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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Der Eingang zur Ausstellung ist schwierig, wie der Weg zum Himmelreich. Erst muß man nach der Casse suchen, welche sich jenseits der Straße befindet und äußerlich nur wenig kenntlich ist. Allein man wird reichlich belohnt für die Ueberwindung dieser kleinen Schwierigkeit. Durch das Hauptthor eingetreten, hat man ein Paradies vor sich – vorausgesetzt, daß die Sonne scheint; denn schönes Wetter gehört zu Ausstellungen und Festen. Vor Allem sieht man einen prachtvollen Park mit großen, laubigen und vollsaftigen alten Bäumen, mit schönen Weg-, Wiesen- und Beetanlagen, mit kleinen Seen und hübschen Springbrunnen, mit malerischer Decoration und Architektur und dazu allerlei Menschen-Staffage. Wenn auch die Gebäude, deren Spitzen und Kuppeln, Rotunden und Thürme hinter und über dem üppigen Saftgrün hervorschimmern, gar nicht den Zweck einer Ausstellung hätten, wenn sie blos decorative Wände wären, man würde dennoch dem Ganzen seinen lebhaftesten Beifall nicht versagen können.


Bilder aus der baierischen Landesausstellung in Nürnberg: Die „Kosthalle des bürgerlichen Brauhauses“ in München.


Aber das ist noch das Geringste, was man an dieser sinnreichen Anlage loben muß. Während man bei anderen Ausstellungen der Axt des Baumfällers nicht gewehrt, hat man hier den entgegengesetzten Weg eingeschlagen: man hat, nachdem das Maxfeld zum Ausstellungsplatze bestimmt war, sämmtliche Bäume des Platzes nach Standort, Größe und Umfang genau aufgenommen und dann erst die Gebäude in den Grundriß eingezeichnet. Dem Letzteren ist nicht ein einziger Baum zum Opfer gefallen. So ist es denn auch gekommen, daß man nicht den ganzen Gebäudecomplex auf eine zusammenhängende Fläche concentriren konnte. Aber auch das gereichte dem Ganzen zum Vortheil.

Ich will das näher erläutern. Daß z. B. die Maschinenhalle in die äußerste nordöstliche Ecke verwiesen werden mußte, ist ein offenbarer Vorzug. Die meisten Menschen verstehen nichts von Maschinen, und die Wenigen, welche etwas davon verstehen, werden den besonderen Gang nach der Halle nicht scheuen und froh sein, daß sie hier von der unverständigen Menschenmenge in ihren Studien nicht gestört werden. Zweitens machen die Maschinen, wenn sie in Bewegung gesetzt werden, ein Geräusch, das nicht sehr angenehm ist und Jedenfalls Denjenigen, welche Bilder und Statuen betrachten oder die Erzeugnisse des Gewerbefleißes studiren wollen, störend sein würde. Endlich drittens ist der Maschinenraum immer etwas feuergefährlich, und es erscheint daher sehr zweckmäßig, daß man ihn isolirt hat, wozu dann noch viertens – und das hätte ich beinahe vergessen – hinzukommt, daß man an diesem entlegenen Platze das Geld für eine glänzende Façade und andere derartige Künste sparen konnte.

Die anderen Gebäulichkeiten, nämlich erstens das Hauptausstellungsgebäude, zweitens der Pavillon für bildende Kunst, und drittens der Pavillon für Verkehrs- und Unterrichtsanstalten, liegen auch getrennt von einander. Für Diejenigen jedoch, welche die Sonnenstrahlen oder ein paar Regentropfen scheuen (zu Letzteren gehören unter Anderem auch die Damen, die für ihre Toiletten fürchten), ist durch eine gedeckte Gallerie gesorgt, welche die verschiedenen Einzelgebäude mit einander verbindet. Wir Anderen, wir gewöhnlichen Menschen, welche für ihren Teint von der Sonne nichts zu fürchten haben und auch eine wetterfeste Toilette besitzen, wir nehmen unseren Weg von einem Ausstellungspalaste zum andern mitten durch den Park, wo wir unsere von dem ewigen Betrachten und Untersuchen angestrengten Seh- und sonstigen Nerven sich wieder erholen lassen, indem wir, statt Ausstellungsgegenstände zu betrachten, zur Abwechslung einmal das Ohr spitzen, um den Gesprächen der Ausstelltungsgäste zu lauschen, welche in baierischer, fränkischer, schwäbischer, pfälzischer, mitunter auch in schriftdeutscher und nur selten in nichtdeutscher Zunge geführt werden, oder indem wir einen der Baumriesen bewundern und uns in dessen Schatten auf einer Gartenbank niederlassen, wohin uns ein benachbarter Springbrunnen einige kühlende Tropfen sendet. Eine solche beschauliche Siesta, während welcher man in seinen Ausstellungsbüchern blättert – leider sind sie unförmlich dick, und es sind deren zu viele, sodaß man sich dafür beinahe einen eigenen Träger mitnehmen müßte – eine solche Siesta wird Jeder für sehr erwünscht halten, der aus eigener Erfahrung weiß, wie sehr der stundenlang fortgesetzte Besuch einer Ausstellung ermüdet.

Und der Stil der Gebäude?

Ich weiß nur, daß alle Baugelehrten, die ich die Ehre hatte in der Ausstellung zu sprechen, diesen Stil verurtheilten, oder vielmehr behaupteten, das Alles sei bedauerlich stillos. Man sprach von arabischem, türkischem, maurischem Stil, von Rococo-, von Schnörkel- oder Zopfstil, ja sogar von Tischler-, Drechsler- und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 573. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_573.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2023)