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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

zu ersetzen, die nebenbei den Vortheil boten, daß man solche in größerer Anzahl anfertigen, also auf mehreren Pressen oder mehrfach auf einer Presse benutzen und auch weiter verkaufen konnte, wodurch allein öfters kostspielige Unternehmungen möglich wurden. Solche Clichés fertigte man zuerst durch die Stereotypie (eine Erfindung des Lord Stanhope) in Schriftmetall an. Zu diesem Zwecke wurde der Holzschnitt mit einem Gypsbrei übergossen, der nach seinem Festwerden eine vertiefte Form (Mater) bildete. In diese wurde nun das Metall gegossen, und man erhielt hierdurch ein dem Holzschnitt gleiches, erhabenes Bild.

Einen noch besseren Ersatz für den Holzschnitt bot später die Galvanoplastik, eine Erfindung des Professors Jacobi in Dorpat. Von dem Holzschnitt wird ein Abdruck in Wachs oder Guttapercha gemacht, mit Graphitstaub gut eingerieben und in einem Bade mit Kupfervitriol den Einwirkungen des galvanischen Stromes ausgesetzt. Das hierdurch aus der Lösung sich bildende feste Kupfer setzt sich an den Graphitüberzug an und bildet nach einigen Tagen eine dünne Kupferplatte, welche das in die Guttapercha vertieft eingedrückte Bild erhaben trägt. Nachdem die hohle Rückseite durch Ausgießen mit Blei die gehörige Clichéstärke erhalten hat, bildet das „Galvano“ ein weit genaueres und dauerhafteres Cliché, als das Cliché von Schriftmetall, und wird dessen Benutzung für den Druck auf Grund seiner Unempfindlichkeit für Feuchtigkeit und Trockenheit, Wärme und Kälte in mancher Beziehung sogar der des Holzschnittes selbst vorgezogen.

Von einschneidender Wichtigkeit scheint die Erfindung der Celluloïd-Cliché’s durch den französischen Bildhauer Janin zu werden, wenn auch noch Zeit dazu gehört, um Vortheile und Nachtheile gegen die anderen Methoden gerecht abzuwägen. Das Celluloid ist eine durch chemische Behandlung aus Faserstoff hergestellte Masse von außerordentlicher Härte, zugleich, nach Erwärmung, von großer Biegsamkeit. Um ein Cliché zu gewinnen, war es jedoch nothwendig, erst eine Masse für eine Mater zu finden, die den zur Herstellung des Clichés unter Erhitzung bis zu 120 Grad Celsius nothwendigen Druck von 120 bis 130 Atmosphären aushalten konnte. Es gelang dies, und es lassen sich in jüngster Zeit vortreffliche Clichés herstellen, die namentlich für den Farbendruck besonderen Werth haben, da sie nicht, wie die Metallclichés, auf einige Farben nachtheilig wirken.

Wenn nun der Leser in der „Gartenlaube“ öfters Holzschnitt-Abdrücke sieht, die nicht allein eine volle Seite einnehmen, sondern sich sogar über zwei erstrecken, ja, wenn er in Blättern noch größeren Formates, wie z. B. in der „Illustrirten Zeitung“, auf solche trifft, die sogar den Raum von vier Seiten füllen, so wird er mit Recht die Fragen aufwerfen: „Giebt es denn auch Buchsbaumstämme von einem solchen Umfange? Und wenn es einem illustrirten Wochenblatte möglich ist, auf dem größten Format Ereignisse abzubilden, die kaum vor Wochen sich zugetragen haben, kann da ein Holzschneider in solcher Schnelligkeit arbeiten?“ Diese Fragen müssen wir verneinen, und doch sind die Thatsachen der großen Holzschnitte und der schnellen Herstellung fast alltäglich geworden. Wir wollen es versuchen, den Lesern diesen anscheinenden Widerspruch zu erklären.

Der hauptsächlich in Kleinasien wachsende und allein für den Holzschnitt taugliche Buchsbaum hat in der Regel einen Durchschnitt von 20 bis 25 Centimeter. Rechnet man jedoch den Abfall ab, welcher durch Umbildung der runden Durchschnitte in viereckige Klötze und durch schadhafte Stellen in dem Holze entsteht, so erhält man in der Regel Stücke von 10 bis 15 Centimeter im Viereck oder von 100 bis 225 Quadrat-Centimeter Flächenraum. Zu einem Holzschnitt in der Größe eines zweispaltigen Bildes der „Illustrirten Zeitung“ hat man also etwa 20 Blöcke von je 100 Quadrat-Centimeter nöthig. Diese Blöcke werden schwach zusammengeleimt und bilden somit einen Block von der nöthigen Größe. Nachdem die Zeichnung fertig gestellt ist, wird die Platte wieder in ihre einzelnen 20 Theile zerschlagen, sodaß nun so viele Holzschneider, wie Stücke vorhanden sind, gleichzeitig daran arbeiten können.

Hätte also ein Holzschneider 60 Tage zu arbeiten, um das ganze Bild allein zu fertigen, so würden 20 Holzschneider, falls diese zur Disposition ständen, die Aufgabe in 3 Tagen beenden. Sind die einzelnen Stücke im Schnitt fertig, so werden sie definitiv zusammengeleimt oder in einen eisernen Rahmen eingespannt. Der damit Beauftragte hat nur die Uebergänge von einem Stücke zu dem anderen „nachzugehen“ und hier und da eine Unregelmäßigkeit auszugleichen, bevor der Stock zum Druck gegeben wird.

