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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

doch auch andere Dienstzweige werden betrieben; so wird das Exerciren mit Gewehr, im Bataillon und am Geschütz weiter geübt und Munition angefertigt; auch werden Instructionen abgehalten, und Nachtschießen findet statt. Raketen, deren Leuchthauben mit Feuerwerkskörpern gefüllt sind, werden aufgelassen; beim Schein dieser Leuchtsterne wird das Geschütz gerichtet und die Stellung des so eingerichteten Geschützes auf der Bettung bestimmt; dann kann das Schießen beginnen.

In großer Abwechselung verläuft nun die mehrwöchentliche Uebung; die jungen Soldaten haben mit allen Calibern und Geschützarten, wie sie in und vor Festungen gebraucht werden, geschossen, sind mit ihren Eigenthümlichkeiten vertraut geworden und wissen, was sie von denselben erwarten können. Die Inspicirungen, die gegen Ende der Schießübung eintreten, sind gut abgelaufen; die hohen Herren haben ihre Zufriedenheit ausgesprochen, und Vorgesetzte und Untergebene sind erfreut, daß das Regiment die Prüfung wiederum mit Ehren bestanden hat.

Die eigentliche Schießübung ist beendet – es findet nur noch das Prämienschießen statt, in welchem die Unterofficiere um die Schießauszeichnung, die Mannschaften um silberne Medaillen, respective Geldpreise concurriren. Nach dem letzten Schusse am letzten Schießtage ertönt das Signal „Das Ganze halt!“. Die Fahne vor der Wache wird langsam heruntergelassen.

Der nächste Tag gilt der Vorbereitung zum Abmarsch, aber der Nachmittag wird noch einmal der Freude gewidmet. Jüngere Officiere in Verbindung mit einigen Unterofficieren und gewandten Einjährigen haben ein kleines Programm aufgestellt und Vorbereitungen getroffen, daß zu guterletzt noch Jeder eine lustige Erinnerung an das Lagerleben mitnimmt.

Ist Feldartillerie im Lager, dann wird ein Wettrennen abgehalten, an welches sich sonstige Belustigungen schließen. Aus Ersparnissen am Menagefonds oder Ueberschüssen der selbstverwalteten Marketendereien, respective Pachtgeldern erhalten die Mannschaften Bier und Cigarren, und die Musik spielt an einem passenden Platz des Lagers, wo sich Alles sammelt.

Der uns eng zugemessene Raum gestattet uns leider nicht, alle die fröhlichen Soldatenbelustigungen hier zu schildern, wie das Wettrennen der Mannschaften mit Hindernissen, das Wettspringen nach Würsten, die oft heimlich mit Syrup gefüllt sind und den nach ihnen Schnappenden mit dem süßen Saft übergießen, das Wettessen eines Heidelbeerkuchens, in welchem ein blanker Thaler sich befindet, der demjenigen gehört, der ihn zuerst mit den Zähnen erfaßt, etc. Das beigegebene Bild (S. 592) zeigt einige dieser Spiele. Oft findet auch das beliebte Wettrennen der Officiershunde statt, wobei die Thiere Hindernisse „moralischer“ Art, wie Würste und Bratenstücke, zu überwinden haben.

Schließlich wird aus alten Holz und Strauchresten ein Lagerfeuer angezündet, und bei den Klängen der Musik tanzen nun die Leute mit einander; in den Zwischenpausen wird gesungen. Natürlich sind es auch hier, wie immer, wenn Deutsche heiter sind, schwermüthige Weisen, die erklingen; z. B. „Morgenroth, leuchtest mir zum frühen Tod“, „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ und „Ist Alles trübe“ etc.

Nachdem nun das Lagerfeuer heruntergebrannt ist, ertönt der Retraiteschuß; die Musik bläst die Retraite und das Gebet. Allmählich wird es still, und nach einer Stunde herrscht tiefe Ruhe im Lager; die Krieger träumen auf ihren Feldbetten von den Freuden der Garnison, die ihnen nun so nahe winken.

Nur noch ein Tag, und der Rückmarsch beginnt; freudig werden wir bei dem Einmarsch daheim von Freunden und Bekannten begrüßt.




Noch einmal vom dritten deutschen Sängerbundesfest in Hamburg.[1]

Von Harbert Harberts. Mit Abbildungen von P. Duyffcke.
Der Sängereinzug. – Beim Begrüßungschoppen. – Der Empfangsabend in der Festhalle. – Etwas vom Festplatze. – Waterkant. – Der Sängertag und die Sängerbundesstiftung. – Das erste Festconcert. – Der große Festzug. – Das zweite Festconcert. – Zum fröhlichen Anfang das fröhliche Ende.

