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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Zuckerbäckerstil. Die Gebäude, so hieß es, spielten gar keine dominirende Rolle, sie verschwänden zwischen und hinter den Bäumen, da sie decorativ, aber nicht architektonisch gehalten seien. Ich ließ Jeden nach Herzenslust räsonniren, und wenn er mich dann fragte, ob ich nicht ganz mit ihm einverstanden sei, machte ich von meiner persönlichen Freiheit Gebrauch und antwortete:

„Im Gegentheil, ganz und gar nicht. Ich bin der Meinung, daß Ihr Baugelehrten die Köpfe zu sehr voll habt von Pedanterien und Vorurtheilen. Ich bin der Meinung, daß der Vorzug dieser Baukunst gerade darin besteht, daß sie nicht nach den alten Schablonen gemacht ist, die wir ja Alle schon bis zum Ueberdruß kennen, sondern daß sie versucht, nicht nur zweckmäßig, sondern auch neu und schön zu sein und sich dem Ganzen, von welchem sie einen integrirenden Bestandtheil bildet und welchem sie zu dienen bestimmt ist, unterzuordnen. Sie wollen nicht dominiren, die Gebäude, und das ist ihr Hauptvorzug; denn Das da ist doch keine Architektur-Ausstellung und kein architektonisches Versuchsfeld, sondern ein Park mit einer Gewerbe- und Kunstausstellung, und wenn nun diese Gebäude sich vernünftiger Weise bescheiden, als Zier- und Ausstattungsstücke dieses schönen Parks zu figuriren, und mit den massenhaften prachtvollen Baumgruppen ein einheitliches künstlerisches Ganze zu bilden – und so hat der Director Gnauth, der das Alles allein componirte, seine Aufgabe mit Recht aufgefaßt – so ist das Höchste erreicht und unter allen Umständen weit mehr geleistet, als wenn man da hohe, kostspielige, anspruchsvoll-gespreizte, steife Baumassen hingestellt hätte, die ihrem Zweck nicht entsprechen und mit dem Uebrigen nicht harmoniren. Nennt das meinetwegen Zopf oder Rococo, maurisch oder wie Ihr wollt. Ich sage: es ist schön und stimmt zu dem Ganzen.“

Endlich gelang es mir auch, die Geschichte des „Maxfeld“ zu ermitteln. Es hat früher „der Judenbühl“ geheißen und war zeitweise der Schauplatz jener religiösen Verfolgungen, welche einigen Blättern der sonst glorreichen Geschichte der deutschen Reichsstädte einen schweren Makel aufdrücken. Hier wurden unschuldige Juden, welchen man Verbrechen zur Last legte, die nur Phantasieproducte einer von gewissenlosen Hetzern toll gemachten Menge waren, zu Tode gemartert, und das düstere Drama fand schließlich einen Abschluß in einer Massenverbrennung nach spanischem Zuschnitt. Der Magistrat von Nürnberg machte schon im Jahre 1473 bei dem Kaiser, unter dessen Schutz die Judenschaft stand, den Versuch, eine Ausweisung derselben zu erwirken. Der Kaiser wies den Versuch zurück. Erst 1498, unter Kaiser Max, ist er gelungen. Maximilian genehmigte die Vertreibung, und schrieb – gleichsam um über die Beweggründe keinen Zweifel zu lassen – gleichzeitig an Herrn Wolfgang von Parsberg, „des Kaisers und des heiligen römischen Reichs Schultheißen zu Nürnberg“, daß er „die sämmtlichen Häuser der Juden, die Synagoge und alle anderen liegenden Güter und Gründe, sammt dem jüdischen Leichenhofe, als kaiserliche Kammergüter auf sein Geheiß und auf seinen Namen in Besitz nehmen solle“.

Und Dem ist denn auch also geschehen. Das war nicht kaiserlich, sondern communistisch und ist auch nicht zu entschuldigen durch die große Finanznoth, in der sich Kaiser Maximilian damals befunden. Auf Mittfasten 1499 sind dann sämmtliche Juden mit Frau und Kind aus der Stadt auf den Judenbühl gezogen und von hier aus nach allen Richtungen der Windrose gegangen. Die Markgräfin Anna von Brandenburg hat sich ihrer warm angenommen, und die Meisten erreichten Unterkunft in der freien Stadt Frankfurt am Main. Andere fanden eine neue Heimath in den näher gelegenen onolzbachschen (das ist anspachischen) Orten, in Fürth, Schneitlach, Hüttenbach, Bruck, Neumarkt, Sulzbach etc.

Wie aber die Bürger innerhalb ihrer Ringmauern Unschuldige peinigten, so wurden sie selbst wieder außerhalb der Stadtmauern unschuldig gepeinigt. Dafür nur ein Beispiel! Unter dem Jahre 1382 – es sind also gerade fünfhundert Jahre her – schreibt der Annalist:

„Johann von Rotenstein hat dem Rathe zu Nürnberg abgesagt (das heißt ihm die Fehde angekündigt), darumb, daß der Rath seinen Knecht Peter von Ortengluching als einen Leuteschinder und Straßenräuber hat niederwerfen und enthaupten lassen. Auch haben dies Jahr Burckard von Seckendorff und Ernst von Seckendorff, genannt ‚Hörauf‘, Ulrich von Wildenstein, Reichhard von Wenkstein und Lutz von Egersdörfer, sammt ihren Helfern und Helfershelfern, ein Reiten gethan wider Hilpold von Stein; und obwohl die Stadt Nürnberg mit dieser Fehde nichts zu thun gehabt, so sind doch die Nürnbergischen Unterthanen merklich beschädigt und ihnen über dreißig Höfe und Güter niedergebrannt worden; sonderlich sind dem Peter Mendel und dem Moritz Mendel zwei Häuser zu Elßenbach, drinnen dreißig Simmer Korn, fünfzehn Fuder Heu, viel Hausrath, sammt einem Kinde, verbrunnen; Dergleichen ist anderen Orten auch geschehen, wie in dem Nürnbergischen Achtsbuch des Längeren zu lesen. Hat also die Bürgerschaft zu Nürnberg dies Jahr große Feindtschaft gehabt, die sie allenthalben hat angegriffen und beschädigt; und zwar sind auch etzliche abtrünnige Burger gewest, Namens Burkard Gailler, Kunrad Schmalz und Andere Mehr, die diesen Befehdern Hülfe und Fürschub zum Zugreifen gethan haben. Seind also dieses wüsten Wesens halber gefährliche Zeitläufte, sonderlich für die Handelsleute, und seind die Straßen allenthalben unsicher gewest.“

Dieser Bericht der Nürnberger Chronik von 1382, den ich erst vor Kurzem gelesen, fiel mir wieder ein, als ich 1882 im Nürnberger Ausstellungspark saß unter einem mächtigen Kastanien- oder Nußbaume – ringsum die Producte einer hochentwickelten Industrie und Kunst, und Leute „aus aller Herren Ländern“, welche Leute unter dem Schutze der Cultur, der Civilisation, des Friedens und der Freiheit hierher gekommen waren, um diese Werke des Friedens, des Fortschritts und der Culturentwickelung zu betrachten. Ein Blick auf diese Umgebung, in der Alles lachte und lebte, aber Niemand bangte und bebte, eine Vergleichung dieses frohmüthigen und sonnenhellen Bildes mit den oben geschilderten Hergängen von 1382 und 1499 zwang mir die Frage auf: wie lange wird es noch Menschen geben, die albern genug sind, an das tausendmal widerlegte Märchen von der guten alten Zeit noch immer zu glauben? Wie lange wird es noch Menschen geben, die gewissenlos genug sind, den Leuten einzureden, die Schädigung des Nachbarn sei ihr einziger Vortheil, und sie aufzustacheln zu Schandthaten, wie sie vormals gespielt haben hier auf diesem „Judenbühl“, der jetzt Maxfeld genannt wird?

Ist dieses Maxfeld in seiner neuesten Gestaltung nicht selbst ein herzerfreuendes Beispiel des Fortschritts?

Die große Fläche von mehr als 120,000 Quadratmeter war bis dahin trotz ihrer schönen Bäume, unter welchen sich namentlich die stattlichsten Linden und Kastanien hervorthun, wenig beachtet worden. Die Masse der Bevölkerung mied sie; höchstens suchten dort einsame Spaziergänger etwas Erholung. Anno 1848 hatten hier große Volksversammlungen mit stürmischen Reden stattgefunden, etwa wie damals in Berlin „unter den Zelten“. Dann war das Maxfeld wieder in sein Dunkel zurückgesunken. Es lag außerhalb der städtischen Bewegung. Erst nachdem die Direction des Gewerbemuseums den Platz in gerechter Würdigung seiner Schönheit für die Ausstellung ausgewählt und der Magistrat der Stadt, welcher das Maxfeld gehört, dasselbe zu diesem Zwecke der Commission zur Verfügung gestellt hatte, begann man es gartenkünstlerisch zu behandeln in einer Weise, die selbst einem Fürsten Pückler-Muskau zur Ehre gereicht haben würde. Auch das hatte freilich, wie alles Gute und Schöne, seine besonderen Hindernisse und Schwierigkeiten. Verschiedene in der Nähe des Platzes gelegene Gemeinden machten allerlei Servituten an demselben geltend, wie Fahr-, Gang-, Wegerechte und sogar Trieb- oder Triftgerechtigkeiten für die Viehheerden. Es gelang jedoch, sich mit diesen Prätendenten zu verständigen. Und nun konnte es denn mit der Kunstgärtnerei losgehen, welche an Stelle der alten Viehtriften zierliche Blumenbeete, pleasure-grounds und Wege schuf, aber auch bei dieser Anlage mit der größten Pietät vorschritt, um alle Bäume und größeren Gesträuchanlagen zu erhalten. Die Ausstellungscommission hat ganz Recht, sich dessen zu berühmen. Es geschieht mit den Worten:

„Wenn bei der ersten Weltausstellung 1851 in dem Hyde-Park in London die Rücksicht auf die Bäume des Parks soweit ging, daß eine alte Linde, welche in dem Raume wuchs, der für das Ausstellungsgebäude bestimmt war, dadurch erhalten wurde, daß man sie in den Krystallpalast einbaute und diesem ausschließlich zum Zwecke der Erhaltung des Baumes eine Glaskuppel aufsetzte an dieser Stelle, wo man sonst Steine aufgerichtet hätte, so hat die Baierische Landesausstellung nicht minder rücksichtsvoll mit größter Sorgfalt jeden Eingriff in die vorhandenen Baumanlagen vermieden.“

Und dann hat sie für Wasser gesorgt, um die Baum-, Park- und Zieranlagen stets bei der nöthigen Frische zu erhalten, um

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 574. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_574.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2023)