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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


„Aber ernsthaft ist sie doch,“ fügte er mehr unwillkürlich, als absichtlich hinzu; denn er wurde gleich darauf unruhig und fragte lebhaft: „Sie … woher kennen Sie denn meine Mutter?“

„Das kann ich Dir sagen; ich habe sie von meinem Garten aus reden und lachen hören, als ich Euer Nachbar war. – Doch jetzt, mein Knabe, will ich Dich nicht länger aufhalten“

Die Damen erhoben sich rasch, als hätten sie längst unwillig auf diese Aeußerung gewartet.

„Ich habe auf acht Tage bei Herrn Putbrese Quartier genommen und hoffe, wir setzen hier unsere Berliner Bekanntschaft fort,“ fügte er noch eilig hinzu. „Wo wohnst Du denn?“

„Wir wohnen nicht hier; wir wohnen im andern Dorf.“

„Diese Dörfer sind nämlich Zwillingsdörfer,“ warf Auguste ein.

„Und ich quäle ihn, jeden Nachmittag zu mir zu kommen,“ erklärte Adelheid. „Wir bilden uns ein, unser Freund Curt wird einmal ein großer Mann werden, und da möchte ich gerne sein Kindergesicht unsterblich machen – ihn malen.“

„Es wird eine Ueberraschung für meine Mutter,“ seufzte Curt mit ehrlichem Abscheu.

„Ja, das hilft Dir nichts, Curt; die Unsterblichkeit wird immer theuer erkauft,“ tröstete Adelheid.

„Sie sind also Portraitmalerin, mein gnädiges Fräulein?“

„Ja, meine Schwester ist Malerin!“ antwortete Auguste statt der Gefragten; sie sagte es mit mütterlichem Stolze.

„Sind Sie auch Malerin, gnädiges Fräulein?“

„Natürlich – ich auch.“

„Natürlich?“

„Sie kennen das also nicht? Das Malen ist ansteckend. – In Berlin ist es epidemisch.“

Arndt und Adelheid lachten herzhaft.

„Wenn die Damen erlauben, werde ich Ihnen meinen Besuch machen,“ sagte er. „Das Portrait meines jungen Freundes interessirt mich. Ich darf es doch sehen?“

„Es ist noch nicht fertig,“ beeilte sich Adelheid ängstlich hervorzuheben

„Fürchten Sie nichts, mein gnädiges Fräulein! Ich verspreche, mich auch im Stillen jedes voreiligen Urtheils zu enthalten. Darf ich kommen?“

„Gegen fünf!“ vermittelte Auguste, „dann wird das Atelier aufgehoben“

„Aber, wie gesagt, das Bild ist noch nicht fertig!“ betonte Adelheid noch einmal.

Arndt schien es zu überhören

„Auf Wiedersehen!“ sagte er und schüttelte Curt herzhaft die Hand; dann empfahl er sich auch den Damen.


4.

Es war zwei Stunden später und genau um die angegebene Zeit, als der Architekt Arndt bei den Malerinnen erschien.

Wie erlöst, sprang Curt von seinem Portraitirsessel in die Höhe, als der Gast auf Augustens „Herein!“ das Zimmer betrat.

„Einen Augenblick noch!“ bat Adelheid, nachdem sich beide Damen gegen den Eintretenden verbeugt hatten.

„Curt, Du mußt noch einen Augenblick still sitzen.“

Arndt blieb im Hintergrunde des Zimmers stehen und trat vor das wirklich meisterhaft gemalte Bild des alten Putbrese, das dort auf einer Staffelei aufgestellt war.

„Ausgezeichnet!“ rief er. „Ein in’s Nordische übersetzter Silen.“

Adelheid ließ Palette und Pinsel freudig sinken. Diesen günstigen Augenblick benutzte aber Curt – mit einem Sprunge hatte er seinen Sitz verlassen, und nun stand er neben Arndt.

„Herr Arndt bewundert Tante Adelheid’s unglückliche Liebe,“ rief er ausgelassen.

Adelheid war ganz roth geworden. Die kindische Wiederholung eines offenbar familiären Scherzes vor fremden Ohren schien sie einen Augenblick heftig zu ärgern.

Aber die Freude, welche ihr Arndt’s Bewunderung gewährt hatte, hob sie schnell über jede kleinliche Empfindung hinweg.

