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verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Halim, den Ismail später als unwillkommenen Prätendenten durch allerlei Intriguen aus Aegypten zu entfernen wußte und der jetzt als möglicher Ersatzmann für Tewfik oft genannt wird. Aber Halim, der seitdem in Stambul oder Paris gelebt hat, dürfte schwerlich der Mann der rettenden That sein, und wenn er es wäre, alsdann erst recht von den Engländern unberücksichtigt bleiben.

Unter den zahlreichen Schlössern, die der letzte Khedive mit einem Aufwand von so vielen Millionen erbaut und die er mit wirklich fabelhafter Pracht hat einrichten lassen, steht Gezireh obenan, und kein Fremder, der nach Kairo kommt, versäumt den Besuch, schon um sich eine richtige Vorstellung von orientalischem Luxus und grenzenloser Verschwendung zu machen. Wie Versailles, für das Ludwig der Vierzehnte im Ganzen eine Milliarde verausgabt haben soll (was jetzt ungefähr die zehnfache Summe bedeutet), gewissermaßen die französische Revolution erklärt – denn der größte Theil der Einkünfte von ganz Frankreich wurde darauf verwendet – so kann man in Gezireh recht gut den Staatsbankerott begreifen, den Ismail seinem unglücklichen Lande hinterlassen hat. Von einer näheren Schilderung Gezirehs dürfen wir hier wohl absehen; auch haben wir schon in einem früheren Artikel einige kurze Andeutungen darüber gemacht; nur eine pikante Erinnerung, die sich an Gezireh knüpft, möchten wir nicht unerwähnt lassen.

Im Winter 1875 empfing der Schloßherr auf einem jener kolossalen Hofbälle, deren er damals noch viele gab und die immer so „heidenmäßiges“ Geld kosteten, oben an der weißen Marmortreppe den Herzog von Connaught, als den vornehmsten Ballgast, und gab ihm auch an der Tafel, wo alle Gerichte auf goldenen Schüsseln servirt wurden, den Ehrenplatz. Jetzt rückt derselbe Herzog von Connaught mit seiner Division vor, und wenn ihm das Kriegsglück günstig ist, wie es fast den Anschein hat, so kann er vielleicht noch als Sieger in die Hauptstadt einziehen und dann auch sein Quartier in demselben Gezireh aufschlagen, wo er sich damals so vortrefflich amüsirte, wie er beim Abschied dem Khedive mit herzlichem Händedrucke versicherte.

Die Nilbarrage.
Nach einer Photographie.

Charakteristisch für die unermeßlichen Summen, die Gezireh gekostet hat, ist auch der Umstand, daß die über eine Quadratmeile große Insel, auf der das Schloß mit seinen Parks und Wundergärten liegt und nach der es seinen Namen führt (Gezireh heißt auf arabisch: Insel), in ihrer ganzen Ausdehnung fast um zwei Meter erhöht werden mußte, um sie gegen den hohen Wasserstand der Nilüberschwemmungen genügend zu schützen.

Die Gräber des Kalifen bei Kairo.
Nach einer Photographie.

Daß Kairo unter den klimatischen Curorten schon seit Jahren einen hohen Rang einnimmt, ist bekannt, und – seltsam genug! – ist es namentlich der Aufenthalt in der Wüste, der den Brustleidenden von den europäischen Aerzten empfohlen wird und dem auch gar viele Kranke ihre Genesung zu verdanken haben. Deshalb hat Kairo seinen Bade-Ort, oder richtiger seinen Luftcurort, nur wenige Meilen östlich von der Stadt, aber trotzdem mitten in der arabischen Wüste, auf dem Wege nach Suez. Schon unter Said Pascha entdeckte dort ein deutscher Arzt, der leider zu früh verstorbene Dr. Reil, in jener Gegend Schwefelquellen, und diesem Umstände verdankt Heluahn seine jetzige Bedeutung. Gasthöfe und Landhäuser entständen, nachdem vorher durch einen großartigen Aquäduct vom nahen Nil für die Hauptbedingung zur Existenz der Colonie, für Wasser, gesorgt worden war, und mehr als die Heilquellen war es die reine Wüstenluft selbst, die bei vielen Kranken geradezu Wunder wirkte. Auch bei dieser Gelegenheit bewährte sich die Munificenz Ismail’s in glänzender Weise, und zwar durch Schenkung großer Terrains mit dem nöthigen Baumaterial und bedeutender Geldsummen, hauptsächlich aber durch Anlage einer Eisenbahn, was wir um so lieber hervorheben, als so Viele geneigt sind, ihm nach seinem Sturze auch „kein gutes Haar“ mehr zu lassen.[1]

Dies wären somit einige Einzelheiten über die Hauptstadt Aegyptens, die uns von allgemeinem Interesse schienen und die wir, schon aus Rücksicht auf die Raumverhältnisse

  1. Wir verweisen hier auf das schon früher von uns lobend erwähnte Werk Ebeling’s: „Bilder aus Kairo“, in welchem sich ein sehr interessantes Capitel über das „Wüstenbad Heluahn“ befindet, wie wir überhaupt jene zwei Bände Allen, die sich gerade jetzt über die Zustände in Aegypten näher unterrichten wollen, als gute und anziehende Lectüre empfehlen.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1882, Seite 644. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_644.jpg&oldid=- (Version vom 15.12.2020)