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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


Der humoristische Schluß dieser Erzählung schien dem deutschen Reisenden die Glaubwürdigkeit des Berichtes sehr in Frage zu stellen, da aber der Sultan versicherte, Tjiropon habe nie gewagt ihm in’s Gesicht zu lügen, so entschloß sich Bock, den Genannten durch große Geschenke zu einer Expedition nach Passir zu bestimmen. Tjiropon wurden außerdem fünfhundert Gulden Belohnung zugesagt, wenn er ein Paar von diesen Menschen wohlbehalten auf das holländische Gebiet bringen würde. Mit Empfehlungsschreiben des Sultans und einer Geleitschaft von fünfzehn Mann ausgerüstet, begab sich Tjiropon auf seine wichtige Mission.

Sehr niedergeschlagen kehrte der alte Diener nach langer Zeit zurück und erklärte, er hätte den Sultan von Passir gesehen und ihm auch den Brief Seiner Hoheit von Kutei zugestellt, aber kein geschwänztes Volk zu Gesicht bekommen.

Mit Hülfe des Residenten von Bandjermasin wurde jedoch eine zweite Expedition von vier Malayen nach Passir mit einem Briefe an den dortigen Sultan entsendet, in welchem derselbe gefragt wurde, ob wirklich eine Rasse geschwänzter Menschen in oder bei Passir wohne. Man bat gleichzeitig Seine Hoheit, womöglich einige dieser Menschen zu schicken. Nach fünfundzwanzig Tagen kehrte die Expedition zurück und brachte einen interessanten Aufschluß: Tjiropon hat wirklich dem Sultan von Passir den Brief übergeben, in welchem ihn der Sultan von Kutei um zwei Schwanzmenschen ersuchte. Aber über dieses Schreiben gerieth der hochmögende Herr in großen Zorn. Sein Gefolge oder seine Hofbedienten wurden nämlich sämmtlich mit dem Namen „Orang-buntut di Sultan di Passir“, das heißt „Schwanzvolk des Sultans von Passir“, bezeichnet, und Seine Hoheit hielt es für eine Beleidigung, daß sein königlicher Vetter zwei Mann seiner Leibgarde verlangte. Er befahl Tjiropon, sofort abzureisen.

„Wenn der Sultan von Kutei meine Orang-buntut braucht,“ sprach er, „so soll er sie selber holen“

Inzwischen aber rüstete er zum Kriege; denn er hielt jenen Brief für eine Herausforderung. Der zweite Brief klärte jedoch den Irrthum auf, und der Sultan ließ sagen, er kenne keine anderen Orang-buntut als seine Suite, die so bezeichnet würde.

Dies war also das Resultat der neuesten Expedition nach dem Lande der Schwanzmenschen. Ist denn aber damit schon gesagt, daß alle jene Reisenden überhaupt keinen mit einem Schwanze ausgestatteten Erdensohn gesehen haben? Wir haben keinen Grund zu einer solchen Annahme; denn es giebt wohl zuweilen Menschen, die mit einem schwanzähnlichen Fortsatze zur Welt kommen, und man braucht nicht nach den malayischen Inseln zu fahren, um sie zu finden. Nur die Erzählungen von ganzen Rassen, die mit diesem Attribut der Thierwelt ausgestattet sein sollen, sind wohl in das Gebiet der Fabel zu verweisen.

Die allerdings sehr selten vorkommenden Fälle, in denen man wirklich bei Menschen auch in Europa schwanzartige Fortsätze oder sogar wirkliche Schwänze beobachtete, dürfen wir übrigens als ebenso bekannt voraussetzen, wie die Thatsache, daß jedes menschliche Wesen in seinen Steißbeinwirbeln einen verkümmerten Schwanzansatz mit sich trägt.




Ein Meßapparat für Elektricitätsentnahme. Wie wir in unserm Artikel über das Edison-Licht in New-York berichteten (vergleiche Nr. 37), zahlen die Consumenten, in deren Häusern die elektrische Beleuchtung eingeführt worden, an die Edison-Compagnie monatlich eine gewisse Summe, welche nach der Menge der von ihnen verbrauchten Elektricität berechnet wird. Die zu diesem Zwecke in allen Häusern aufgestellten Meßapparate, welche ähnliche Dienste wie unsere Gasuhren verrichten, sind auf der gegenwärtigen internationalen elektrischen Ausstellung in München dem Publicum bekanntlich vorgeführt worden; sie beruhen auf einem einfachen, längst bekannten Princip, und es dürfte nicht uninteressant sein, hier einiges über dieselben mitzuteilen

Durchschneidet man nämlich einen Leiter, durch welchen der elektrische Strom kreist, an einer beliebigen Stelle, bringt an seinen Enden Kupferplatten an und taucht sie in eine Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd (Kupfervitriol), so löst sich ein Theil des Metalls an der einen, der positiven Platte, ab, während an der anderen, der negativen, genau dieselbe Menge Metall niedergeschlagen wird. Die abgelösten oder niedergeschlagenen Mengen des Metalls stehen immer in einem gewissen Verhältniß zu der Stärke des Stromes, welche den Leiter durchkreist, und entsprechen daher der Elektricitätsmenge, welche durch den Leiter gegangen ist.

