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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Sängerkehle ergeht es wie einer Musikantenkehle, und die ist laut Emanuel Geibel „als wie ein Loch“. Es war auch nicht zu verwundern, daß einzelnen Sängern aus dem biergesegneten Baierlande das notorisch kleine Hamburger Seidel bald gar zu winzig erschien und sie deshalb anfingen, ihren famosen heimathlichen „Weihenstephan“ aus – Champagnerkühlern zu pokuliren. Ganz selbstverständlich ist es ferner, daß auch der Humor seine lustigen krausen Blüthen trieb; er war es, der sein geselliges Band um die ganze Festgesellschaft schlang, die da unten auf der Moorweide zu Hamburg vor dem Dammthore durch einander wogte, indessen von oben die glänzenden Sterne mit verwunderten Augen auf sie herabschauten.

Das dritte deutsche Sängerbundesfest in Hamburg: Das Bundesbanner im Festzuge.

Und aus Abend und Morgen wurde der zweite Tag. Auch er lachte in strahlender Bläue auf das Fest hernieder. Nachdem Vormittags in der Festhalle die erste allgemeine Probe zu dem ersten großen Concert abgehalten war, schauten sich die fremden Sänger, von denen viele auch ihre Damen mitgebracht hatten, die Sehens- und Merkwürdigkeiten der Weltstadt an. Naturgemäß übte der Hafen mit seinen zahllosen Schiffen, vom stolzen Meergiganten an, der den weiten Ocean durchfurcht, bis zum bescheidenen Ewer, der von den nahen Elbinseln her die Hamburger mit frischen Lebensmitteln versorgt, die bedeutendste Anziehungskraft auf die staunenden Binnenländer aus, und in der That wimmelte es dort förmlich von Besuchern. Die Leute „von de Waterkant“, die unter Umständen mit den in dieser Beziehung berüchtigten Sachsenhäusern recht gut in „wackerer heimathlicher Grobheit“ rivalisiren können, zeigten, daß sie ebenfalls hinwieder sehr gemüthliche Leute sein können, und in mancher Hafenschenke konnte man zwischen Gästen und „natives“ die herzlichsten Beziehungen beobachten. Dazu hatte auch der Hafen ein buntes Festgewand angelegt. Da lag nicht ein einziges Schiff, dessen Masten nicht reich beflaggt waren, und die alten Häuser, die sonst etwas grämlich dareinschauen, blickten jetzt im Schmucke grüner Kränze und bunter Inschriften freundlich auf die zu ihren Füßen fluthenden Menschen. Die Inschriften waren zum Theil recht bezeichnend. So war es der Ausdruck vollster Ueberzeugung, wenn die eine in biederem Plattdeutsch meinte:

„So lang’ in Hamborg Schippfohrt geiht,
So lang’ Gewerbe noch besteiht,
So lang’ Gesang noch wardt verehrt:
So lang’ geiht hier noch nicks verkehrt.“

Einzelne Inschriften wieder schlugen einen humoristisch satirischen Ton an. Die in der Hamburger Bevölkerung tiefgehende Bewegung des Zollanschlusses äußerte sich folgendermaßen:

„Bis 88 könnt Ihr singen
Aus freier Kehle, wie Ihr wollt;
Denn spät’re Zeit noch wird es bringen,
Daß man Gesang als ‚Ton‘ verzollt.“

Mittlerweile waren in dem sogenannten „Schweizersaale“ des Sagebiel’schen Etablissements die Delegirten der Gaubünde zum achten „Sängertage“ zusammen getreten. (Der vorige wurde am 7. August 1880 in Würzburg abgehalten.) Die Verhandlungen betrafen zumeist interne Angelegenheiten des Sängerbundes und passen deshalb in den Rahmen dieses Festberichtes nicht. Aber über die „Deutsche Sängerbundes-Stiftung“, die 1877 zu Kassel errichtet wurde und deren Zweck es ist, wie die Satzungen besagen: „Componisten auf dem Gebiete des deutschen Männergesanges sowie deren Hinterbliebenen in Fällen der Bedürftigkeit Unterstützungen als Ehrengaben des deutschen Sängerbundes zu gewähren“, über sie dürften einige Mittheilungen von Interesse sein.

Die „Sängerbundesstiftung“ verfügt zur Zeit über ein Capital von 42,000 Mark und hat im vergangenen Jahre an die Wittwe Kreutzer und an Ed. Hermes je 600 Mark als Ehrengaben vertheilt. Im neuen Geschäftsjahre werden wieder zwei Ehrengaben zur Vertheilung gelangen und zwar 900 Mark an Altmeister Storch und 600 Mark an die Wittwe Weber. – In den Nachmittagsstunden stand die erste große künstlerische That des Sängerfestes bevor, nämlich das erste große Festconcert, und in breitem Strome ergoß sich die Menschenmenge dem Festplatze zu. Es bedurfte großer Vorsicht, um sich durch das dichte Gewirr der Fuhrwerke und Fußgänger gefahrlos zu winden und, ohne Leibesschaden zu nehmen, die Halle zu erreichen. Dort saßen zur festgesetzten Zeit Kopf an Kopf erwartungsvoll die Hörer, Männlein und Weiblein, beisammen, und auf dem Podium gruppirte sich die gewaltige Sängerschaar. Ein imposanter Anblick! Jetzt betrat Professor Julius von Bernuth die Dirigentenkanzel und erhob den Tactstock. Das Orchester setzte ein, und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 597. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_597.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2023)