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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

und des Leders benutzt. Der nicht unbedeutende Gehalt des Holzes an Gerbstoffen gab in früheren Zeiten manchem Arzte Veranlassung, es auch in Krankheiten als Heilmittel anzuwenden.

Man unterscheidet im Handel hauptsächlich vier Sorten Blauhölzer: 1) das Mexikanische oder Laguna-Campecheholz, welches das beste, das heißt das hämatoxylinreichste ist, 2) das Honduras-, 3) das Jamaika- und 4) das Domingo-Campecheholz. Der Verbrauch des Blauholzes ist ein ganz bedeutender und steigert sich trotz der Concurrenz der Anilinfarben immer noch. Leider scheint aber der Zeitpunkt nicht mehr fern zu sein, an welchem der Bedarf in Folge der großen Verwüstung der Wälder bei der gegenwärtigen Gewinnungsmethode nicht mehr wird gedeckt werden können. Die Chemie wird daher bald auf Ersatz dieses wunderbaren in dem Blauholze enthaltenen Farbstoffes bedacht sein müssen.

Ursprünglich kannte man nur das Blauholz aus der Campechebai, und der Handel mit demselben lag fast ausschließlich in englischen Händen. Die vielfachen Streitigkeiten, welche in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts beim Fällen der Bäume zwischen den Engländern und den damaligen Besitzern des Landes, den Spaniern, zu entstehen pflegten, veranlaßten D. Barham, im Jahre 1716 Samen des Campechebaumes auf Jamaika auszustreuen, wo er sich so acclimatisirte, daß bald große Länderstrecken von ihm bedeckt wurden.

Wir sehen also, die Alte und die Neue Welt geben ihre Producte zur Anfertigung unserer Tinten her; ein wunderbarer Kreislauf der Stoffe offenbart sich unserem inneren Auge: denkt wohl der amerikanische Arbeiter, der die einzelnen Scheite des Blauholzes im tropischen Urwalde auf Maulesel verladet (vergl. unsere Abbildung S. 732) auch einmal daran, daß aus diesen Scheiten vielleicht Tinte gewonnen wird, mit welcher einst die Mächtigen der Erde Kriegserklärungen oder Friedensschlüsse zeichnen werden?

Die Extractoren und Vacuumapparate der E. Beyer’schen Tintenfabrik in Chemnitz.
Originalzeichnung von G. Sundblad.


Und nun die Menge anderer zur Tintenfabrikation nothwendiger chemischer Substanzen, die stattliche Zahl der verschiedenartigsten Chemikalien, deren nähere Beschreibung uns der knapp zugemessene Raum verbietet – alles das belehrt uns, daß wir es hier mit einer Großindustrie in des Wortes vollster Bedeutung zu thun haben. Staunend betrachten wir jetzt den Inhalt der kleinen Tintenflasche; wir haben kaum geahnt, daß die Atome, aus welchen er zusammengesetzt ist, so weit hergereiste Herrschaften sind.

Doch die Zeit drängt; wir müssen die Fabrik selbst in Augenschein nehmen. Dumpfe, schnarrende Töne schallen uns aus einem Gemach entgegen, an welchem wir gerade vorübergehen; wir betreten dasselbe und sehen, wie durch die Raspeln, breite mit Messern besetzte Scheiben, die eine Dampfmaschine treibt, das eisenharte Blauholz in gröbliches Pulver zerschnitten wird. Die hier gewonnene, groben Sägespänen nicht unähnliche Masse wird in besonderen Räumen mit Leimlösung begossen und unter einer bestimmten Temperatur einer mehrwöchentlichen Gährung unterworfen. Erst nachdem das Blauholz diesen Proceß durchgemacht hat, kann man demselben den Farbstoff entziehen.

Um diesen Vorgang aber kennen zu lernen, betreten wir jetzt die interessanteste Abtheilung der Beyer’schen Fabrik, die große Halle, in welcher die Extractoren und die Vacuumapparate aufgestellt sind. Links auf unserm obenstehenden Bilde erblicken wir zunächst die aus starkem geschmiedetem Kupfer hergestellten Extractionsapparate, in welchen die Galläpfel, Farbhölzer und andere Rohmaterialien durch Dämpfe unter einem hohen Atmosphärendruck ausgesogen werden. Zur rechten Seite auf unserer Abbildung sind dagegen die Vacuumapparate, große, kugelförmige, gleichfalls aus Kupfer geschmiedete Gefäße, dargestellt. In ihnen werden Lösungen solcher Farbstoffe, die bei höherer Temperatur, wie z. B. bei der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 733. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_733.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)