Auf diesem Principe beruht nun, wie gesagt, die Herstellung der Edison’schen Meßapparate. Dieselben bestehen aus einem Kasten, der in zwei Abtheilungen, in eine obere und in eine untere, getheilt ist. In dem oberen Schränkchen befinden sich nun zwei besonders verschließbare Flaschen, die mit einer Lösung von Kupfervitriol gefüllt sind, und in jeder derselben zwei Kupferplatten von bestimmtem Gewicht. Diese Platten stehen mit der Hauptleitung in Verbindung.

Wägt man nun dieselben nach Ablauf einer gewissen Zeit, so kann man aus der inzwischen stattgefundenen Gewichtsveränderung die Menge von Elektricität berechnen, welche der Consument in diesem Zeitabschnitte verbraucht hat.

Von den beiden Flaschen dient die eine zur Feststellung des Verbrauchs bei den monatlichen Abrechnungen, während die Platten der zweiten Flasche in größeren Zeiträumen z. B. jährlich, von einem Controleur gewogen werden, wobei dann das Resultat dieser Wägung gleich sein muß der Summe der zwölf monatlichen Einzelwägungen.

In neuester Zeit benutzt man statt der Kupferplatten Zinkplatten und statt der Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd eine solche von schwefelsaurem Zinkoxyd mit dem besten Erfolge.

In der unteren Abtheilung des Schrankes befindet sich eine Glühlichtlampe, welche das Gefrieren des Flascheninhaltes im Winter verhindert. Darum brennt die Lampe gewöhnlich nicht. Sinkt aber die Temperatur in dem Schränkchen bis zu einer gewissen Grenze hinab, so entzündet sich die Lampe, dank einer sinnreichen Vorrichtung, von selbst, indem sie in den Stromkreis eingeschaltet wird. Ist aber die Temperatur im Schränkchen wieder gestiegen, so wird der Strom in der Lampe unterbrochen, und sie erlischt wieder von selbst. Die automatische Ein- und Ausschaltung dieser Lampe wird durch eine Feder besorgt, die aus zwei in der Wärme sich verschiedenartig ausdehnenden Metallen zusammengesetzt ist.

Wir sehen also, daß auch in dieser Hinsicht die Anlage der elektrischen Hausbeleuchtung diejenige des Leuchtgases an Vollkommenheit übertrifft.




Die Staatslotterien in Deutschland. Bekanntlich ist es im deutschen Reiche gesetzlich verboten, aus dem Glücksspiel ein Gewerbe zu machen. Nichtsdestoweniger unterhalten einige deutsche Staaten ständige Classenlotterien, aus deren Ertrag sie nicht unerhebliche Summen in ihre Cassen abführen. Der Gesammtumsatz der in Preußen, Sachsen, Hamburg, Braunschweig und Mecklenburg-Schwerin bestehenden Staatslotterien beziffert sich auf etwas mehr als neunzig Millionen Mark jährlich, von welcher Summe gegen zehn Millionen den Staatscassen zufallen. Preußen erzielt durch seine Lotterie eine Einnahme von rund vier Millionen, Sachsen eine solche von fünf Millionen und die freie Hansastadt Hamburg streicht jahraus jahrein auf diesem Wege rund eine Million Mark in ihren Säckel ein. So hoch ist der Zoll, welchen die „Dummen“, wie der Volksmund in derber Weise sagt, jährlich der Spielwuth entrichten.

Die oben genannten Lotterien geben zusammen gegen 750,000 Loose aus, und da an jedem Loose sich in der Regel mehrere Personen betheiligen, so beträgt die Zahl der Lotteriespieler im deutschen Reiche gewiß mehrere Millionen. Dabei ist aber das Lotteriewesen keineswegs im Rückgange begriffen; es hat vielmehr in den letzten Jahrzehnten an Ausdehnung gewonnen; denn die Zahl der Loose der sächsischen Lotterie ist in diesem Zeitraume von 34,000 auf 100,000, die der Braunschweiger von 25,000 auf 84,000 und die der Hamburger von 22,300 auf 84,000 gestiegen.

