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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts die Technik und Mechanik zur Hauptsache wurden und die Individualität in der fabrikmäßigen Gesammtthätigkeit aufging, da war es England, welches Plötzlich reformatorisch in alle graphischen Künste eingriff. Fast alle hier einschlagenden Verbesserungen verdanken wir ihm: die eiserne Presse, die Stereotypie, die Druckwalzen, die Verschönerung der Schriften, die Vervollkommnung des Papiers und der Farbe, den Stahlstich, die rasche Aufnahme der Erfindung des Deutschen Friedrich König – der Schnellpresse – und, worauf es hier zunächst ankommt, die Wiederbelebung des im siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert nach und nach so gut wie verloren gegangenen Holzschnittes, von dem das sechszehnte Jahrhundert so wunderbare Erzeugnisse aufzuweisen und der einen so mächtigen Einfluß auf die Bildung und den Geschmack des Volkes geübt hatte. Er war im Laufe der Zeit so weit herunter gekommen, daß sogar die Anfangs-, Schluß- und Titelvignetten in gewöhnlichen Büchern durch Kupferstich eingedruckt wurden und daß fast zwei Jahrhunderte nicht ein einziges xylographisches Werk von künstlerischer Bedeutung hervorgebracht haben.

Da trat zu Ende des vergangenen Jahrhunderts der Engländer Thomas Bewick (geboren 1753, gestorben 1828) mit seiner radikalen Reform der Technik des Holzschnitts auf. In früherer Zeit hatte man den Effect erzielt durch neben einander geschnittene Linien von größerer oder geringerer Stärke, bald näher an einander gelegt, bald weiter von einander gehalten, je nachdem Schatten oder Licht hervorgebracht werden sollten. Erst später erlaubte sich der Zeichner eine sehr sparsame Kreuzung der Linien, um größere Tiefe des Schattens zu erzielen, eine Selbstbeschränkung, welche durch den damaligen Zustand der Technik und Mechanik geboten war. Der Holzblock war von Birn-, Aepfel- oder Lindenbaumholz, später wohl auch schon von Buchsbaum, jedoch in Längenschnitten, da Querschnitte (Hirnholz) sich nicht mit dem einzigen Hülfsmittel des Holzschneiders, dem Messer, hätten bearbeiten lassen. Die Druckpresse war noch sehr primitiver Natur, und die ganze Kunst, die der Drucker entwickeln konnte, bestand darin, daß alle Linien voll und in gleicher Schärfe, wie sie der Holzschneider geschnitten hatte, zur Geltung kamen. Das war nicht schwer; denn der Druck des Tiegels war durch eine Anzahl in den Pressendeckel eingelegter Papierbogen und durch eine Filzdecke so elastisch geworden, daß der zu bedruckende Papierbogen sich nothwendig an den Holzschnitt fest anschmiegen mußte. Nur in den damals zum Auftragen der Schwärze gebräuchlichen pilzförmigen Handballen hatte der Drucker ein Mittel einen Effect zu erreichen, indem er nur eine Stelle der Druckform kräftiger, eine andere aber schwächer mit Farbe einzureiben brauchte.

Diese Technik änderte nun Bewick vollständig. Er verwarf jedes andere Holz als Buchsbaum und bediente sich nur der Querschnitte. Eine Folge davon war, daß das Messer beseitigt und zu dem Stichel gegriffen werden mußte, mit welchem sich gegen den Strich, ohne Gefahr des Abbröckelns des Holzes, arbeiten ließ. Man sollte von da ab also eigentlich nicht mehr vom Holzschnitt, sondern vom Holzstich sprechen. Statt einer Linearzeichnung als Vorlage führte Bewick die getuschte oder estampirte Zeichnung unter Vermeidung aller Contourlinien ein, und damit die in der Zeichnung licht gehaltenen Stellen auch nur ganz leicht im Druck erschienen, flachte er an solchen vor dem Schnitt das Holz ab und erzielte damit, daß diese vertieften Stellen in der Presse weniger stark von dem Druck des Tiegels getroffen wurden. Für die tiefen Schatten ließ er die Holzfläche ganz unberührt stehen und arbeitete die Lichter durch Ausstechen einzelner Punkte hinein. Mit einem Worte: er übertrug die ganze Technik des Kupferstiches auf den Holzschnitt, selbstverständlich in der umgekehrten Weise, wie es ja auch nach dem Obengesagten der principielle Unterschied zwischen Hoch- und Tiefdruck verlangte.

Doch dies Alles reichte noch nicht hin, um bei den zarten Tonschnitten den vollen Effect des Kupferstiches hervorzubringen. Dazu gehörte noch die kunstgemäße Nachhülfe des Druckers, das sogenannte „Zurichten“. Es genügte nicht der einfache Zug am Preßbengel, damit jede Linie kräftig zum Vorschein kam, und eine weiche Unterlage, wodurch dies früher ermöglicht worden war, würde ein vollständiges Verschmieren der fein und eng angelegten Linien und der Kreuzschraffirungen verursacht haben – der weiche Deckel mußte dem harten den Platz räumen.