„Es freut mich, daß Sie ihn ähnlich finden,“ sagte sie, rasch hinter den Architekten tretend. „Es ist das zweite Mal, daß ich den originellen Wirth vom ‚Schwarzen Seehund‘ portraitire, und es ist nicht leicht, das Gemisch von Gutmütigkeit und Schlauheit herauszubringen, das unsern Freund charakterisiert, nicht leicht, es auf diese breite Gesichtsfläche zu vertheilen.“

„Das kann ich mir denken,“ bestätigte Arndt; „denn beide Eigenschaften müssen so auch wieder in selbstständiger Prägnanz hervortreten. – Und,“ fuhr er, immer auf das Bild blickend, fort, „dabei ist der Kerl auch eitel – ganz abnorm eitel! Er kokettirt mit seinen nachlässig hingeworfenen plattdeutschen Brocken wie nur Einer. – Ein Elementarmensch mit den natürlichen Keimen zu allen conventionellen Sünden!“

Adelheid hatte ihre bisherige Zurückhaltung gegen Arndt plötzlich überwunden. Es hatte für den Architekten etwas halb Rührendes, halb Komisches, wie sie voll ernster Andacht zu dem Bilde des wunderlichen alten Kauzes aufsah und ausführlich in einer sonderbar begeisterten Weise mit ihm über dasselbe sprach.

Beide wurden erst von ihrem Thema abgelenkt, als Auguste sich an Arndt wandte.

„Verzeihen Sie, Herr Architekt – wir müssen jetzt aufbrechen. Wir unternehmen mit mehreren Damen und Herren eine Segelpartie. Wollen Sie sich der Gesellschaft anschließen?“

Arndt nahm die freundliche Einladung mit großer Bereitwilligkeit an.

„Tante Auguste, mein Hut! Wo hast Du meinen Hut hingelegt?“ rief jetzt plötzlich Curt. „Ich muß fort; sonst komm’ ich zu spät.“

„Hier, mein Junge!“ erwiderte das Fräulein, indem sie auf den auf einem Stuhle liegenden Hut wies. „Amüsirt Euch gut! Grüß’ auch Deine Mutter!“ –

Arndt fühlte sich auf einmal außerordentlich ernüchtert: Also Frau Brandenburg und ihr Sohn machten eine andere Partie? Das hatte er nicht erwartet – schade in der That, sehr schade!

„Kommt Deine Mutter Dir entgegen?“ fragte Adelheid.

„Ja, bis an’s hohe Ufer.“

„Adieu, Curt!“ sagten die beiden Damen. „Erinnere sie daran, daß wir sie übermorgen erwarten!“

„Und mich empfiehl Deiner Frau Mutter!“ warf der Architekt ein. „Unbekannter Weise! Hörst Du, mein Sohn?“

„Gar nicht unbekannt! Ich hab’ ihr früher tausendmal von Ihnen erzählt!“ rief der Junge zurück und erwiderte feurig Arndt’s Händedruck. Dann schoß er eilfertig davon.

Adelheid sah ihm vom Fenster aus nach und Auguste bemerkte:

„Ein verrückter Brausekopf! – nur seine Mutter vergißt er niemals. – Er hat uns auch erzählt, wie er mit Ihnen bekannt geworden ist.“

Nicht wahr, ein hübsches kleines Erlebniß inmitten der Großstadt, wo man sonst vor lauter Lärm nichts zu erleben pflegt, selbst wenn man die Zeit dazu hätte? – Und jetzt erlauben Sie ... ich interessire mich ungewöhnlich für diesen ‚verrückten Brausekopf‘ – –“ und damit trat Arndt vor Curt’s Portrait.

„Wir sind gleich wieder da,“ sagte Auguste und verließ mit ihrer Schwester das Zimmer.

(Fortsetzung folgt.)




Garibaldi.

Von Johannes Scherr.
(Schluß.)


3.

Die Präliminarien von Villafranca (11. Juli 1859), denen der Friedensschluß von Zürich (10. November) als eine bloße Formalität nachhinkt, hatten Italien unfertig, in Verwirrung und Gereiztheit gelassen. Der meineidige Decembermann in den Tuilerien glaubte ein wahres Wunderwerk von schlauer Staatskunst zuwegegebracht zu haben, als er nach den Tagen von Magenta und Solferino jählings einen Frieden schloß, welcher die Oestreicher im Festungsviereck und in Venedig, den Flüche speienden

Pius in Rom, den König Bomba in Neapel ließ, die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_676.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)