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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Gesandtschaft in Berlin wandte. Von dieser erhielt sie am 16. Juni dieses Jahres den Bescheid, daß ihr Sohn seit dem 15. April 1880 aus seinem Dienst entlassen und jetzt nicht zu ermitteln sei.

70) Eine Mutter in Czernowitz (in der Bukowina) wartet vergeblich auf die Heimkehr ihres nun einundzwanzigjährigen Sohnes. Denselben, Markus Hutschneker, trieb es im letzten russisch-türkischen Kriege während der Belagerung von Plewna (1878) als siebenzehnjährigen Untergymnasiasten auf den Kriegsschauplatz. Er schrieb zuerst von Alexandri in Rumänien, dann, gegen Ende des Jahres, aus der Festung Rustschuk in Bulgarien.

71) Der im Jahre 1865 von Breslau fortgewanderte Tischlergeselle Gustav Wilhelm Igel wird aufgefordert, behufs Erhebung einer Erbschaft, seinen jetzigen Aufenthalt dem königlichen Amtsgericht zu Breslau anzuzeigen.

72) Ein Sohn deutscher Eltern aus Ludwigslust in Mecklenburg, der in St. Petersburg geborene Friedrich Ludwig Meyer, lebte dort als Inhaber eines Uhrengeschäfts, hat aber – nach Mittheilung des deutschen Consulats – St. Petersburg zu Anfang Juli 1880 verlassen, um sich nach Deutschland zu begeben, und ist seitdem verschwunden.

73) Sollte der vor dreißig Jahren nach Melbourne in Australien ausgewanderter Adolf Perzel, der vor achtzehn Jahren zum letzten Mal geschrieben, oder dessen einziger Sohn noch leben, so bittet der alte Bruder Perzel’s um Nachricht durch die „Gartenlaube“.

74) Der Seemann Jürgen Priehn aus Rendsburg fuhr vor etwa achtzehn Jahren mit einem Schiffe von Nord-Amerika nach Australien, ließ sich in Queensland nieder und schrieb von dort vor zwölf Jahren zum letzten Mal an die Seinen. Seine sechs Geschwister bitten um Nachricht von ihm.

75) Der Sohn eines Magdeburger Handelsmanns, Fritz Röber, den 24. December 1850 in der Vorstadt Sudenburg geboren, war im Geschäft seines Vaters thätig, als er sich plötzlich, am 9. Januar 1878, ohne jede äußere Veranlassung, aus dem elterlichen Hause entfernte. Er hatte sich von Dammdorf, wo er Geschäfte verrichten sollte, nach Braunschweig begeben. Seitdem ist keine Spur mehr von ihm zu finden gewesen. Er ist ein Mann von schlanker Gestalt, gesundem, vollem Gesicht, mit stark aufgeworfenen Lippen, bartlos, hat dagegen sehr starke Augenbrauen und hellblondes, sehr krauses Haar.

76) Aus Hernals bei Wien ging die zu Littau in Mähren geborene, jetzt etwa vierunddreißigjährige Ottilie Schwarz im Jahre 1866 nach Wien in Dienst, folgte von da einer Herrschaft nach Aegypten und befand sich 1875 wieder zu Hause, worauf sie Anfang 1876 mit einer englischen Familie nach Ostindien reiste und zuletzt in Singapore gelebt haben soll. Sie wird von ihrem Bruder gesucht.

77) Vor zwölf Jahren ist der Heiligenbildermaler Felix Tomaskiewicz aus Wien verschwunden, und seitdem warten Mutter und Kind vergeblich auf seine Heimkehr.

78) Der Schlossergeselle Georg Werner, geboren 1859 in Berlin, ging im October 1877 auf die Wanderschaft, arbeitete zuletzt in Oldesloe bis zum Juli 1878, um welche Zeit er, nach polizeilicher Mittheilung, diese Stadt verließ, ohne seitdem den Seinigen Nachricht zu geben. Indessen sind die Eltern gestorben, und seine Schwester bittet ihn nun um Heimkehr oder Nennung seines Aufenthaltsortes.

79) Im Jahre 1862 wanderte der damals zwanzigjährige Goldschmied Theodor Christian Daniel Wiese aus Lübeck nach Valparaiso aus, schrieb nach zwei Jahren, daß er feste Stellung in einer Druckerei dort erhalten und sich mit einer Chilenerin verheirathen werde. Seitdem ist seine Mutter, die als Wittwe in Hamburg lebt, auf alle Briefe ohne Antwort geblieben.