Selbstverständlich wird ein solches Verfahren nur dann gewählt, wenn die Illustration den Ereignissen Schlag auf Schlag folgen muß. Ist aber die genügende Zeit vorhanden, so werden die Stücke sofort fest zusammengeleimt, und ein Xylograph schneidet die ganze Platte, wenn nicht etwa einzelne Theile, in deren Behandlung ein anderer Xylograph eine hervorragende Tüchtigkeit besitzt, einem solchen überlassen werden.

Dieses wenn auch langsamere Verfahren führt selbstverständlich zu besseren künstlerischen Resultaten als das der getheilten Arbeit; denn trotz aller Beaufsichtigung und Anleitung des tüchtigsten artistischen Dirigenten können 10 bis 20 Xylographen doch nicht so zusammen arbeiten, daß in ihrer gemeinsamen Leistung eine vollständige Harmonie erzielt werden kann, namentlich wenn es sich um eine freibehandelte Zeichnung handelt.

Hat sich in eine Platte ein störender Fehler eingeschlichen, so hat man noch ein Mittel, einem solchen abzuhelfen, obwohl man nicht gern dazu greift: mit einem Drehbohrer wird ein Loch, nach Nothwendigkeit mehrere Löcher neben einander, gebohrt und darein je ein runder Zapfen, getrieben, dessen Oberfläche mit neuer Zeichnung versehen und alsdann geschnitten wird.

Diese Mittheilungen in kurzen Zügen werden hoffentlich einigermaßen genügen, um dem Leser eine Vorstellung von der Technik des Schneidens und des Druckens der Holzschnitte zu geben.

Was die künstlerische Behandlung des Holzschnittes betrifft, so hat sich diese in den maßgebenden Ländern, England, Deutschland und Frankreich, wie es auch bei den verschiedenen Kunstrichtungen überhaupt natürlich war, nicht ganz in gleicher Weise entwickelt.

In England blieb der Tonschnitt seit Bewick ganz vorherrschend. Für den englischen Holzschneider existiren kaum Contouren. Er legt Ton auf Ton und ist deshalb im Landschaftlichen, wo Alles auf die Farbe ankommt, ganz auf seinem Platze. Er versteht es, aus einer leicht hingeworfenen, selbst mangelhaften Zeichnung einen dem Auge wohlgefälligen Schnitt zu machen. Hat jedoch der englische Holzschneider eine wirkliche kunstgerechte Vorlage, in der Alles genau berechnet ist, vor sich, bei der es darauf ankommt, Facsimile zu schneiden, so ist er mehr als ein anderer der Gefahr ausgesetzt, diese zu verderben, weil er seine Technik über Alles stellt und gewohnt ist, das zweideutige Lob, daß sein Holzschnitt sich kaum von einem Stahlstich unterscheiden läßt, als das höchste zu betrachten. Nur die illustrirten englischen Zeitungen haben sich von der Bewick’schen Schule losgesagt, und die für diese Zeitungen fast ausschließlich arbeitenden Künstler und Holzschneider sich eine den Verhältnissen angepaßte höchst praktische und effectvolle Technik angeeignet, mit der sie öfters ganz Vortreffliches liefern.

Der deutsche Zeichner und Holzschneider steht in der Behandlung des Figürlichen dem Engländer voran. Er verdirbt nicht so leicht eine gute und correcte Zeichnung; er arbeitet treuer und gewissenhafter und unterordnet sich mehr dem Zeichner; es sind bei ihm die Traditionen des sechszehnten Jahrhunderts noch nicht ganz ausgestorben. Andererseits besitzt er seltener die Selbstständigkeit in der Technik, die es dem Engländer möglich macht, eine unpraktische Vorlage praktisch umzuarbeiten. Wir sehen deshalb in Deutschland so vortreffliche Arbeiten, wie sie der Engländer nicht fertig bringt, z. B. wenn ein Unzelmann, Vogel oder Krätschmar eine Menzel’sche Zeichnung schnitt, oder unsere heutigen ersten Xylographen Bendemann’sche, Richter’sche oder Führich’sche Vorlagen reproducirten. Andererseits haben wir eine Menge echt hölzerne Holzschnitte, in welchen der Xylograph die Mängel der Zeichnung mit dem Mantel des technischen Verständnisses nicht zu decken vermochte. Kurz gesagt: der Deutsche wird den Vorzug in allen Arbeiten behalten, wo der zeichnende Künstler seine volle Schuldigkeit thut.

Der französische Xylograph nimmt seinen Platz zwischen dem englischen und dem deutschen ein und ist, nicht selten mit Glück, bemüht, die Vorzüge beider zu entwickeln und Eleganz mit Gewissenhaftigkeit zu vereinigen. Er ist weit bestimmter in den Umgrenzungen als der Engländer, vermeidet jedoch die oft zu harten Contouren der Deutschen. Extravaganzen, welche Alles der frappanten Wirkung opfern, kommen auch vor, sie liegen aber weniger bei den Holzschneidern, als bei solchen Künstlern, welche gar keine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 706. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_706.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2023)