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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

des Trocknungsverfahrens allein hätte man auf der Pariser Weltausstellung bewundern sollen; denn nur aus ihr resultirt die hervorragende Qualität der ausgestellten getrockneten Obstsorten.

Die Art, wie man in Deutschland das Trockenobst herzustellen pflegt, ist im Allgemeinen die denkbar primitivste; denn in dem eigentlichen Obstgarten Deutschlands, in dem Main- und Neckarthal, der Wetterau, an der Bergstraße etc., wo sich vorzugsweise die kleinen Landbesitzer der Obstcultur widmen, findet man noch eine mittelalterliche Trocknungsmethode, durch welche das Obst mehr geräuchert als getrocknet wird. Dieses geräucherte Obst unterscheidet sich vom Alden-Obst so gründlich, wie ein Pelzapfel von einer Goldreinette.

Aber auch das Trocknen in eigens dazu hergerichteten Oefen, welches wohl größere Obstzüchter hier und da in Deutschland betreiben, ist eine sehr unvollkommene Methode, wie sich leicht Jeder überzeugen kann, der diesen Vorgang aufmerksam verfolgt und beobachtet. Die Oberfläche des in ganz frischem Zustande in den übermäßig heißen Ofen eingeführten Obstes trocknet zuerst, und zwar sehr rasch, ja sie verkohlt oft, während das Innere noch feucht ist; denn die Poren sind geschlossen und verhindern das Verdampfen des Saftes. Selbstverständlich leidet darunter das Ansehen, der Wohlgeschmack und namentlich die Haltbarkeit des Productes. Die Franzosen, welche ihre berühmten Prünellen auch in Oefen trocknen, suchen dem bezeichneten Uebelstande dadurch zu begegnen, daß sie das frische Obst so lange, auf Hürden ausgebreitet, der Sonne aussetzen, bis die Haut einzuschrumpfen beginnt. Dann erst kommt es in den mäßig warmen Ofen, in dem es vierundzwanzig Stunden lang verbleibt, um alsdann herausgenommen und vollständig abgekühlt zu werden. Ist das Letztere erreicht, dann werden die Hürden noch einmal vierundzwanzig Stunden in den Ofen geschoben. Nach Verlauf dieser Zeit ist der Trocknungsproceß gewöhnlich vollendet, und nur in den seltenen Fällen, wo das Obst noch etwas feucht ist, wird es nach gehöriger Abkühlung abermals, aber nur für wenige Stunden, in den Ofen gethan.

Im Vergleich mit dem gewöhnlichen, in Deutschland üblichen Verfahren ist diese Methode gewiß als ein Fortschritt zu betrachten. Nichtsdestoweniger läßt sich der Alden-Proceß als eine weitere dankenswerthe Reform bezeichnen. Alden betrat einen ganz neuen Weg. Er betrachtete es als eine der hauptsächlichsten Aufgaben, welche durch den Trocknungsproceß gelöst werden muß, den Stärkegehalt des Obstes durch rapides Trocknen, das aber nicht in Kochen übergehen darf, in Zucker umzuwandeln. Das Kochen alterirt den Geschmack des Obstes. Ebenso ein zu langsames Trocknen, da es dem Obste einen Geschmack giebt, als sei es im ersten Stadium der Fäulniß in den Ofen gebracht worden. Je rapider die wässerigen Theile entfernt werden, je besser wird der Geschmack sein, und je vollständiger das Obst während des Trocknungsprocesses von der äußeren Luft abgeschlossen ist, je vollkommener wird sich das Colorit erhalten. Die Rapidität des Processes erhöht den Zuckergehalt durch Umwandelung der Stärke um fünfundzwanzig Procent.

