst durch das Gewässer des Willamette, welches durch den Unrath einer großen Stadt inficirt ist, schwimmen müssen, ehe sie in den Columbia gelangen. Welchen Einfluß diese junge Brut auf die künftige Einwanderung der Lachse haben wird, läßt sich noch nicht bestimmt sagen. Da aber im Jahre 1880 etwa anderthalb Millionen Salmen im Columbia gefangen wurden, so scheint es mit dem Aussterben der Lachse daselbst vorläufig noch gute Wege zu haben.




Neues von dem alten Ritter Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.

Von Karl Braun-Wiesbaden.

Die Gestalten Wallenstein’s (richtig: Waldstein) und Götz von Berlichingen’s sind uns der Regel nach weniger aus der Geschichte bekannt, als aus den gleichnamigen Dichtungen Schiller’s und Goethe’s. Allein Gedichte und Geschichte stimmen nicht stets mit einander überein. Goethe läßt seinen Götz unmittelbar nach der Niederlage der Bauern, deren mehr oder weniger unfreiwilliger Hauptmann er geworden, im Gefängniß sterben, gebrochenen Herzens. Also etwa schon 1525 oder 1526. Die Wahrheit ist aber, daß Götz zwei ganze Jahre – bis 1530 – zu Augsburg, wo er sich, obgleich seine Freunde ihm davon abgerathen hatten, freiwillig auf Ladung gestellt hatte, in Haft gehalten und erst dann gegen Ausschwörung einer harten Urfehde entlassen wurde, deren Ableistung man zur Bedingung seiner Haftentlassung gemacht hatte. Nach den heutigen Rechtsbegriffen war diese Erwirkung der Urfehde die reine Erpressung.

Götz mußte nämlich in derselben bekennen, daß er sich „in der vergangenen bäurischen Empörung mit den abgefallenen aufrührerischen Unterthanen als ein Hauptmann und Mithelfer eingelassen und zu Beschädigungen der Bunds-Staend (d. h. der Mitglieder des schwäbischen Bundes) geholfen hab’.“

Er mußte versprechen, daß er dem Cardinal-Erzbischof von Mainz zu Recht stehen werde, namentlich auch wegen der Ansprüche auf Ersatz des dem Gotteshause bei Amorbach zugefügten Schadens – desgleichen auch dem Bischof von Würzburg wegen ähnlicher Ansprüche – und daß er sich dem Erkenntnisse unterwerfen wolle, welches „die gemeine Versammlung des schwäbischen Bundes“ oder deren Beauftragte in diesen Sachen fällen würden. Endlich aber – und das war das Schlimmste – mußte er, der Ritter, sich verpflichten, nie wieder ein Pferd zu besteigen, sowie sein Schloß in Hornberg und die dazu gehörige Gemarkung niemals wieder zu verlassen.

In dieser harten Gefangenschaft – denn anders kann man diese Freiheitsbeschränkung wohl nicht nennen – hat Götz von Berlichingen beinahe den ganzen langen Rest seines Lebens in Unmuth und Kummer zugebracht und vertrauert. Er ist erst am 23. Juli 1562 gestorben, hat also dreißig Jahre lang unschuldig gelitten, nachdem er 1530 die Urfehde in Augsburg beschworen. Er hat sein beschworenes Wort ritterlich gehalten, obgleich es ihm auf dem Wege der Erpressung abgerungen war, und obgleich ihm, dem in der Kraft seiner Jahre stehenden Manne, der an ein vielbewegtes Leben gewöhnt war, eine Clausur, welche er nicht einmal durch einen Ritt unterbrechen durfte, außerordentlich schmerzlich sein mußte.

Während seiner zweijährigen Haft in Augsburg sperrte man ihn gänzlich von der Außenwelt ab. Man hat wahrscheinlich sogar die Briefe unterschlagen, welche er aus der Gefangenschaft an seine Brüder und Freunde gerichtet; denn gewiß ist, daß die Briefe nicht in deren Hände gelangt sind. Ja, als er erkrankt war und sich „einen Pfaffen“ verschrieben hatte, ließ man diesen nicht zu ihm.

Götz verzweifelte beinahe ob dieser Behandlung, namentlich darüber, daß man ihm nicht gestattete, sich gegen die wider ihn erhobenen Anklagen zu vertheidigen, welche alle von den Bauern verübten Grausamkeiten, Requisitionen, Plünderungen und sonstige Schädigungen ihm ausschließlich zur Last legten und ihn für Alles verantwortlich und ersatzpflichtig machen wollten.

In seinen späteren Aufzeichnungen erklärt er jene von ihm unterschriebene Augsburger Urfehde für ein schändliches Actenstück, das er im Zustande der Selbstbestimmung und der Freiheit niemals unterschrieben haben würde; nur die zuversichtliche Hoffnung, sobald ihm die Freiheit wiedergegeben worden, seine Vertheidigung ohne widerrechtliche Beschränkung führen, jene Anklagen entkräften und sich gegenüber den Gerichten, den Mitlebenden und der Nachwelt von allem Makel reinigen zu können, habe ihm die Feder geführt, als er, mit widerstrebendem Herzen, jene Urkunde unterzeichnet.

Nur zweimal noch ist er mit kaiserlichem Dispens von Hornberg aus in Wehr und Waffen auf’s Neue zum Kampf und Streit hinaus in die Welt geritten, das eine Mal, als er, dem Rufe Kaiser Karl’s des Fünften folgend, 1541 wider die Türken stritt, und das andere Mal, als er 1544 mit des nämlichen Kaisers siegreichem Heere in das innere Frankreich zog, um dort den Frieden dictiren zu helfen. Im Uebrigen hat er auf seiner Burg stille gesessen und den Abend seines Lebens vorzugsweise dazu verwendet, seine Denkwürdigkeiten zu schreiben und seine Processe zu führen. Er hat also in Wirklichkeit mehr als ein Menschenalter länger gelebt, als ihn Goethe leben läßt, der natürlich für sein Drama einen Niedergang nicht brauchen konnte, der sich so lange hinauszieht.

Goethe hat dem alten Ritter sechsunddreißig Jahre seines Lebens genommen, aber er hat ihm dafür die Unsterblichkeit gegeben. Jener Raub ist nur ein imaginärer. Diese Unsterblichkeit ist wirklich. Auf wessen Stirn die leuchtende Flamme des Genius ihr ewiges Licht geworfen, der wird nicht untergehen im Gedächtniß seines Volkes – auch nicht in dem der anderen Völker. Hat doch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 779. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_779.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)