Es war ein prächtiges Fest, das jüngst die sangeskundigen Söhne Alldeutschlands in Hamburgs Mauern feierten, ein echtes Nationalfest, das die Herzen aller Theilnehmer höher schlagen ließ in freudiger Begeisterung, in einmüthiger Hingabe an die idealen Genüsse, die das deutsche Lied und der deutsche Chorgesang ihren Jüngern und Freunden bereiten, ein deutsches Verbrüderungsfest im schönsten und edelsten Sinne des Wortes. Und der Himmel selber hatte seine helle Freude an dem prächtigen Feste. Noch wenige Tage vorher hing er ununterbrochen grau und trübe herab auf die alte Hansastadt, als aber mit dem Morgen des 10. August das Fest anbrach, da hatte er die letzte Wolke aus seinem Antlitz gewischt und lachte blau und sonnenglanzumflossen herab auf die Thürme und Giebel der Stadt, die im reichen Schmucke bunter Fahnen erprangte, auf die Straßen, die sich das Festkleid grüner Guirlanden und mächtiger Triumphbogen mit poetischen Inschriften angethan hatten, und auf die Tausende und Abertausende von fröhlichen Menschenkindern jeden Alters, jeden Standes und jeden Geschlechts, welche die Straßen vom frühen Morgen an belebten und die einziehenden Sangesgäste mit herzlichem Jubel begrüßten.

Alle fahrplanmäßigen Züge der verschiedenen Eisenbahnen und zahlreichen Extrazüge brachten deren in immer neuen Schaaren. Auf den Perrons wurden dieselben von Vertretern des Centralausschusses officiell empfangen und unter den Klängen eines rauschenden „Sängermarsches“, den der in Hamburg so sehr beliebte und durch seine „Türkische Schaarwache“ durch ganz Deutschland und weit über dessen Grenzen hinaus bekannte Musikdirector Theodor Michaelis eigens zum Feste componirt hatte, nach dem Empfangsbureau, der Marienthaler Bierhalle am alten Pferdemarkte, geleitet.

Die Marienthaler Bierhalle liegt dem Thaliatheater gerade gegenüber und war bis vor Kurzem noch eine gewöhnliche Markthalle, wo auf dem „Schrangen“ der Schlächter sein saftiges Ochsenfleisch, seine Schweinsrippen und Hammelkeulen, die Landleute der Umgegend ihr Gemüse und die stämmige Fischfrau Schellfische und Schollen ausbot. Seitdem hat die Kunst des Architekten und des Decorationsmalers die Halle in ein glänzendes Wirthschaftsetablissement umgewandelt, wo die Marienthaler Bierbrauerei bei Wandsbeck ihre vorzüglichen Biersorten verzapft, und wo vom Tage der Eröffnung an große Frequenz herrscht.

Hierhin war, wie gesagt, das Empfangsbureau verlegt, und hier wurde den einziehenden Sangesgästen vom Comité der „Begrüßungsschoppen“ credenzt. Ein buntes, malerisches Treiben füllte den ganzen Vormittag die weite, hohe Halle und den vor ihr liegenden kleinen Garten. Mit Sang und Klang zogen die schier zahllosen einzelnen Liedertafeln und Gesangvereine mit ihren bunten, zum Theil kostbaren Fahnen und Bannern ein, und jedem einziehenden Gaste wurde jubelnder Zuruf zu Theil.

Förmlicher Enthusiasmus aber that sich allseitig kund, als die deutschen Sangesbrüder aus England und den russischen Ostseeprovinzen eintrafen, und in erhebender Weise zeigte sich wieder einmal, daß das deutsche Stammesbewußtsein auch denjenigen Söhnen der gemeinsamen Mutter Germania gegenüber warm und kräftig pulsirt, von denen uns eine kalte politische Grenze trennt. Vierstimmiger Hochgesang erscholl zu ihren Ehren, und die Musik schmetterte ihnen ihren fröhlichsten Tusch entgegen.

Im Empfangsbureau wurden vorläufig die Banner abgegeben und die Festzeichen und Festkarten, sowie die Programme und Quartierbillets entgegen genommen. Dann erst kam der „Begrüßungsschoppen“ zu seinem Rechte. Viele der Sänger hatten eine lange Eisenbahnfahrt hinter sich, und da mag der kühle Trunk den ausgetrockneten Kehlen trefflich zugute gekommen sein.

Es entwickelte sich denn auch bald an allen Tischen eine zwanglose Fröhlichkeit, und die Kellner, unter denen zwei waschechte Nigger den Binnenländern einen kleinen Beweis von Hamburgs kosmopolitischer Stellung gaben, hatten kaum Hände genug, um an sämmtlichen Tischen den nöthigen „Stoff“ spenden zu können. Dazwischen bewegten sich dralle Vierländerinnen in ihrer

  1. Vergleiche Nr. 32.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 595. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_595.jpg&oldid=- (Version vom 19.4.2023)