Aber es muß wohl gemerkt werden, daß das Obst nicht kochen, mit anderen Worten, daß die angewandte Temperatur nicht 100’ Celsius übersteigen darf. Sie sollte stets zwischen 83°–93° Celsius gehalten werden. Ein anderer Punkt ist gleich wichtig: die Oberfläche des zu trocknenden Obstes muß stets feucht und geschmeidig erhalten werden, damit die innere Feuchtigkeit von der starken Strömung heißer Luft, welche unausgesetzt über das Obst hinweggehen muß, rasch und leicht entführt werden kann. Man wird da einwerfen, daß Obst in heißer, mit Feuchtigkeit geschwängerter Luft nicht trocknen könne, allein dieser Einwurf ist nicht stichhaltig. Luft auf dem Gefrierpunkt hält den hundertsechszigsten Theil ihres Gewichts in Form von Dampf, und ihre Fähigkeit, Feuchtigkeit zu absorbiren, verdoppelt sich mit je 15° Celsius über dem Gefrierpunkte, sodaß bei 15° Celsius die Luft den achtzigsten Theil ihres Gewichts, bei 30° Celsius den vierzigsten Theil, bei 45° Celsius den zwanzigsten Theil, bei 60° Celsius den zehnten Theil, bei 75° Celsius den fünften Theil, bei 90° Celsius den dritthalben Theil, bei 105° Celsius ihr eigenes Gewicht an Feuchtigkeit oder nahezu ein Pfund Wasser auf sechs Cubikfuß Luft absorbirt. Nun ist allerdings klar, daß, wenn die mit einer solchen Quantität Feuchtigkeit geschwängerte Luft ruhig über dem Obste lagerte, dasselbe niemals trocknen würde. Daher die Nothwendigkeit, die beladene Luft so rasch wie möglich zu entführen. Wind, also in Bewegung befindliche Luft, ist nothwendig, um einem Gegenstande die Feuchtigkeit zu entziehen, wie denn auch nach einem Regen der Wind weit mehr als die Sonne dazu beiträgt, die Erde zu trocknen. Auf einem ununterbrochenen Strome heißer Luft, der die freigewordene Feuchtigkeit rasch entführt, beruht der Erfolg eines guten Trocknungsprocesses. Das von Alden erfundene Verfahren fußt nun – in wenigen Worten zusammengedrängt – auf einer rapiden Circulation heißer Luft, auf gleichmäßig unterhaltener Hitze und auf einem immer vorhandenen beträchtlichen Feuchtigkeitsgehalte der Luft.

Diesen drei Cardinalbedingungen wird mit dem nach Alden benannten Apparate entsprochen. Derselbe besteht aus einem vier Fuß im Quadrat haltenden, fünfundzwanzig Fuß hohen hölzernen Schacht, in welchem eine endlose Kette mit Zapfen hängt. Unter diesem Schachte steht ein Apparat zur Erzeugung heißer Luft mit einer Klappe an dem Fuße, um frische Luft zum raschen Aufwärtstreiben der erhitzten einzuführen. Der Heizapparat ist ähnlich wie diejenigen, welche man benutzt, um Fabrikräume etc. mit erhitzter Luft zu erwärmen, und kann ich deshalb eine nähere Beschreibung desselben unterlassen. Wenn die Luft auf 76° bis 93° Celsius gebracht ist, wird eine mit Obst flach gefüllte Hürde in den Schacht gesetzt und zwar auf zwei Zapfen der endlosen Kette. Nach Verlauf von fünf bis zehn Minuten wird mit zwei Rädern, die sich an der Außenseite des Schachtes befinden, aber mit der endlosen Kette verbunden sind, die Hürde um vier Zoll in die Höhe gehoben und eine neue Hürde eingeschoben. In der angegebenen Pause wird nun mit dem Einsetzen neuer Hürden fortgefahren, und bei dem schneller als Steinobst trocknenden Kernobst ist der Schacht in fünf bis sechs Stunden gefüllt. Während unten immer neue Hürden eingeschoben werden, nimmt man die oberen mit dem inzwischen getrocktneten Obste heraus. An der Mündung des Schachtes ist nämlich eine Platform angebracht, auf der Leute stehen, um die Hürden abzunehmen und sie in die Obstkammer zu befördern.

Es ist noch zu bemerken, daß die Hürden so in den Schacht eingesetzt werden müssen, daß der Luftstrom von unten im Zickzack nach oben strömt. Von dem frischeingesetzten Obst in den unteren Hürden wird viel Feuchtigkeit frei, die mit dem Luftstrom nach oben über das schon trockene Obst geführt wird, dessen Oberfläche dadurch feucht und geschmeidig bleibt. Man findet oft Schachte, in welche zu halber Höhe ein Rohr aus einem nahen Dampfkessel eingeführt wird. Wasserarmes Obst[WS 1] springt nämlich zuweilen, wenn die Wärter im Aufwärtsdrehen nachlässig sind, und das beeinträchtigt natürlich den Marktwerth des Products. Diese Gefahr sucht man nun durch Zuführung von Wasserdampf in halber Schachthöhe zu beseitigen.

Wenn nach einem Verweilen im Schachte von fünf bis acht, höchstens zehn Stunden das Obst in der erwärmten Packkammer abgeliefert wird, dann wird es erst einige Stunden unter Mosquitonetzen – um das Ungeziefer abzuhalten – der Luft ausgesetzt, damit die Abtrocknung des Feuchtigkeitsniederschlags eine vollständige wird, und alsdann findet die Verpackung in niedliche Kisten von fünfzig Pfund Inhalt statt. Wenn dieses Alden-Obst beim Kochen richtig behandelt wird, so vertritt es würdig und ebenbürtig die Stelle des frischen Obstes, ja es wird von Vielen diesem aus Sparsamkeitsrücksichten noch vorgezogen.