80) Aus Berbersdorf bei Hainichen in Sachsen ging 1878 Karl Hermann Diehnelt, der damals sechszehnjährige Sohn eines armen alten Handarbeiters, nach Berlin, diente drei Jahre als Kellner in der Spenger’schen Restauration in der Von-der-Heydt-Straße, zog dann zu einem Herrn Karl Freyer in die Lützowstraße 12 und verließ Mitte April 1881 seine Wohnung, um sich in eine Restauration zu begeben, in welcher er sechs Tage auf Probe arbeiten sollte. Er hatte Herrn Freyer versprochen, am nächsten Sonntag wieder zu kommen, hat jedoch seitdem nichts wieder von sich hören lassen. Daß er auch seinen Koffer mit seinen Kleidern etc. nicht abgeholt, erregt den Verdacht, daß hier ein Unglück oder ein Verbrechen vorliege. – Der Vermißte ist von langer Statur, hat blondes Haar und an der linken Wange ein sogenanntes Erdbeermal.

81) An einen ebenso unheimlichen Fall müssen wir, um der sich in Gram verzehrenden Mutter den einzigen, letzten Trost nicht zu versagen, noch einmal erinnern. Wilhelm Eschhoff, ein sechszehnjähriger Präparandenschüler in Barby, von Aussehen klein und schwächlich, mit röthlich-blondem Haar und einer unbedeutenden Narbe über dem einen Auge, war am 27. Januar 1877 der Einladung eines Realschülers zu einem Besuch in Magdeburg gefolgt, und am Abend des nächsten Tages mit diesem in’s Theater gegangen. Beim Herausgehen aus dem Schauspielhause verschwand er plötzlich von der Seite seines Gefährten und ist seitdem spurlos verschollen. Die beklagenswerthe Mutter, die schon vier Kinder in der Jugendblüthe durch den Tod verloren, klammert sich an jeden Strohhalm von Hoffung, ihren Jüngsten wieder zu finden.

82) Hermann Richard Strunz wanderte als achtzehnjähriger Schlossergeselle mit Bewilligung seiner Eltern im Mai 1872 von seiner Heimath Oberschlema bei Schneeberg in Sachsen erst nach Amerika und von da nach Australien. Von New-York, San Francisco und Sydney hat er heimgeschrieben; der letzte Brief datirt vom 2. Juni 1875 und erzählt, daß Strunz von San Francisco aus mit auf den Walfischfang ging, daß ihr Fahrzeug in einen starken Sturm gerieth, an einen Felsen geschleudert wurde und Schiffbruch erlitt. Es gelang ihm, in einem der vier Rettungsboote unterzukommen, aber erst nach drei Tagen erreichten sie Land, und zwar eine der Fidschi-Inseln. Hier mußten sie vier Monate warten, bis ein Schiff des Weges kam, das sie nach Australien mitnahm. Am Schlusse verspricht Strunz noch: „Ich werde bald nach Hause kommen.“ Seitdem fehlt alle Nachricht.

83) Ernst Hermann Krauße aus Langenhessen bei Werdau, achtundzwanzig Jahre alt, Tischler, wanderte 1878 nach Argentinien, gab zuletzt Nachricht 1879 von Villa Libertad bei Buenos Ayres und beabsichtigte damals eine Reise mit einem gewissen Wurlitzer, der schon zweiunddreißig Jahre dort gelebt, sowie mit dem aus Baiern stammenden Colonisten Schottenhofer vom Uruguay nach Missiones. Von Krauße ist seitdem keine Kunde mehr zu erlangen gewesen.

84) Leopold Gottlieb Kirsch, geboren in Nakel den 22. Februar 1845, hat die Maschinenbauerei in der Werkstatt der königlichen Ostbahn zu Königsberg in Preußen gelernt, ist als Heizer und Maschinenbauer in Kowno, Wilna, Dünaburg beschäftigt gewesen, ging aus dem Dienst der Eisenbahn Dünaburg-Witebsk im Jahre 1873 in einen neuen Dienst als Maschinenbauer oder Locomotivführer im südlichen Rußland. Alle Bemühungen des Vaters, durch Vermittelung früherer Collegen an genannten Eisenbahnen von dem Sohne etwas Genaueres zu erfahren, sind vergeblich gewesen.

85) Moritz Reinhold Schmidt, ein Tischlergeselle, 1858 zu Wilsdruff bei Dresden geboren, 1872 bis 1875 in Meißen in der Lehre, seit August 1878 auf der Wanderschaft, hat am 20. Februar 1879 aus Remptendorf in Reuß-Greiz zum letzten Mal geschrieben. Das dreijährige Schweigen versetzt seine Eltern in große Sorge.

86) Von drei Schwestern Brombach aus Insterburg, die das Schicksal aus einander gerissen, befindet sich Bertha in St. Petersburg und sehnt sich nach ihren Schwestern Wilhelmine, die zuletzt in Stallupönen, und Auguste, die in Königsberg in Preußen war, und von welchen sie seit sechszehn Jahren keine Kunde erhalten hat. Wird die „Gartenlaube“ sie aufzuspüren vermögen? Die Adresse ihrer Schwester liegt für sie bereit.