Um nun zu verstehen, worin eigentlich die Kunst des Druckers liegt, ist es nothwendig, sich die Construction der Schnellpresse, die jetzt fast ausnahmslos selbst für den Druck der feinsten Prachtwerke benutzt wird und ohne welche Unternehmungen wie die „Gartenlaube“ eine faktische Unmöglichkeit wären, zu vergegenwärtigen. Wir dürfen wohl annehmen, daß die große Mehrzahl der Leser eine Schnellpresse – die Handpressen fangen schon an seltener zu werden – gesehen hat, und daß es genügt, mit kurzen Worten die Erinnerung daran aufzufrischen, ohne in eine lange Beschreibung, die außerhalb der diesem Artikel gesteckten Grenzen liegen würde, einzutreten.

Auf einem starken eisernen Fundament, das auf Schienen sich hin- und herbewegt, ruht die Druckform. Wird nun das Fundament in Bewegung gesetzt, so passirt diese Druckform zuerst einen Complex von elastischen Farbenwalzen, um die für den Druck eines Bogens genügende Farbe zu empfangen. Die Weiterbewegung führt die Form unter den Druckcylinder, eine glatte um ihre Achse sich drehende, sonst aber festliegende eiserne Walze, auf welche vorher der zu bedruckende Papierbogen, glatt und durch metallene Greifer festgehalten, gelegt wurde. Beim Rotiren der Walze drückt alsdann der Cylinder den Papierbogen an die Druckform an, welche die Schwärze an das Papier abgiebt. Der fertig gedruckte Bogen wird darauf auf endlosen über Rollen geleiteten Bändern aus der Presse geführt. Der Cylinder ruht nun für einen Augenblick, um mit einem neuen Bogen belegt zu werden; inzwischen hat das Fundament mit der Form seinen Rückweg angetreten, um die Wanderung nach vorwärts wieder zu beginnen.

Beim Druck kommt es vornehmlich darauf an, daß Schrift und Holzschnitte in der Höhe ganz genau mit einander übereinstimmen, da sonst die ganze Wucht des vom Cylinder ausgeübten Druckes zuerst nur die hochstehenden Theile treffen und diese flach quetschen würde.

Nun haben zwar die Buchstaben alle eine gleiche Höhe, und hebt einer derselben in der Druckform etwas vorwitzig den Kopf über die anderen heraus, so verweist ihn der Drucker mit einem leichten Hammerschlag auf sein Klopfholz in die Tiefe zurück. Dagegen ist die Stärke (Höhe) der Holzblöcke verschieden und eine niedrigere, als die der Schrift. Indeß ist hier eine Abhülfe leicht gefunden, und zwar durch Unternageln von Holzplatten oder Unterlegen von Metall- oder Pappenstücken, bis die normale Höhe erreicht ist. Schlimmer ist es schon, wenn der Holzstock sich krumm gezogen hat; er würde, wenn der Druck die hochstehenden Ränder oder die hochstehende Mitte träfe, aus einander gesprengt werden, und so muß der Drucker ihn erst durch Dämpfe elastisch machen und durch allmähliche Belastung gerade ziehen.

Ist die vollständig gleichmäßige Höhe aller Theile der Form sowohl der Schrift wie der Holzschnitte erreicht, so geht der Drucker oder, wie er titulirt wird, der Maschinenmeister daran, einen ersten Abzug auf einen über den Cylinder gespannten Bogen zu machen. Dieser Abzug („Margebogen“ genannt), der, wie wir später sehen werden, für die weiteren Manipulationen beim Drucken nothwendig ist und deshalb auf dem Cylinder liegen bleibt, wird sich als ein höchst mangelhafter herausstellen, namentlich was die Bilder betrifft; einige Stellen werden zu schwarz, andere zu blaß erscheinen; wieder andere werden kaum zum Vorschein kommen. Der Laie, der einen solchen Bogen sieht, wird an der Hoffnung verzweifeln, daß sich je ein guter Druck daraus entpuppen werde. Doch der Drucker, der dies Alles voraussah, verzweifelt nicht; denn er weiß, daß seine Kunst ihm die Mittel zur Abhülfe bietet.

Er fertigt, während er den ersten Abdruck, wie erwähnt, auf dem Cylinder beläßt, noch ein halbes Dutzend solcher mangelhaften Abzüge an, nimmt den Probe-Abzug des Bildes zur Hand, den der Holzschneider mittelst eines Falzbeines und mit allem Raffinement hinsichtlich der Einfärbung auf chinesischem Papier zur Anschauung gebracht hat, und prägt sich die Effecte desselben wohl ein. Aus einem der rohen Abzüge schneidet der Drucker nun die Stellen, welche zu stark gekommen sind, aus dem Papier ganz heraus oder schabt dieses dünner. Die Stellen aber, welche sich nicht kräftig genug gezeigt haben, schneidet er aus einem anderen Abzug silhouettenartig heraus und klebt sie genau auf die correspondirenden Stellen des ersteren Abzuges und er fährt mit diesem Unterlegen (correcter müßte es Ueberlegen heißen) fort, bis damit, nach seinen Erfahrungen, der richtige Effect an Schatten und Licht erzielt werden kann. Das Wie haben wir weiter unten zu erklären.

Seine Ausschnitte (die „Zurichtung“), die ungefähr das Aussehen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 690. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_690.jpg&oldid=- (Version vom 26.7.2023)