Es muß in Erinnerung gebracht werden, daß das Obst achtzig Procent seines Gewichtes während des Trocknens verloren hat, und dieser Verlust, der in Wasser bestand, ist während des Kochens wieder zu ersetzen. Man muß daher das Alden-Obst erst in warmes Wasser legen, bis es vollständig weich geworden ist; dann kocht man es unter fortwährender Zugabe von Wasser, bis seine Aufsaugefähigkeit aufhört.

Wie hoch man in Nordamerika das Alden-Obst schätzt, geht schon daraus hervor, daß es um zweihundert Procent theurer bezahlt wird, als das an der Sonne oder im Ofen getrocknete. Der einzige gegründete Vorwurf, welchen man den Alden-Apparaten macht, besteht in ihrer großen Veranlagung, sodaß sie sich nur für bedeutende Obstzüchter oder Genossenschaften eignen, aber man bemüht sich jetzt einen Apparat zu erfinden, dessen sich auch der kleine Obstzüchter bedienen kann. Da erhebe ich nun zum Schlusse die Frage: Sollte es nicht für einen deutschen Erfinder eine würdige Aufgabe sein, über einen Apparat nachzudenken, der dem letzteren Zwecke entspricht und auf den oben dargelegten Principien basirt? Man versuche diese wichtige Frage des deutschen Obstbaues zu lösen! Man gebe dem Obsthandel eine bessere Organisation und schreite muthig vorwärts! Denn der Pessimismus ist nicht gerechtfertigt: die deutsche Erde ist auch im Obstbau dem Erreichen des Höchsten günstig. Heinrich Semler.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ost


Blätter und Blüthen.

Allgemeine Musikgeschichte. Populär dargestellt von Dr. Ludwig Nohl. (Leipzig, Philipp Reclam jun.) „Die Musik ist allgemach eine Macht des Lebens geworden, der sich kein tiefer empfindender Mensch mehr zu entziehen vermag und die in der Kirche wie im Concert, im Theater wie im Hause dem, der sich ihr ernst und innig hingiebt, auch wahre Lebensnahrung spendet.“ Trifft dieser Ausspruch, mit welchem Ludwig Nohl sein oben näher bezeichnetes Werk eröffnet, das Richtige – und er thut es ohne Frage – so muß die Geschichte der Musik ein Gebiet sein, das dem Interesse aller Gebildeten nahe liegt. Wie nahe es ihnen aber liegt, das lernen wir praktisch durch die Lectüre des Nohl’schen Buches. Unser allbekannter Musikschriftsteller, den auch die Leser der „Gartenlaube“ aus so manchem geist- und gemüthvollen Artikel seit Jahren kennen, hat es in der vorliegenden kurzgefaßten Musikgeschichte verstanden, die Entwickelung der Tonkunst seit ihren ersten Anfängen bis auf unsere Tage in reizvoller und anmuthiger und doch lehrreicher und zum Nachdenken anfeuernder Weise zu schildern, ohne dabei einseitigen Parteistandpunkten zu verfallen. Er theilt sein Werk in die vier Hauptabschnitte: „Von den alten Völkern bis zu Sebastian Bach“, „Geschichte der Oper“, „Die Entstehung der Instrumentalmusik“ und „Die moderne Musik“ und schließt dasselbe mit einem Anhange „Die Zigeunermusik“ ab. Ueberall in diesen vier Abschnitten begegnen wir einem gesunden und selbstständigen Urtheile über die Kunst des Tones und ihre auserwählten Vertreter, überall einer klaren und durchsichtigen Darstellung und dem nicht genug anzuerkennenden Streben, einen an sich schwerflüssigen Gegenstand, wie es nun einmal alle Kunstgeschichte ist, populär und farbig zum Vortrag zu bringen und ihn so auch dem einfacheren Leser aus dem Volke zugänglich und verständlich zu machen. Neben den übrigen guten Eigenschaften dieser Nohl’schen „Musikgeschichte“, zu denen wir in erster Linie die Gründlichkeit und Gediegenheit der ihm zu Grunde liegenden Studien rechnen, ist es namentlich dieses Streben nach gemeinverständlicher Darstellung; welches uns das auch äußerlich sehr geschmackvoll ausgestattete Buch unseren Lesern auf’s Beste empfehlen läßt. Goethe nennt einmal in seinen Briefen an Zelter die Musik „die schönste Offenbarung Gottes“. Wie sollte eine Geschichte dieser „Offenbarung“ nicht eine zugleich erbauliche und fesselnde Lectüre bilden?


Kleiner Briefkasten.

L. L. in Riga. Ob eine Erzählung von E. Werner in Aussicht steht? Allerdings! Zu unserer großen Freude werden wir den nächsten Jahrgang voraussichtlich mit E. Werner’s neuestem Roman „Gebannt und erlöst“ eröffnen können.


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig, – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 600. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_600.jpg&oldid=- (Version vom 21.4.2023)