87) Karl Schmidt, der Sohn des verstorbenen Lehrers Schmidt in Dänschendorf auf Fehmarn, jetzt einundvierzig Jahre alt, ging nach Australien und schrieb den letzten Brief aus Woods Point im November 1869. Spätere Briefe der Angehörigen blieben ohne Antwort; Nachforschungen waren vergeblich. Später (1877) erfuhr die Mutter, er lebe in Melbourne, sei Fuhrmann und es gehe ihm gut. Seine kranke Mutter hofft auf diesem Wege Nachricht von ihm zu erhalten.

88) Der Tischler Julius Sorge in Berlin ist seit dem 7. März 1880 spurlos verschwunden. Es wird vermuthet, daß er entweder verunglückt ist oder sich nach Amerika begeben hat. Seine Frau und drei Kinder bitten um Kunde von ihm.

89) In Australien suchen zwei Thüringer Kinder ihren Vater: Karl Schwarz aus Schmalkalden, einen tüchtigen Sattler, der sich jetzt im 53. oder 55. Jahre befindet. Er stand bis 1848 als Werkstellenchef und Unterofficier bei der Feuerwerkscompagnie der kurhessischen Artillerie, wanderte 1856 mit mehreren Cameraden nach Australien aus, landete glücklich in Sydney und folgte der Einladung eines fremden Herrn in das Innere des Landes, und zwar mit noch einem Landsmann, Wenzel aus Schmalkalden. Dieser gab den Seinen daheim gute Nachricht; leider sind durch den Tod seiner Angehörigen die Briefe verloren und damit auch die Adresse Beider, die nun durch die „Gartenlaube“ wiedergefunden werden soll.


Warnung! Unsere Leser wissen, daß die „Gartenlaube“ seit Jahren freiwillig und ohne den geringsten Anspruch auf irgend welche Vergütung dem Aufenthaltsorte oder dem Schicksale deutscher Vermißter und Verschollener im In- oder Auslande nachzuforschen pflegt, so oft Privatpersonen oder Behörden die Bitte um solche Nachforschungen an uns stellen. Wir fühlen uns zu diesem Opfer verpflichtet, weil kein anderes Blatt sich solcher Verbreitung unter den Deutschen in fremden und überseeischen Ländern erfreut, wie gerade die „Gartenlaube“, und eben deshalb hat es uns auch an oft überraschenden Erfolgen nicht gefehlt. Die große Mehrzahl dieser Vermißten gehört der ärmeren Classe an, der zur Nachforschung durch Inserate die Mittel fehlen. Nie hat es uns an Lesern in Deutschland und an Landsleuten in der Fremde gemangelt, welche nicht gern Auskunft auf unsere Anfragen gegeben und denen das Bewußtsein der Freude oder Beruhigung, welche sie dadurch den Suchenden zu bieten vermocht, nicht genügender Lohn gewesen wäre. – Da entpuppt sich nun plötzlich eine Helfersorte, die aus dem Auskunft-Versprechen ein einträgliches Geschäft macht. Vor der Hand haben wir zwar nur eine Firma auf diesen Streifzügen nach deutschen Zwanzigmarkstücken ertappt, wollen jedoch dieser sofort die nöthige Leuchte anhängen, um warnend und abschreckend zugleich zu wirken. Die Sache ist diese: Wir haben in einzelnen unserer Nachfragen die Namen nicht nur des Vermißten, sondern auch der Anfragenden, d. h. der Eltern, Geschwister oder dergl. genannt. Diese Adressen wurden nun benutzt, um unfrankirte Briefe an dieselben zu richten, welche auf der Kehrseite mit der Bemerkung versehen sind: „Dieser Brief enthält Nachricht über den vermißten N. N.“ – Welcher Arme aber wird nicht die letzten Groschen daran wenden, um einen solchen Brief öffnen zu können! Und was erfährt er? In den uns in Originalen und Copien vorliegenden Zuschriften heißt es fast gleichlautend: „Zufällig habe ich in Erfahrung gebracht“ – oder „Zufällig habe ich in einer Zeitung gelesen, daß Sie Den und Den suchen. Nun erklärt der Gefällige, daß er den Vermißten entweder kenne oder auf einer Reise gesprochen etc., und erbietet sich, die betreffende Adresse ausfindig zu machen, jedoch – der Kosten wegen – nur gegen Einsendung von 20 Mark.

Unsere Leser und die betreffenden Briefempfänger werden auf Grund obiger Warnung fortan wissen, was sie von solchen Zuschriften zu halten haben. Wir unsererseits werden übrigens künftig die Angabe der Namen von Anfragenden vermeiden und damit diesem Schwindel am kürzesten ein Ende machen. Soll denn kein Werk der Wohlthätigkeit bestehen können, ohne von unsauberen Händen ausgebeutet zu werden?

Die Redaction.

Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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