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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

No. 37.   1882.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Der Krieg um die Haube.

Von Stefanie Keyser.
(Fortsetzung.)


Der Vertraute nahte dem Reigen der Frauen und that des Erzherzogs Willen kund.

Frau Rotmundin aber hob mahnend die Hand gegen ihre Gefährtinnen und sprach leise zu dem Botschafter:

„Der Erzherzog will den ‚Todten‘ vorstellen? Es ist eine zu große Plag’, im Sturz sich zum Kusse niederzubeugen; zweimal bringt man’s halt an einem Abend nit fertig. Wenn wir aber dieser scheusäligen Kopfputze entledigt sind, wollen wir mit Seiner fürstlichen Durchläuchtigkeit einen Todtentanz tanzen, wie er in Nürnberg nimmer gesehen ward.“

Der Bischof schaute der Sprecherin in die funkelnden Augen, und da Priester und Frauen sich immer leicht verstanden haben, so begriff auch seine Andächtigkeit, neigte sich lächelnd und überbrachte dem Erzherzog die Nachricht. Ein Augenblitz des Fürsten zuckte hinüber zur Frau Rotmundin; er beugte das Haupt und legte betheuernd die Hand auf’s Herz. Dann befahl er, den Kehrab aufzublasen.

Trompeten und Kesselpauken hoben an, und nun flog Alles dahin wie eine Windsbraut, an der Spitze beflügelten Schrittes Seine fürstliche Durchläuchtigkeit, die zierlich wie ein Bachstelzchen trippelnde Frau Rotmundin fest an der kleinen Hand haltend; in der Mitte die arme Elsbeth mit dem Kriegsschreiber, der lustig seine Schnabelschuhe schwenkte. Der Wilhelm tanzte gar nicht, und der Letzte im Reigen war Herr Rotmund. Denn da er sehen wollte, was seine Frau trieb, war er aus der Reihe gerathen und von den lachenden Tänzern nicht wieder eingelassen worden.

Da ging er mit einigen husarischen Freunden an den Schänktisch und nahm sich vor, den großen Humpen auszutrinken, um seine Frau auch zu ärgern. Sie aber ließ sich unbesorgt von Hinz und Kunz nach Hause leuchten.

Und von der Zeit an ging in Nürnberg die Rede, auch Herr Rotmund sei einmal in dem Rollwäglein nach Hause gefahren worden, das bestellt war, in der Nacht die Betrunkenen aufzulesen und heim zu schaffen. – – –

Als an diesem Tage nach dem Fest der Rath mit noch verschlafnen Augen zusammentrat, erhob sich plötzlich ein lautes Pferdegetrappel vor dem Rathhause. Gleich darauf ließ sich Seine fürstliche Durchläuchtigkeit melden, und durch die Spitzbogenpforte der Rathsstube schritt er, geleitet von dem ganzen Gefolge von Fürsten, Prälaten und Herren – nur der Narr fehlte.

„Wir nahen als Bittender,“ sprach der Erzherzog.

Der Schultheiß neigte sich und fragte ehrerbietigst:

„Eure fürstliche Durchläuchtigkeit wünschen Gnade zu üben, Verurtheilte loszusprechen wie es Brauch bei fürstlichem Besuch.“

„Nein, wir wollen der Themis nicht in den Arm fallen,“ erwiderte der Erzherzog, „und doch wünschen wir, arme Gefangene zu lösen. Wir sind gekommen, für Eure holdseligen Frauen zu bitten, daß Ihr sie der Stürze entlediget. Wir versehen uns von Euch keiner Weigerung.“

Der Stadtschultheiß stand wie vom Donner gerührt; die Rathsherren schwiegen. Nur der Rotmund ermannte sich und sprach mit einer Stimme, in der ein heimlicher Groll durchklang:

„Durchläuchtiger Fürst und Herr! Unsre willig unterthänigen Dienste sind Euch mit Fleiß voran bereit. Aber –“

Der Erzherzog sah über den Mann der Rotmundin mit hochmüthigem Blicke hinweg. Der Pfalzgraf Ottheinz aber unterbrach ihn:

„Ihr seid wahrlich dahinten geblieben. Hättet Ihr doch die Prinzessin Maria gesehen, die erhabne Schwester Seiner fürstlichen Durchläuchtigkeit! Die hat ein Spiel mit ihren Damen aufgeführt, wo Alle Göttinnen waren und Röcklein nicht viel bis über die Kniee trugen. Man nennt die neue Kleidung à la Nymphale.“

„Ihr seid auch unbillig,“ fuhr der junge Domherr stürmisch heraus, mit dem die Schultheißin geschäkert hatte, „und verdient nicht, so holde Frauen in die Arme schließen zu dürfen.“

Er stieß einen so tiefen Seufzer aus, daß die andern Herren vom Gefolge lächelten.

„Schweigt!“ rief der Stadtschultheiß zornig, „Ihr seid schon mehrmals wegen Hoffart und weiten Aermeln von Eurem Capitel bestraft worden, des Brettspiels und andrer Ueppigkeiten, so Ihr getrieben, gar nicht zu gedenken. Ihr habt nicht mitzureden.“

„Wo es gilt, für unterdrückte Frauen ein Wort einzulegen, hat jeder Mann Recht und Pflicht mitzureden,“ sagte der welsche Bischof. „Hütet Euch, daß Ihr den Bogen nicht zu straff spannt! Euren Frauen möchte der Geduldsfaden reißen.“

Der Holzschuher sah ihn ergrimmt an.

„Sie werden ihn schon wieder anknüpfen, wenn wir die unnützen Hände klopfen, die ihnen beim Zerreißen aller Bande behülflich sind.“

„Aber die häßliche Verluppung ist ein Flecken in unsrem Jahrhundert, in welchem die Göttin der Schönheit eine Wiedergeburt feiert,“ sprach der Beichtvater aus Rom.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 601. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_601.jpg&oldid=- (Version vom 21.4.2023)