Von den verderblichen Wirkungen des Lotteriespiels im Allgemeinen brauchen wir nicht ausführlich zu berichten, da dieselben zur Genüge bekannt sind. In Deutschland werden sie noch dadurch verstärkt, daß einige Staaten das Verbot erlassen haben, in fremden Lotterien zu spielen. Um dieses Verbot kümmern sich aber bekanntlich die Wenigsten; man macht kein Hehl aus solchem ungesetzlichen Handeln, welches im Volke durchaus mild beurtheilt wird. Wahrlich! die Lotterien widersprechen den Grundsätzen der Volkswohlfahrt, die aus der Sparsamkeit und Vorsorge ihre Kraft schöpft, und es ist darum zu wünschen, daß auch wir in Deutschland bald dem Vorgange anderer Länder folgen und dieselben abschaffen.




Weinlese im Kloster. (Mit Abbildung Seite 684 und 685) Wenn Eduard Grützner uns in der Nähe eines Klosters winkt, so folgen wir ihm unbedingt; denn wir sind von Haus aus überzeugt, daß er uns etwas Sehenswerthes zeigen wird. Auch nicht ein einziger unserer Leser bleibt in solchem Falle wohl zurück, seitdem wir mit ihm eine baierische Klosterbräustube besucht haben (1870, S. 413) und dann an seiner Hand zu Mephisto hinter die Coulissen geschlichen sind (1872, S. 65), vor Allem aber, seitdem Karl Stieler den Künstler als „Unsern Falstaff-Maler“ uns vorgestellt und (1878, S. 659) seinen Lebens- und Bildungsgang erzählt hat.

Diesmal gewährt Grützner uns den Einblick in das bunte Treiben der Weinlese in einem Klosterkeller. Der Meister hat in diesem Bilde alle Vorzüge seines humoristischen Griffels leuchten lassen und mit echter Künstlerhand in der gruppenreichen Scenerie scharfe Contraste und sprechende Gestalten in das rechte Licht gestellt, und zwar nicht wie eine lose Phantasie sie schafft, sondern wie das Leben sie darbietet. Selbst die Hauptgruppe des Bildes, der die Trauben segnende Abt, läßt die ernste Handlung nicht ohne ein Streiflicht der Heiterkeit: der Kellermeister, der im Schweiße seines Angesichts die Trauben in der Schale des schönen Kindes als besonders segenswürdig zu empfehlen scheint, und der Alte, der das freudenhelle Gesichtchen des Mädchens anlacht, lassen den Humor nicht von der Stelle weichen. Eine zweite Gruppe des Vordergrundes bilden die schmucke Winzerin, die der Alten eine Bemerkung zuflüstert, deren Inhalt Jedermann zu errathen freisteht, und der greise Klosterbruder, dessen Eselein eine Doppellast von Trauben herbeigeschleppt hat. Aus dem Hintergrunde tritt uns überall fröhliches Treiben und Schaffen entgegen, das sich selbst erklärt. Nur das Gesellschäftchen bei dem Fasse zur Linken des Bildes kommt uns zweideutig vor: Most trinken die Leute offenbar nicht; es scheint an leeren Fässern für den neuen Erntesegen zu fehlen, und der Eifer des Mannes am Faß, die vielen Humpen zu füllen, könnte demnach auf einen besonders einladenden Berufszweck der ehrenwerthen Versammlung hindeuten. – Unsere frommen Altvordern waren kluge Leute: sie sorgten mit gleicher Gewissenhaftigkeit für die himmlische wie für die irdische Seligkeit; sie hielten standhaft auf reinen Glauben und auf – reinen Wein.

„So bannen die zwei Starken
Der Menschen Ungemach,
Und wenn der eine schwach wird,
so hilft der andre nach.“




Kleiner Briefkasten.

B. G. in Odessa. Ein treffliches Porträt Ch. Darwin’s, in Kupferstich ausgeführt, wollen Sie von Schweizerbart in Stuttgart beziehen. Dasselbe stammt aus dem weitgekannten und altbewährten Atelier von August Weger sen. und Theodor Weger jun. in Leipzig.

Langjähriger Abonnent in Aachen. Allerdings! Bei der Expedition des Blattes.

R. S. in Breslau. Marlitt’sGoldelse“ finden Sie im Jahrgang 1866, „Das Geheimniß der alten Mamsell“ aber im Jahrgang 1867.

A. E. in Hamburg. Als Scherz passable!



Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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